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Martin Reiss: "Ich wollte nie Präsident werden"

Doch ein stundenlanges Gespräch mit Hans Schmid überzeugte ihn. Mit welchen Visionen der neue Caps-Boss sein Amt antritt und was ihn an der Liga schockiert.

Martin Reiss:

Bei den Vienna Capitals bricht eine neue Zeitrechnung an.

Über 20 Jahre nachdem Hans Schmid den Wiener Eishockey-Verein nach dessen Gründung im Jahr 2001 übernommen, gerettet und zu zwei Meistertiteln geführt hatte, wird ab Juli 2024 ein neuer Mann die Geschicke in Kagran leiten. Dann wird bei einer Generalversammlung das am Donnerstag präsentierte Vorstand offiziell bestellt.

Angeführt wird das sechsköpfige Team vom neuen Präsidenten Martin Reiss, unterstützt wird der 68-jährige Unternehmer und Sportmanager von seinen Vizepräsidenten Franz Kalla und Philipp Felsinger. Das neu geschaffene Amt des Vorstandssprechers übernimmt Stefan Braun, der Chief Procurement Officer der ÖBB-Holding AG.

Bei einer kleinen Medienrunde am Donnerstagvormittag in der Steffl-Arena präsentierte sich das Quartett voller Enthusiasmus, besonders dem Neo-Boss war die Vorfreude auf die neue Aufgabe ins Gesicht geschrieben. Wenngleich der gebürtige Tscheche zugab: "Ich wollte nie Präsident werden. Das war nie mein Anliegen."

Seit den 80er-Jahren im Sportmarketing

Reiss wurde einst in Prag geboren, wuchs in der Schweiz auf und baute sich von Zürich aus ein großes Netzwerk auf. Seit über 40 Jahren ist der neue Präsident im Sportmarketing tätig und u.a. Gründer sowie Geschäftsführer von "Allsport Promotion" mit Hauptsitz in Wien.

Darüber hinaus leitete er mit Slavia Prag und den Queen's Park Rangers zwei Fußball-Klubs, war als Manager in der Formel 1 tätig und betreute neben Romain Grosjean und Kevin Magnussen auch andere Stars aus Tennis und Skisport.

Dem Eishockey-Sport steht Reiss sehr nahe, der 68-Jährige spielte in der Schweiz bis in seine Jugend auf höchstem Niveau. Später war er mit einer Vermarktungsagentur beim tschechischen Eishockey-Verband engagiert.

Das böhmische Herz, das Wien in sich schloss

(Artikel wird unter dem Video fortgesetzt)

Nach Wien verschlug es ihn erstmals 2010. Seine aus Ungarn stammende Frau startete ein Studium in ihrer Heimat, wo er sie dann besucht hat, erinnert sich Reiss. "Weil mein böhmisches Herz anders schlägt, habe ich mich in der Gegend sofort wohlgefühlt, in Wien sowieso."

Daraufhin riss er seine Zelte in der Schweiz ab, eröffnete eines seiner Büros in Wien und fing an, "diese Stadt zu lieben." Während der Schweizer mit den Wiener Fußball-Klubs Austria und Rapid keine guten Erfahrungen machte, sprang der Funke bei den Capitals sofort über.

Die ersten Berührungspunkte gab es im Sommer 2023, als Dominique Heinrich verpflichtet wurde. Die Wiener baten den Unternehmer um finanzielle Hilfe. "Dann kam Dominique zu mir ins Büro. Er war mir sofort sympathisch. Ich habe ihm gesagt, dass wir ihm helfen."

Reiss vermittelte daraufhin das Schweizer Unternehmen "MindMaze Labs", das sich im Bereich Neurowissenschaft spezialisiert hat und auch in der Formel 1 visuell präsent ist, an den Verein, seitdem nimmt das Logo der Firma, bei welcher der Neo-Präsident ein Aktionär ist, einen Platz am Helm von Heinrich ein. "So bin ich zu dem Ganzen gekommen."

Es sollte der Startschuss einer größeren Zusammenarbeit zwischen Reiss und den Capitals sein.

Bei "sehr viel Wein und sehr vielen Umarmungen" gab es die Zusage

Schon bald vertiefte sich die Verbindung zwischen dem Unternehmer und dem Klub, der am Gedanken, Reiss als neuen Präsidenten zu gewinnen, Gefallen fand.

"Die Jungs (Geschäftsführer Lukas Garhofer und Patrick Wondra, Anm.) kamen zu mir und haben gesagt: 'Wir reden über so viele tolle Sachen, du hast ein internationales Netzwerk. Hans Schmid will gerne mit dir sprechen", erzählt Reiss. Seine Antwort lautete: "Ich will das nicht, ich will nicht mehr in den Medien präsent sein."

"Wir saßen stundenlang zusammen, mit sehr viel Wein und sehr vielen Umarmungen. Ich habe dann gesagt: 'Hans, dir kann ich nicht Nein sagen. Ich mache es."

Martin Reiss erinnert sich an das Treffen mit Hans Schmid

Diese Zeiten seien vorbei. Doch der Sportmanager ließ sich trotzdem auf ein Treffen mit dem alten Präsidenten ein. "Wir haben gemerkt, dass wir quasi eine Vater-Sohn-Beziehung haben. Wir waren beide im gleichen Bereich tätig, kennen die gleichen Leute, haben die gleichen Erfahrungen."

Reiss erläutert: "Wir saßen stundenlang zusammen, mit sehr viel Wein und sehr vielen Umarmungen. Ich habe dann gesagt: 'Hans, dir kann ich nicht Nein sagen. Ich mache es."

Dem 68-Jährigen war sofort bewusst, dass die Aufgabe keine leichte sein wird. Deshalb war seine Überlegung: Schmid soll noch ein Jahr weitermachen, "und ich bin der Schatten hinter ihm." Dies war allerdings nicht möglich, also willigte Reiss ein. "Aber du (Hans Schmid, Anm.) bist der 'Godfather', du musst mir helfen." Das sei seine Bedingung.

"Ich will Wien etwas zurückgeben"

Die ihm offensichtlich erfüllt wurde. Der neue Chef in Kagran ist sicher, "dass wir einiges bewegen können." Jedoch bittet er um Geduld: "Es wird Zeit brauchen, aber ich möchte schon für die nächste Saison ein paar neue Sachen bringen, damit alle sehen: Die Leute, die hier sitzen, denken anders und wollen dieses Team auf ein anderes Level bringen."

Dass ihm und seinem Team dies gelingt, davon sei er überzeugt. "Ich habe bis jetzt wahnsinnig viel Glück im Leben gehabt. Ich werde alles dafür tun, mit meinen Kollegen hier etwas aufzustellen. Ich will Wien, weil ich es hier so liebe, etwas zurückgeben", betont Reiss.

Er hofft, dass in fünf Jahren gesagt wird: "Wow, die haben was auf die Beine gestellt." Das Kapital und der Umsatz sollen "um einiges erhöht werden", der neue Präsident glaubt zudem, dass man dazu fähig sei, "im österreichischen Eishockey neue Impulse zu setzen."

"Ich habe noch nie ein Land gesehen, das so ein tolles Produkt hat und man macht nichts. Die Vermarktung ist inexistent."

Martin Reiss

Der Unternehmer wolle "einfach etwas Neues machen", sei bemüht, neue Wege zu gehen. Denn: "Was Hans gemacht hat, ist einmalig. Es wird schwierig, das zu toppen", singt der Schweizer eine Lobeshymne auf seinen Vorgänger, der Spitzeneishockey in Wien erst ermöglicht hat. "Deshalb komme ich mit ganz anderen Ideen."

Ein schockierender Status quo

Und klaren Meinungen.

"Ich bin schockiert über die Liga-Vermarktung", sagt der 68-Jährige. "Ich habe noch nie ein Land gesehen, das so ein tolles Produkt hat und man macht nichts. Die Vermarktung ist inexistent", wird Reiss deutlich.

Er führt aus: "Wenn ich mir die Zahlen ansehe, dann muss ich annehmen, dass das jemand nicht kann. Es kann nicht sein, dass Klubs aus der Liga-Vermarktung weniger lukrieren als Schweizer Drittligisten."

Reiss meint, dass "mehr Geld generiert" werden könnte. Daher will er mit den Verantwortlichen auch bald einen Termin machen und "vielleicht gemeinsam Konzepte entwickeln."

Mit anderen Möglichkeiten punktuell etwas ändern

Dass er mit seinen Ausführungen jemandem auf die Schuhe treten könnte, denkt der Präsident nicht. "Ich bin jemand, der Themen direkt anspricht. Das werde ich auch in Zukunft machen", stellt der gebürtige Mann aus Prag klar, der sich als "sehr feinfühligen" Mensch beschreibt.

Daher könne er sehr schnell Personen beurteilen, was mit ein Grund für die Erfolge im Laufe seiner langen Karriere ist. Trotzdem bleibt Reiss demütig: "Seitdem ich angefangen habe, habe ich eine Glückssträhne, die Leute normalerweise nicht in 60 Leben haben. Ich bin nicht so gut, wie die Ergebnisse sich darstellen."

Durch dieses Glück habe er ein "einmaliges Netzwerk aufgebaut. Viele meiner Kunden wurden zu Freunden." Daher arbeite er nicht mehr des Geldes wegen, "sondern aus Spaß und nur mit Leuten, mit denen ich Spaß habe. Es entwickeln sich freundschaftliche Beziehungen."

Von seinen Kontakten sollen von nun an im Speziellen die Vienna Capitals, aber auch ganz Eishockey-Österreich profitieren können. So verrät Reiss, an einem "in Österreich einmaligen" Konzept zu arbeiten. So soll ein Investor, der jährlich 12 bis 15 Millionen Euro für den Jugendsport weltweit bereitstellt, davon überzeugt werden, einen Teil davon in Österreich zu investieren.

"Ich möchte mit anderen Möglichkeiten punktuell etwas ändern", so der neue Präsident. 



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