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ÖFB-Team: Russisches Roulette erst in Belfast

Was tun bei 1:0-Führung? Wie viel Risiko nimmt Foda? Fragen vor Bosnien-Spiel:

ÖFB-Team: Russisches Roulette erst in Belfast Foto: © GEPA

Für Teamchef Franco Foda hat Österreich im Nations-League-Showdown mit Bosnien-Herzegowina (20:45 Uhr im LIVE-Ticker) genau eine Mission.

"Wir wollen ein Endspiel in Nordirland haben", fordert der Deutsche, "das haben wir in der eigenen Hand, mit einem Sieg gegen Bosnien dieses absolute Finale zu bekommen. Das ist unsere Aufgabe."

Leider bekommt man es nicht mit jedem Sieg, was die Aufgabe ein wenig komplizierter macht - nur entweder ein 1:0-Erfolg oder jeder Sieg mit zwei Toren Differenz vertagen die Entscheidung über den Gruppensieg auf das Gastspiel in Belfast am Sonntag.

Und: Auch die Negativvariante eines Abstiegs ist nicht auszuschließen, selbiger droht im Falle einer Niederlage gegen Bosnien. Dies würde es auch für Foda ungemütlicher machen, womit er sich jedoch nicht beschäftigen möchte: "Wenn man Trainer ist, hat man das ganze Leben Druck. Insofern ist das nichts Außergewöhnliches für mich, ich bin schon sehr lange in diesem Geschäft tätig."

Wie oft der 52-Jährige in all seinen Trainer-Jahren derart viele Szenarien im Hinterkopf haben musste, sei dahigestellt - dem Nations-League-Modus sei Dank.

Aus der recht unübersichtlichen Ausgangsposition resultiert auch die Frage, wie das ÖFB-Team das Spiel im Fall der Fälle anlegen soll. Dies ist jedoch nicht die einzige Frage, die im Duell mit Bosnien auf eine Antwort wartet:

 

 

WIE GEHT MAN MIT DER (KOMPLIZIERTEN) AUSGANGSPOSITION UM?

Es ist die Woche der Nations-League-Wahrheit. Das klingt angesichts dessen, dass dieser Wettbewerb noch in den Kinderschuhen steckt und angesichts seines komplizierten Modus von der Öffentlichkeit offenkundig noch nicht vollends angenommen wird, dramatischer als es ist. Aber: Ob Aufstieg in Liga A, Verbleib in Liga B oder Abstieg in Liga C - für Österreich ist in alle Richtungen alles offen. Diese Prestige-Frage bringt Spannung mit sich. Viel wichtiger ist jedoch, dass es erstens um ein Hintertürchen zur EURO 2020 geht und das Abschneiden in der Nations League auch für die Auslosung der EM-Quali relevant ist. Sämtliche Szenarien, die für das ÖFB-Team gegen Bosnien und in Nordirland auf dem Spiel stehen, sind hier nachzulesen - es sind sehr viele. Um es nicht unnötig zu verkomplizieren: Will Österreich noch Gruppensieger werden, müssen beide Partien gewonnen werden.

Im Bosnien-Match gilt es diesbezüglich vor allem ein Szenario im Auge zu haben. Was tun, wenn es beispielsweise kurz vor Schluss 1:0 steht? Volles Risiko oder dieses Ergebnis mitnehmen? Der Hintergrund: In der Nations League zählt das direkte Duell, mit einem 1:0-Sieg hätte man das 0:1 in Bosnien "nur" egalisiert. Bei einem Sieg mit zwei Toren Differenz hätte Rot-Weiß-Rot das direkte Duell mit den Bosniern in der Tasche und in Nordirland reicht ein Sieg egal welcher Höhe. Gewinnt Österreich 2:1 oder 3:2, wäre Bosnien dank der Auswärtstor-Regel definitiv bereits Gruppensieger.

Foda ließ durchklingen, dass er etwa bei 1:0 nicht volles Risiko nehmen würde, wie er es etwa bei einer 2:1-Führung machen müsste. Und auch seine Schützlinge tendieren bei diesem Szenario eher dazu, die Entscheidung über den Gruppensieg nach Belfast zu verlegen. Martin Hinteregger etwa meint: "Wenn das Szenario einer 1:0-Führung eintritt, würde ich mich immer für den Sieg entscheiden. Natürlich sucht man immer irgendwo das 2:0, aber wichtig wäre, dass hinten die Null steht. Wenn es 2:1 oder 3:2 stehen würde, wäre es etwas anderes. Aber wenn ich die Wahl zwischen 2:0 und 1:1 habe, würde ich sagen, lassen wir das 1:0. Bei einem 1:0 hätten wir am Sonntag immer noch die Chance auf den Gruppensieg, daher wäre das voll okay."

Aleksandar Dragovic verdeutlicht: "Es hat nicht Priorität, dass wir mit zwei Toren Unterschied gewinnen. Wir brauchen also nicht rechnen, ob wir 2:0, 3:0 oder 4:0 gewinnen müssen. Zuerst ist einmal der Sieg wichtig. Russisches Roulette können wir in Belfast immer noch spielen."

WIE LEGT ÖSTERREICH DAS SPIEL AN?

Russisches Roulette bedeutet im konkreten Fall All-in gehen, um den Gruppensieg zu erobern. Letztlich wird der Spielverlauf eine große Rolle spielen. Aber bevor er einen Abstieg riskiert, ist davon auszugehen, dass Foda lieber den zweiten Platz absichert und zur Not auch ein Remis mitnimmt. Wenn man gewinnen will, wird es gegen Bosnien aber ohne gewisses Risiko nicht gehen - es soll jedoch ein kontrolliertes sein. Kapitän Julian Baumgartlinger fordert nicht umsonst höchste Konzentration und ein verantwortungsbewusstes Spiel nach vorne, um nicht blind in bosnische Konter zu laufen.

Foda betont: "Wir müssen angreifen. Wir müssen Tore machen, um das Spiel für uns zu entscheiden. Aber wichtig wird auch sein, dass wir eine gute Balance aus Offensive und Defensive haben. Wir brauchen eine gute Restverteidigung, weil Bosnien im Umschaltspiel gefährlich ist. Das bedeutet für uns, dass wir, wenn wir offensiv agieren, immer wieder eine Absicherung nach hinten haben und gut ins Gegenpressing kommen müssen. Das wird entscheidend."

Entscheidend wird natürlich auch, dass die ÖFB-Elf mit Edin Dzeko den bosnischen Superstar nicht zur Geltung kommen lässt - diesmal anders als im Hinspiel über 90 Minuten. "Er ist ein Weltklasse-Stürmer, mit ihm und Miralem Pjanic hat Bosnien zwei überragende Spieler. Wenn wir die irgendwie in den Griff bekommen, haben wir sicher schon die Hälfte gewonnen", glaubt Dragovic.

Marko Arnautovic wiederum will sich nicht zu lange mit den gegnerischen Stars aufhalten. Seine proaktive Devise lautet: "Wir brauchen nicht schauen, dass wir irgendwelche Leute ausschalten. Wir sollten unser Spiel aufziehen und zu jenem Moment kommen, wo die Bosnier einen Plan finden müssen, wie sie gegen uns spielen und nicht wir einen Plan finden müssen, ihre Spieler zu stoppen."

WEN STELLT FODA IN DIE STARTELF?

Das Rätsel um die Aufstellung wird wie gewohnt erst 90 Minuten vor dem Anpfiff gelüftet. Alleine dass Heinz Lindner im Tor stehen wird, ließ Foda bereits durchblicken - beim Test in Dänemark hatte zuletzt Rapid-Goalie Richard Strebinger sein Debüt gefeiert. Angesichts der kurzen Vorbereitungszeit bot diese Woche nicht die Chance, sich im Training großartig aufzudrängen. Vielmehr ging es darum, Fodas personelle und taktische Idee zu verfeinern.

"Als Trainer hat man eine klare Vorstellung, wie man gegen diese Mannschaften spielen möchte. Leider Gottes gab es mit Florian Grillitsch, Marcel Sabitzer und Guido Burgstaller kurzfristige Ausfälle, insofern mussten wir etwas adaptieren, aber ich weiß, wie wir spielen wollen. Ich habe eine klare Idee, einen klaren Plan - auch was die Spieler betrifft", verdeutlicht der ÖFB-Coach.

Besonders spannend wird diesmal, ob Foda auf eine Dreier- oder Viererkette setzt. Argumente gibt es für beide Varianten. Mit Sebastian Prödl fehlt erstmals in diesem Kalenderjahr der etatmäßige Organisator der Dreierkette. Dragovic oder Stefan Ilsanker könnten einspringen, aber auch eine von Dragovic und Hinteregger gebildete Viererkette wäre keine Überraschung. Personelle Möglichkeiten gibt es diverse - etwa auch, dass Ilsanker dem Grundgedanken der Flexibilität folgend sowohl in der Abwehr als auch im Mittelfeld ein Thema ist. Dies könnte mit dem jeweils selben Personal wiefolgt aussehen:

Dreierkette: Lindner - Ilsanker, Dragovic, Hinteregger - Lainer, Baumgartlinger, Zulj, Alaba - Lazaro, Gregoritsch, Arnautovic

Viererkette: Lindner - Lainer, Dragovic, Hinteregger, Alaba - Ilsanker, Baumgartlinger - Lazaro, Zulj, Arnautovic - Gregoritsch

Anzumerken ist folgendes: Gegen Nordirland setzte Foda in Abweseheit von David Alaba auf eine Viererkette. Den klassischen Linksverteidiger in einer Viererkette hat der Bayern-Star auch unter Foda noch nicht gespielt. Und in beiden Systemen ist nach vorne hin Diverses denkbar - nur als Beispiel etwa eine Variante mit zwei Stürmern, in welcher Arnautovic weniger über links kommen, sondern wieder an vorderster Front agieren würde.

WER SOLL DIE TORE SCHIESSEN?

Durch den Ausfall von Guido Burgstaller ist die Besetzung des Angriffs ohnehin interessant, sprich ob Arnautovic ganz vorne zum Zug kommt und/oder Gregoritsch. Viel wichtiger jedoch: Egal wer trifft, Hauptsache es darf zumindest ein Tor bejubelt werden - im Idealfall mehrere. Die Stürmer-Situation in Österreich war fraglos eines der Hauptthemen des bisherigen Lehrgangs. Dies bezieht sich einerseits darauf, dass Burgstaller und Gregoritsch im ÖFB-Dress noch nicht so richtig der Knopf aufgegangen ist, andererseits darauf, dass dahinter nicht unbedingt viele Kandidaten in den Startlöchern scharren. Dass Foda erneut auf Marc Janko als Notnagel zurückgreifen muss, spricht zwar für die Wertigkeit des Routiniers, aber nicht unbedingt für Österreich als Land der Goalgetter.

Aus so ziemlich jedem ÖFB-Mund war in dieser Woche die Forderung zu hören, dass man die Chancen effizienter verwerten muss. Folgerichtig ist dies auch der klare Auftrag von Foda an seine Spieler: "Es wird einfach wichtig sein, dass wir gerade im letzten Drittel entschlossen und zielstrebig sind. Wir müssen hungrig darauf sein, im Strafraum Tore zu erzielen! Wir haben gute Spieler in der Offensive, wir haben Tempo, wir haben Qualität - und das müssen wir auf den Platz bringen."

WIE LEGT BOSNIEN DAS SPIEL AN?

Von der "Mammutaufgabe" Edin Dzeko war im Laufe dieses Camps schon viel die Rede, aber Bosnien auf den Superstar zu reduzieren, wäre ein Fehler. Allgemein erwartet man im ÖFB-Team, dass die Gäste eher abwartend spielen werden. "Ihnen reicht ein Unentschieden. Sie werden sicherlich kein Pressing machen, sondern einfach auf ihre Chance lauern", glaubt Dragovic. Diese Herangehensweise machte sich schon im Hinspiel bezahlt. Foda erinnert daran, dass Bosnien in Zenica teilweise mit einer verkappten Sechserkette agiert hätte. Was der gegnerische Teamchef Robert Prosinecki tatsächlich vor hat, wird sich im Spiel zeigen. Der frühere Star-Spieler versichert im Vorfeld jedoch, dass er keineswegs ein Rückzugsgefecht im Sinn habe: "Wir wollen nicht nur ein Unentschieden holen, wir wollen gewinnen. Wenn man auf einen Punkt spielt, verliert man meistens." Fest steht nur, dass Bosnien in dieser Partie vielleicht nicht der Favorit ist, aber nach drei Siegen aus den bisherigen drei Nations-League-Auftritten viele Trümpfe in der Hand hält. Auch Foda weiß: "Bosnien hat ganz klar die beste Ausgangsposition, da sie schon neun Punkte auf dem Konto haben und ihnen ein Unentschieden reicht. Wir müssen gewinnen. Es wird sicher ein sehr enges Spiel, in dem kleine Details entscheiden werden."

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