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Fokus: Wie gut bilden Österreichs Klubs wirklich aus?

Nüchtern betrachtet verfügt Fußball-Österreich über einen großen Pool an Elite-Kickern. Aber passt in der Ausbildung wirklich alles? Es gibt Warnsignale.

Fokus: Wie gut bilden Österreichs Klubs wirklich aus?

Keine Frage, gerade wer die Nuller-Jahre bewusst miterlebt hat, weiß, was rot-weiß-roter Talente-Mangel wirklich heißt.

Also geht es im folgenden LAOLA1-Fokus auch nicht darum, ein komplettes System schlecht zu reden. Ganz im Gegenteil.

Die damals im Hinblick auf die Heim-EURO 2008 gestartete Aufholjagd in Sachen Fußballer-Ausbildung brachte Erfolge mit sich, die bis heute nachwirken.

Nüchtern betrachtet verfügt Österreich qualitativ wie quantitativ über einen Pool an Elite-Kickern, wie es in der ÖFB-Geschichte zuvor eher selten der Fall gewesen ist.

Die Besten der Besten sind bei Welt-Klubs wie Real Madrid oder dem FC Bayern München gefragt.

Also eh alles super?

Darauf kann man nicht mit einem eindeutigen Ja antworten.

Es gibt Warnsignale

Während das logische Ziel sein sollte, die Nachwuchs-Förderung immer besser und besser zu gestalten, gibt es Warnsignale, die man kaum übersehen kann.

Die heimische Bundesliga wird zwar international auch abseits von Branchen-Leader FC Red Bull Salzburg immer mehr als hochklassige Ausbildungs-Liga wahrgenommen. Dies betrifft jedoch nicht zwangsläufig ÖFB-Talente.

Inzwischen verzichten auch der SK Sturm Graz, der LASK, Austria Klagenfurt und Austria Lustenau auf die Einnahmen aus dem Österreicher-Topf – man kann nicht behaupten, dass es ihnen sportlich wie finanziell geschadet hat.

Gerade Sturm und LASK eifern dem Salzburger Erfolgsmodell besonders gekonnt nach. Dazu gehört der Import internationaler Rohdiamanten, weshalb der eigene Nachwuchs schon richtig gut sein müsste, um in der eigenen Kampfmannschaft integriert zu werden. Und gerade in diesem Bereich fehlt beiden doch einiges zum Salzburger Vorbild.

Ö-Topf: Eine (ehemalige?) Erfolgsgeschichte

Der Ö-Topf war lange eine Erfolgsgeschichte. Er belohnt Chancen für den österreichischen Nachwuchs. Gleichzeitig beförderte er eine Markt-Entwicklung, die nicht vollinhaltlich im Sinne des Erfinders war.

Die Beschwerde heimischer Sportdirektoren, dass er junge rot-weiß-rote Akteure vergleichsweise teuer gemacht hat, lässt sich nicht ignorieren.

Dijon Kameri: Der ÖFB-Teenager mit dem höchsten Marktwert
Foto: © GEPA

Wenn man dann auch noch bessere Alterskollegen aus dem Ausland billiger bekommt und diese gewinnbringend weiterverkaufen kann? Allein mit Fußball-Patriotismus kann man dieser Strategie kaum gegenübertreten.

Am einfachsten (und billigsten?) wäre, die heimischen Versprechen für die Zukunft sind schlichtweg besser. Aber sind sie das?

Ein Blick auf die Teenager-Marktwerte stimmt nachdenklich

Dies ist natürlich schwer bis gar nicht exakt messbar. Die Marktwerte der Kollegen von "transfermarkt" sind und bleiben jedoch ein guter Indikator für das Standing eines Spielers – und hier stimmt der Blick auf die Rangliste der teuersten Teenager der Welt nachdenklich.

DIE TEUERSTEN TEENAGER DER WELT:

Name Alter Verein Marktwert
Gavi 18 FC Barcelona 90 Mio.
Alejandro Balde 19 FC Barcelona 50 Mio.
Antonio Silva 19 Benfica 45 Mio.
Giorgio Scalvini 19 Atalanta 40 Mio.
Romeo Lavia 19 Southampton 32 Mio.

Niemand verlangt, dass Österreich ein Ausnahmetalent wie Gavi vom FC Barcelona produziert, der mit 18 schon 70 La-Liga-Spiele in den Beinen hat. Sein Marktwert: 90 Millionen Euro.

Insgesamt werden 44 Teenager mit einem virtuellen Preisschild von zehn Millionen Euro oder mehr bedacht.

Der teuerste Österreicher? Leider lässt selbiger ein wenig auf sich warten. Salzburg-Juwel Dijon Kameri belegt mit einem Marktwert von 4 Millionen Euro weltweit den geteilten 80. Platz. Rapid-Innenverteidiger Leopold Querfeld folgt mit 1,8 Millionen Euro auf dem geteilten 180. Platz.

Dies lässt sich qualitativ weder die Spitze noch die Breite betreffend als Erfolg verkaufen.

DIE "TEUERSTEN" ÖFB-TEENAGER:

Name Alter Verein Marktwert
Dijon Kameri 19 Salzburg 4,0 Mio
Leopold Querfeld 19 Rapid 1,8 Mio.
Samson Baidoo 19 Salzburg 1,0 Mio.
Justin Omoregie 19 Salzburg 0,8 Mio
Zeteny Jano 18 Liefering 0,5 Mio.
Leon Grgic 17 Sturm 0,4 Mio.
Lukas Ibertsberger 19 WAC/Salzburg 0,4 Mio.
Moritz Wels 18 Austria Wien 0,4 Mio.

Nicht gut genug

Ganz Fußball-Österreich hat es also nicht zustande gebracht, mehr Youngsters zu entwickeln, die besser bewertet werden? Ein trauriger Zwischenstand.

Schaltet man zwei Gänge höher auf 21 oder jünger, kommen mit Yusuf Demir (5 Millionen) und Matthias Braunöder (3 Millionen) zwei Hoffnungsträger dazu. Aber sonst? Bernhard Zimmermann (WAC, 1 Million) ist die einzige weitere siebenstellige Ergänzung.

Das ist nicht gut genug.

Bei den Teenagern folgen mit jeweils 400.000 Euro Salzburgs WAC-Leihgabe Lukas Ibertsberger beziehungsweise die beiden Sturm-Youngster Leon Grgic und Moritz Wels.

Moritz Wels: Sein Wechsel zur Austria sorgte für Diskussionen
Foto: © GEPA

Letzterer ist mit seinem Wechsel-Drama zu Austria Wien einer der „Ideengeber“ für den nun vorliegenden LAOLA1-Fokus.

Denn natürlich wirft es Fragen auf, wenn selbst das hochrangigste Talent eines Vereins bei seinem Stammklub kein Land in Sicht hat.

>>> Gerade bei Sturm scheint die Profi-Abteilung der eigenen Akademie qualitativ inzwischen weit enteilt.

Ein Blick auf die anderen an (ehemalige) Bundesligisten angeschlossene Akademien zeichnet jedoch nicht zwingend allerorts ein freundlicheres Bild.

>>> Bundesliga: Welche Teenager sind und waren Stammspieler?

>>> Was beim Nonplusultra Salzburg auffällig ist

>>> Trotz ablösefreier Verluste: Rapid verdient an eigenen Talenten

>>> Die Wiener Austria produziert Masse – aber auch Klasse?

>>> Die Talente-Lücke des LASK und wie die Aufholjagd gelingen soll

>>> Ein Achtungserfolg der Admira, Umdenken des WAC und blamable Ried-Ausbeute

>>> Verbands-Akademien: Zwischen hui (St. Pölten) und pfui (Burgenland)

Talente entwickeln sich unterschiedlich schnell, auch an den Akademien selbst ist die Situation mitunter fluide – die Bemessung des Outputs einer Akademie ist so gesehen natürlich nicht einfach.

Wir haben folgende Spielregel hergenommen: Basis sind die U18-Mannschaften der letzten zehn Jahre, also beginnend mit der Saison 2013/14. Die simple Frage lautete: Wer hat es in die Bundesliga geschafft?

Die U18 ist der letzte Step im Junioren-Bereich, ehe es in den Erwachsenen-Bereich gehen sollte – und wenigstens das heimische Oberhaus ist ein legitimes Ziel.

Dass hier die jüngeren Jahrgänge, die logischerweise noch nicht flächendeckend reif genug für die Bundesliga sind, die jeweilige Bilanz in den kommenden Jahren noch deutlich aufhübschen können, ist eine schöne Herausforderung für die jeweiligen Vereine.

Via Unterhaus in den Dunstkreis des ÖFB-Nationalteams

Eine weiterführende Frage lautet:

>>> Wer hat eigentlich die Besten der Besten, sprich die Mitglieder des A-Nationalteams, ausgebildet?

Von einem Akademie-Ruhmesblatt abseits von Salzburg lässt sich schwer sprechen – nach wie vor ist der frühe Weg über das Ausland kein schlechter ins Nationalteam.

Dass es zudem zahlreiche Kicker via Unterhaus in den Dunstkreis der Auswahl von Teamchef Ralf Rangnick geschafft haben, sollte den Akademie-Verantwortlichen zu denken geben, ob beim Übergang in den Erwachsenen-Fußball alles so läuft, wie es sein sollte.

Oder auch, ob die "richtigen" Talente in jungen Jahren ausgesiebt werden und den Akademie-Lehrlingen die richtigen Inhalte mitgegeben werden.

Torhüter, Außenverteidiger, Stürmer…

Denn natürlich ließe sich diese Debatte auch darauf ausdehnen, dass im vergangenen Jahrzehnt beispielsweise die Ausbildung von Torhütern nicht wie erhofft funktioniert haben kann. Oder jene von Außenverteidigern. Und wie viele Klasse-Stürmer hat das rot-weiß-rote Akademien-System eigentlich in jüngerer Vergangenheit hervorgebracht?

Freilich, es ist nur eine Stichprobe: Aber wenn man sich die Torschützenkönige der U18-Liga in den letzten zehn Jahren anschaut, lässt sich nur Christoph Baumgartner als absolute Erfolgsgeschichte abhaken.

Saison Torschützenkönig(e) Tore Akademie Aktueller Verein
2013/14 Lukas Heinicker 23 Salzburg SV St. Margarethen
2014/15 Arnel Jakupovic 21 Austria NK Maribor
2015/16 Nicolas Meister 12 Salzburg FC Marchfeld
Christoph Baumgartner 12 St. Pölten RB Leipzig
2016/17 Christoph Baumgartner 25 St. Pölten RB Leipzig
2017/18 Stefan Feiertag 16 St. Pölten FC Blau-Weiß Linz
Lukas Schlosser 16 Ried Union Gurten
2018/19 Marco Fuchshofer 20 Sturm Deutschlandsberg
2019/20 Bernhard Zimmermann 11 St. Pölten Wolfsberger AC
2020/21 Noah Bischof 15 Vorarlberg SCR Altach
Angelo Gattermayer 15 Admira Waldhof Mannheim
Justin Forst 15 Tirol WSG Tirol
2021/22 Peter Kiedl 17 Sturm Sturm II
2022/23 Luka Izderic 11 Austria Young Violets

Stefan Feiertag bekommt mit 21 endlich seine verdiente Bundesliga-Chance, Bernhard Zimmermann geht den Umweg über den WAC, Noah Bischof hat in Altach ebenso wie Justin Forst bei der WSG Tirol zumindest aufgezeigt, Angelo Gattermayer wählt den Umweg über die deutsche 3. Liga - von Nationalteam-Niveau können wir hier jedoch noch nicht sprechen.

Kein eindeutiges Ja

Ob Marko Arnautovic, Sasa Kalajdzic, Karim Onisiwo und mit Abstrichen auch Michael Gregoritsch und Manprit Sarkaria – Österreichs Angreifer nehmen gerne einmal einen alternativen Weg. Hier bestätigt Junior Adamu als Ausnahme die Regel.

Gerade Arnautovic ist ein gutes Stichwort. Jetzt befindet sich jene Generation am Sprung in den Profi-Fußball, die in einigen Jahren den Rekordnationalspieler oder Superstar David Alaba ablösen soll.

Ist Fußball-Österreich bestens darauf vorbereitet?

Diese Frage lässt sich nicht mit einem eindeutigen Ja beantworten.

Der Talente-Fokus:

>>> Bundesliga: Welche Teenager sind und waren Stammspieler?

>>> ÖFB-Team: Wo wurden die Besten der Besten ausgebildet?

>>> RB Salzburg: Wie viele Red-Bull-Akademiker schaffen es wirklich?

>>> SK Sturm: Warum der Fall Moritz Wels kein Zufall ist

>>> LASK: Wie der Turnaround in der Talenteförderung geschafft werden soll

>>> SK Rapid: In Hütteldorf wird mit Talenten Geld verdient

>>> Austria Wien: Viel Masse, aber auch Klasse?

>>> WAC, Admira und Ried: Wie gut sind die "Kleinen"?

>>> Verbands-Akademien: Zwischen hui (St. Pölten) und pfui (Burgenland)


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