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Peter Schneider im großen LAOLA1-Scouting-Check

Der EBEL-Topscorer der Capitals beweist viele Stärken und ist heiße Transfer-Aktie.

Peter Schneider im großen LAOLA1-Scouting-Check Foto: © GEPA

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Vienna Capitals gegen HC Znojmo, für mich eine Playoff-Serie, die kaum Neuigkeitswert hat: Zu oft habe ich beide Teams während der Saison schon gesehen, meine Reports für beide Teams standen schon im November im System.

Aber das Spiel drei am Sonntag war eine gute Gelegenheit, mich nur auf einen Spieler zu konzentrieren und das Spiel von Peter Schneider nochmals in seine Einzelteile zu zerlegen.

Ein Scouting-Report über den momentanen EBEL-Topscorer, der bei 38 Toren und 36 Assists hält:

Skating: Eine seiner größten Stärken, vor allem der Antritt: Sehr explosive erste Schritte, mit denen er sich von seinen Gegenspielern absetzen kann. Er lässt auch auf der Distanz nicht nach, fliegt fast durch das Mitteldrittel und kann auch mit der Scheibe am Stock um Gegenspieler herumskaten. Sein Stride ist eher kraftvoll als elegant, aber immens wirksam. Seine Agilität und Mobilität auf engstem Raum sind vielleicht nicht ganz so ausgeprägt wie sein Straight-ahead-Speed, er hält seine Beine aber stets in Bewegung und ist daher schwer festzumachen. Ich würde ihm im offenen Eis ein wenig bessere Noten geben als auf kleinerem Raum.

Insgesamt gehört Schneider mit und ohne Scheibe zu den besten Skatern der EBEL – in dieser Beziehung würde er auch in besseren Ligen keine Probleme haben.

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Schuss/Abschluss: Der rechte Flügel, den ich nur auf seiner natürlichen Seite kenne, gehört zu den besten Schützen der Liga, vor allem weil er gleich zwei Waffen aufweist: Sowohl sein Slapshot als auch sein Wrister sind hart und genau. Für Slapshots gibt im heutigen Eishockey ja immer weniger Zeit und Platz, doch im Powerplay können sie weiter eine wichtige Waffe sein. Wenn Schneider von der linken Halfwall agiert, kommt sein Schuss wie ein Strich, und vor allem wichtig: Er verfehlt das Tor damit nur sehr selten. Sein One-Timer kann Torhüter überwältigen und für Rebounds und Scrambles sorgen. Natürlich braucht er dafür gut getimte Vorlagen, wenn geht von Rechtshändern in der Mitte der blauen Linie. Die Rückkehr von Marc-Andre Dorion und der Zuzug von Pat Mullen halfen ihm und den Capitals in dieser Beziehung.

Bei Vollbetrieb greift er natürlich öfters auf seinen Wristshot zurück. Der erinnert mich an jenen von Matt Fraser (Dornbirn) in der Vorsaison – beide haben die Fähigkeit, durch Verteidiger und Goalies durchzuschießen. Wenn Schneider von den Hashmarks (meist rechts) zum Schuss kommt, kann er im ungünstigsten Fall den Goalie "handcuffen", sprich ihn mit seinen Schüssen zu Rebounds oder fallengelassenen Pucks zwingen, aber oft bezwingt er die Torhüter auch Glove side. Eine weitere Stärke: Schneider hat den Stock meist auf dem Eis, findet daher Rebounds schnell. Deflections (ich kann mich da an so manche im "Vanek-Style" erinnern) gehören ebenso zu seinen Stärken. Diese finden nahe am Tor bis zu den Hash Marks statt, wenn er nicht scort, nimmt er zumindest dem Goalie sehr effektiv die Sicht.

Schneiders Schuss ist eine seiner größten Stärken, gehört zur Liga-Spitze und ist nicht leicht vorherzusagen. Seine Tore entstehen aber aus verschiedensten Situationen, sodass er nur sehr schwer aus dem Spiel zu nehmen ist und keine großen Scoringflauten erleidet.

Pässe/Stick Handling: Schneider war für mich heuer ein "Shoot-First-Player", diesen Eindruck habe ich am Sonntag noch etwas korrigieren können. Natürlich müssen die gegnerischen Abwehrspieler und Torhüter seinen Schuss respektieren und er ist bei Zwei-gegen-Eins-Breaks (die er mit seinem Speed oft kreiert) auch eine sehr gute Option. Doch er findet auch seine Mitspieler, seine Pässe sind keine künstlichen Meisterwerke, sondern kommen im rechten Moment und finden die Stöcke seine Mitspieler. Er tendiert nicht zum "Overhandeln", sprich, trägt die Scheibe nicht so lange, bis die Passwege abgeschnitten sind. Im Zweifel trennt er sich eher früher als später vom Puck, wenn er aber offenes Eis sieht, skatet er die Scheibe mit Power aus dem Drittel.

Trotz durchschnittlicher Größe ist Schneider im Verkehr immens effektiv, scheut vor keinem Zweikampf zurück, vergeudet aber auch keine Energien in unnötigen Scharmützeln.

Schneider ist kein Playmaker per se, aber ein guter Passgeber. Im Powerplay kann er eben von der linken Seite schießen oder die Scheibe wieder zur blauen Linie zurückspielen bzw. den Spieler in der Mitte des Slots punktgenau finden. Pässe durch den Slot – am Bumper vorbei – zur anderen Seite des Eises würde ich eher nicht erwarten, diese dritte Pass-Option beherrscht in der Liga Nick Petersen meisterhaft.

Schneider deckt die Scheibe gut ab, kontrolliert sie auch im vollen Speed exzellent und verliert sie nur selten. Er macht die Pässe, die man erwarten kann und oft auch noch darüber hinaus. Braucht er umgekehrt einen Playmaker neben sich, um so auf seine Punkte zu kommen? Keineswegs, bei aller Wertschätzung von Benjamin Nissner, aber dieser gehört als Center, der die meiste Zeit an Schneiders Seite verbracht hat, sicher nicht zu den Top-Set-up-Guys der Liga. Ich weiß nicht, wie sehr ein retartierender Spieler (wie etwa Colton Yellow Horn oder Corey Locke) für Schneider gut wäre, ist sein Spiel doch auf Speed und schnelle Entscheidungen aufgebaut. Spieler mit hohem Tempo und Energy (wie Chris DeSousa) passen am besten zu Schneider und dessen technisch gutes, aber vor allem einfaches Spiel. Es gibt spektakulärere Stickhandler als ihn in der Liga, aber nur wenige effektivere.

Physisches Spiel: Schneider hat gut gelernt, wie man in der EBEL reüssieren kann. Er spielt sicher hart ("plays with jam"), nimmt Zweikämpfe an und hat darin meist Abrieb – sprich, er ist am Gegner dran, bedrängt ihn, gibt ihm eine Kleine mit und behindert ihn mit seinem Stock, aber der Kampf um die Scheibe steht im Vordergrund. Auch in einer größeren Liga als der mit vielen zwergenhaften Defendern ausgestatteten EBEL sollte er keine Problem im Zweikampfverhalten haben. Er verwendet seine Energie statt auf dumme Attacken (er bekommt auch kaum unnötige Strafen) lieber für das Spiel und hat kein Problem damit, in engen Zonen zu agieren. Sein laufintensiver Stil bringt ihn in den Slot und nah ans Tor, wo er freie Pucks und Rebounds verwertet.

Trotz durchschnittlicher Größe ist Schneider im Verkehr immens effektiv, scheut vor keinem Zweikampf zurück, vergeudet aber auch keine Energien in unnötigen Scharmützeln. Das Spiel am Sonntag war der beste Beweis dafür, dass er sich auch in einer heißen Partie nicht von seinem Spiel abbringen lässt, aus Scrums hielt er sich heraus.

Powerplay: Seinen One-Timer von der linken Halfwall habe ich ja schon angesprochen, aber im Gegensatz zu so manchem "One-Trick-Pony" in der EBEL agiert er nicht statuesk. Er ist auch der Mann, der in Überlegenheit die Scheibe meist ins Drittel trägt, indem er hinter dem ursprünglichen Puck Carrier (Dorion) Speed aufbaut und diesen dann bei der Puckübernahme verwendet. Im Gegensatz zu Fünf-gegen-Fünf-Situationen übernimmt er die Faceoffs von der rechten Seite nicht, findet sich aber nach Rotieren auch auf dieser Seite oder vor dem Tore wieder.

Alles in allem: Als "Dedicated Puck Carrier" im Powerplay sorgt Schneider für die meisten "Zone Entries" und findet sich meist an der linken Halfwall für One-Timer wieder. Seine Beinarbeit, die ihn dann auch vor das Tor oder in den Slot trägt, macht ihn zu einem der mobilsten PP-Experten der Liga.

Penalty Killing/Defensivverhalten: Schneider kommt im PK in Wien nicht zum Einsatz, im Nationalteam fand Roger Bader für ihn dort sehr wohl Verwendung. Die Caps haben auch sehr gute Alternativen, daher ist sein Einsatz in Unterlegenheit auch nicht zwingend, zwackt ihm aber etwas Eiszeit ab. Nur auf dem sonntägigen Spiel basierend, könnte ich seine Defensivarbeit nicht beurteilen, denn die Caps waren nur selten im eigenen Drittel festgespielt und gerade Schneider sorgte immer wieder für schnelle Breakouts.

Doch wenn Schneider Schwächen hat, dann liegen sie doch in der eigenen Zone. Ab und zu driftet er auf der Suche nach seiner Zuordnung durch das Defensivdrittel. Auch einige Breakout-Versuche können in Sackgassen führen oder er verlässt das eigene Drittel ohne Scheibe etwas zu früh. Schneider zaubert aber keineswegs, ist sich auch nicht zu schade, im Zweifelsfall die Scheibe aus der Zone zu spedieren, doch seine Defensiventscheidungen fallen ihm nicht ganz so leicht wie die am anderen Ende des Eises. Im Forecheck (F1 oder F2) kann er mit seiner Beinarbeit dagegen Druck ausüben.

Das Spiel ohne Scheibe bzw. in der eigenen Zone ist sicher der ausbaufähigste Aspekt in Schneiders Spiel. Bekommt sein baldiger neuer Arbeitgeber einen kompletten Spieler? (Noch) nicht, doch die kleinen Schwächen würden mich bei ihm nicht abschrecken.

Doch in systemtreueren Ligen, in denen ihm das Scoren nicht so leichtgemacht wird, könnte er zu Beginn noch etwas Anpassungsprobleme haben, vor allem im Defensivverhalten.

Hockey Sense: Ich fand in meinen Unterlagen vier Reports über Schneider aus seiner Vor-EBEL-Zeit, nämlich aus den Jahren 2009 und 2010 (Junioren-Nationalteams und Znojmo-Junioren). Ich muss sagen, dass ich ihn vor allem bezüglich seiner Offensivausbeute damals unterschätzt habe, er war ein durchschnittlicher Auswahlspieler mit guter Einstellung. Einen Satz von damals – "More instinct than system player" - würde ich heute natürlich nicht so krass formulieren, ein Kern Wahrheit steckte aber schon darin. Schneiders Instinkte und Laufwege sind meist die richtigen und führen ihn in Positionen, in denen er seine Stärken ausspielen kann. Vor allem die in seinem Kopf offenbar verankerte Maxime "When in doubt, go to the net" macht ihn extrem torgefährlich.

Doch in systemtreueren Ligen, in denen ihm das Scoren nicht so leichtgemacht wird, könnte er zu Beginn noch etwas Anpassungsprobleme haben, vor allem im Defensivverhalten. Um es zusammenzufassen: Sein offensiver Hockey Sense funktioniert (noch) etwas besser als sein defensiver, das könnte auch eine Konsequenz seiner mehr als zwei Saisonen in der ECHL sein.

Fazit: Aus den Anfragen aus ausländischen Qualitäts-Ligen (DEL, Schweden und jetzt auch die Schweiz) sollten in naher Zukunft auch konkrete Angebote werden. Im April wird Schneider 28 Jahre alt, da geht man sogar in der EBEL nicht mehr als junger Spieler durch. Der Zeitpunkt ist sicher da, wo der Klosterneuburger eine neue Herausforderung annehmen könnte, auch wenn er bis jetzt nirgends zu den Großverdienern gehörte und der finanzielle Aspekt sicher eine gewichtige Rolle spielen muss.

Ich halte Schneider für den einzigen EBEL-Österreicher, dem ich eine gute Rolle in einer europäischen Qualitäts-Liga zutrauen würde. Nach den zuletzt meist deprimierenden und/oder kurzen Auslandsaufenthalten der Österreicher außerhalb der EBEL tue ich mich zwar damit schwer, unser Land als großes Eishockey-Exportland anzupreisen, bei Schneider würde ich aber eine Ausnahme machen. Seine Stärken überwiegen seine kleinen Schwächen bei weitem und vor allem seine Dynamik und sein Drive würden sich auch gut auf bessere Ligen übertragen. Seine Entscheidung bezüglich seiner nächsten Station ist gehört zu den interessantesten Personalien der nächsten Wochen...

 

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