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Sturm vs. Roter Stern: "Das halbe Stadion könnte Zvezda anfeuern"

Dem SK Sturm Graz steht am Donnerstagabend eine Herkulesaufgabe bevor. Was erwartet die "Blackies" gegen "Gott" Marko Arnautovic und Co.?

Sturm vs. Roter Stern: "Das halbe Stadion könnte Zvezda anfeuern" Foto: © GEPA

Besinnliche Weihnachtszeit? In Graz-Liebenau kann davon dieser Tage wahrlich keine Rede sein.

Obwohl der Derby-Fight aus schwarz-weißer Sicht ein Happy End nahm, forderte er körperlich und moralisch hohen Tribut. Saison-Aus für Leon Grgic, öffentliche Kritik von Trainer Jürgen Säumel in Richtung Klubführung.

Es gäbe also zweifelsohne günstigere Ausgangslagen für ein Europa-League-Schicksalsduell mit Roter Stern Belgrad (Donnerstag, ab 18:45 Uhr im LIVE-Ticker >>>).

Dass das Spiel für beide Teams Endspielcharakter hat und dass auf Seiten der Serben neben einem ÖFB-Kandidaten auch eine rot-weiß-rote Legende vor einer Premiere steht, mindert die Brisanz nicht gerade.

Den Erwartungen hinterher? Kein Grund zur Sorge

Nur Platz zwei hinter Erzrivale Partizan. Erste Liga-Heimniederlage nach acht Jahren.

Das Wort "Krise" bedeutet eben nicht überall dasselbe. Denn während der SK Sturm sowohl sportlich als auch klubintern in der vielleicht schwierigsten Lage seit langer Zeit steckt, lässt sich rund um das "Marakana" niemand so richtig aus der Ruhe bringen.

"Roter Stern ist die beste Mannschaft in Serbien. Sie haben den besten Kader, den besten Trainer und werden auch heuer sicher Meister. Daran gibt es keine Zweifel", sagt Veljko Ivanovic. Er ist Sportjournalist und beschäftigt sich seit rund 30 Jahren mit Serbiens Fußball und den Belgrader Großklubs - dass die "Crveno-Beli" aktuell nicht wie üblich überlegen von Erfolg zu Erfolg spazieren, hält er für eine Momentaufnahme.

"Sie hatten bisher viel mit Verletzungen zu kämpfen, haben unglückliche Gegentore kassiert. Aber im Winter kommen viele Spieler zurück, es wird Neuverpflichtungen geben. Am Ende holen sie ganz sicher den Titel."

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Foto: ©GETTY

Ein Klub, zwei Gesichter

Während der Vergleich auf nationaler Ebene also hinkt, bringt er auf internationaler Ebene durchaus interessante Parallelen zu Tage.

Mit Rang 22 und sieben Punkten am Konto befindet sich "Zvezda" in der Europa League tabellarisch in denselben Gefilden wie Sturm: "Roter Stern spielt in Europa deutlich besser als in der serbischen Meisterschaft, vor allem in den letzten Spielen. Ihnen fehlt häufig das Glück. Gegen Celtic Glasgow (1:1) war man die bessere Mannschaft. In Porto (1:2) hätten sie mindestens ein Remis verdient. Nur das 0:2 in Braga war eine Katastrophe."

International zeigt die Formkurve tatsächlich nach oben - in den letzten beiden Europa-League-Partien gab es zwei 1:0-Siege gegen Lille und Steaua Bukarest.

UEFA Europa League

Sturm Graz

Roter Stern Belgrad

Tabellenplatz

28.

22.

Bilanz

5 Spiele (ein Sieg, ein Remis)

5 Spiele (Zwei Siege, ein Remis)

Toptorschütze

Tomi Horvat (2)

Marko Arnautovic (2)

Torverhältnis

4:7

4:5

Marktwert

53,08 Mio. €

82,05 Mio. €

Wertvollster Spieler

Otar Kiteishvili (6 Mio. € MW)

Tomás Händel (10 Mio. € MW)

Trainer

Jürgen Säumel

Vladan Milojevic

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Marko Arnautovic
Foto: ©GEPA

Arnautovic? "Er ist ein Magier"

Verantwortlich für den Aufschwung auf europäischer Ebene zeichnete sich - natürlich - Marko Arnautovic.

Gegen Lille traf der ÖFB-Rekordtorschütze vom Elfmeterpunkt und bescherte dem Sturm-Gegner damit den ersten Sieg in der laufenden EL-Ligaphase. Während das Grazer Lazarett Neuzugang um Neuzugang verbucht, kehrt "Arnie" ausgerechnet pünktlich zum Duell mit den Steirern zurück - und steht nun vor seinem allerersten Profi-Spiel gegen einen österreichischen Klub. Zumindest ein Kurzeinsatz in Graz scheint möglich >>>

Für Ivanovic ein Wink des Himmels: "Er ist ein Zauberer, ein Magier und außerdem ein sehr aufrichtiger Mensch. Die anderen Spieler schauen zu ihm auf. Sie wissen, wie erfahren er ist, in welchen Ligen er gespielt hat."

Genau 14 Spiele machte Arnautovic seit seiner Ankunft im Juli, mindestens 15 verpasste er jedoch verletzt. "Er ist ohne richtige Vorbereitung gekommen und hat Zeit gebraucht. Marko ist stark wie ein Stier, aber die Verletzungen machen ihm doch unerwartet stark zu schaffen. Er ist halt kein junger Kerl mehr."

An seinem Status dürfte das jedoch nichts ändern. "Er ist für den Verein eine ganz große Nummer - in jeder Hinsicht. Marko wird hier wie ein Gott behandelt."

ÖFB-Kandidat Händel: "Eine lebende Kamera"

Auch einem gewissen Tomas Händel steht ein besonderes Spiel bevor.

Genau wie Kollege Arnautovic heuerte der Austro-Portugiese im Sommer in Belgrad an - auch er stand noch nie gegen einen Klub aus dem Heimatland seiner Großeltern auf dem Platz.

"Er hat riesige Qualität, kann als Sechser und Achter spielen. Sein linker Fuß ist sehr gut, er sieht alles um sich herum. Wie eine lebende Kamera (lacht)." Kein Wunder also, dass der ÖFB um die Dienste des in Guimaraes geborenen Mittelfeld-Strategen buhlt.

Ebenfalls mit von der Partie könnte ein gewisser Aleksa Damjanovic sein - der Sohn des ehemaligen Ried-Kickers Jovan Damjanovic stand im Alter von 17 Jahren bereits sechs Mal für die Profis am Feld. Auch das Angreifer-Talent wäre berechtigt, für Österreich zu spielen.

Die Anerkennung für den österreichischen Fußball sei in Serbien jedenfalls groß, so Ivanovic: "Es gibt so viele Verbindungen zum österreichischen Fußball. Wir verfolgen viele Spieler, die in Österreich spielen und irgendwie mit Serbien verbunden sind. Österreichische Spieler sind in Serbien immer willkommen."

Ex-Milan-Kicker und Slowene als Dirigenten

Sowohl der rekonvaleszente Arnautovic, Youngster Damjanovic als auch Händel dürften gegen Sturm aber vorerst auf der Ersatzbank Platz nehmen.

An Konkurrenz mangelt es dem Trio nämlich nicht. Vom Torhüter bis in den Angriff: Sturm Graz bekommt es mit einem extrem erfahrenen und individuell stark besetzten Gegner zu tun.

Der Brasilianer Matheus hütete zuvor bei Ajax Amsterdam das Tor, in Belgrad avancierte der 33-Jährige zum Publikumsliebling: "Er ist definitiv ein Torwart für Champions-League-Vereine. Er will immer gewinnen, selbst wenn Zvezda mit 4:0 führt, peitscht er die Jungs nach vorne."

In der Innenverteidigung ist Landsmann Rodrigao gesetzt, neben ihm tippt Ivanovic auf den 39-fachen Nationalspieler Milos Veljkovic.

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Rade Krunic und Timi Max Elsnik

Das Prunkstück bildet jedoch das Mittelfeld. Rade Krunic (32) und Timi Max Elsnik (27) dirigieren das Team von dort aus. "Krunic hat sehr viel Erfahrung, war über vier Jahre bei AC Milan. Elsnik ist slowenischer Nationalspieler, technisch und strategisch extrem stark."

Offensiv ruhen die Hoffnungen vor allem auf den beiden Klublegenden Mirko Ivanic (32) und Aleksandar Katai (34). "Ivanic ist technisch gesehen der beste Spieler in der Mannschaft. Er kann im Zentrum und auf den Flügeln spielen. Aleksandar Katai ist aktuell Topscorer in der Liga, steht schon bei 15 Toren."

Auf den Flügeln wird in Abwesenheit des verletzten Nemanja Radonjic entweder der Portugiese Milson oder eines der beiden Toptalente Vasilije Kostov und Luka Zaric starten. Ganz vorne soll der bullige Brasilianer Bruno Duarte stürmen.

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Foto: ©GETTY

Vladan Milojevic - "Der Ernste"

Wer den "Blackies" am Ende entgegentritt, entscheidet sowieso nur einer: Vladan Milojevic.

Der 55-Jährige ist in Serbien eine absolute Legende. In seiner zweiten Amtszeit steht ihm in Graz nun sein 253. Spiel als Cheftrainer der "Crveno Beli" bevor. Vier Meistertitel, zwei Pokalsiege und drei CL-Teilnahmen stehen in der Vita des einstigen Innenverteidigers.

"Unter ihm hat sich für Zvezda alles zum Besseren gewandt. Seit seiner ersten Amtszeit spielt Zvezda jedes Jahr in Europa. Er ist unheimlich erfahren, weiß wie er die Jungs zum Brennen bringt", sagt Ivanovic.

Milojevic' markanteste Eigenschaft? Seine Ernsthaftigkeit: "Er ist sehr vorsichtig, redet nicht viel und macht einfach seinen Job. Er ist mit Sicherheit Serbiens bester Trainer der letzten fünf, sechs Jahre."

"Es kann gut sein, dass das halbe Stadion Zvezda anfeuert"

Dass Sturm im Kampf um europäisches Überwintern bereits mit dem Rücken zur Wand steht, schmälert die Wichtigkeit der Partie für die Gäste nicht.

"Mit einem Erfolg stehen die Chancen sehr gut, dass sie sich am Ende der Ligaphase einen Platz in der K.o.-Runde sichern. Sie werden alles reinwerfen", erwartet der serbische Journalist.

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Foto: ©GEPA

Während auf dem Platz also mit einem Fight gerechnet werden darf, wird es auf den Rängen nicht minder wild zur Sache gehen, glaubt Ivanovic: "Die Fans von Zvezda sind der zwölfte Mann. Sie fahren überall hin, nach Portugal, Norwegen... Ich denke, dass die Unterstützung diesmal besonders groß sein wird. Wir haben so viele Fans in Österreich, besonders in Graz. Es kann gut sein, dass das halbe Stadion Zvezda anfeuert."

Die schwierigen letzten Wochen in Graz blieben in Belgrad indes nicht verborgen. "Wir wissen, dass sie sich in einer Krise befinden. Aber das ist nicht das wahre Bild. Irgendwann werden sie anfangen, besser zu spielen und bessere Ergebnisse zu erzielen. Wir beten, dass es nicht gerade gegen uns passiert. Der Respekt ist sehr groß, auch von Trainer Vladan Milojevic."


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