Nach drei Jahren ist es wieder soweit: Samstag beginnt mit dem Spiel gegen Schweden endlich wieder eine Eishockey-WM für den ÖEHV (ab 11:20 Uhr im LIVE-Ticker>>>).
Ein Blick zurück und was vom Nationalteam zu erwarten ist - von LAOLA1-Scout Bernd Freimüller:
Versetzung in eine höhere Klasse
Nach dem Abstieg von Bratislava fielen die B-WMs zweimal ins Wasser. Ob Österreich die Rückkehr in die A-Klassigkeit geschafft hätte, dort dann gar verblieben oder zweimal gescheitert wäre – alles nur Kaffeesudleserei.

Corona killte also zwei B-WMs (die letzte A-WM fand statt, allerdings ohne Absteiger), der Ukraine-Krieg änderte dann die Klasseneinteilung im März: Frankreich (als besseres Team der Weltrangliste) ersetzte Russland, Österreich sprang für Belarus ein, das letztes Jahr seine Gruppe noch hinter Großbritannien beendet hatte.
Heuer gibt es wieder zwei Absteiger, Slowenien und Ungarn rücken aus der B-Gruppe nach. Was mit Russland und Belarus bei ihrer Rückkehr passieren wird, weiß derzeit noch niemand...
Sechs Wochen Vorbereitung
Das Teamcamp war ursprünglich natürlich auf die B-WM in Ljubljana Anfang Mai ausgerichtet, jetzt wurden noch zwei Wochen angestückelt.
In den sechs Wochen Vorbereitung berief Teamchef Roger Bader 47 Spieler ein, sieben von ihnen (Madlener, Kirchschläger, Unterweger, Wimmer, Feldner, Ganahl, Haudum) waren vom ersten bis zum letzten Tag dabei.
Zum Vergleich dazu Gruppengegner Großbritannien: Coach Pete Russell sah seinen 27-Mann-Kader erstmals am 3. Mai. Die zehn Tage bis zum WM-Start mussten auch noch für vier Testspiele herhalten, Österreich bestritt zehn.
Österreichs Eishockey in Corona-Zeiten
Nicht viel, zuletzt bestritt Österreich zwei Freundschaftsturniere in Ljubljana (Mai 21) und Jesenice (November 21). Der Österreich-Cup fiel zuletzt zweimal ins Wasser.
Der einzige Ernstkampf des A-Teams seit der WM in Bratislava 2019: Die Olympia-Qualifikation an selber Stelle im September 2021, die mit zwei Niederlagen (1:2 gegen die Slowakei und 2:5 gegen Belarus) und einem Sieg (4:1 gegen Polen) eigentlich programmgemäß endete.

Das U20-Team bestritt in den letzten beiden Jahren zwei A-WMs ohne Abstiegsdruck, die im letzten Dezember musste abgebrochen werden. Diese wird im August nochmals ausgetragen, wieder ohne Absteiger. Erst im Dezember muss das Team beim vierten Versuch die Relegation fürchten, die Freispiele enden. Alle bisherigen sechs Spiele endeten mit Niederlagen.
Aus den U20-Teams der letzten beiden Jahre schafften es Philipp Wimmer und Marco Kasper in den diesjährigen WM-Kader, andere Kandidaten wie Marco Rossi oder Lucas Thaler fielen verletzungsbedingt aus.
Das U18-Team blamierte sich zuletzt bei der ersten WM nach drei Jahren in Asiago nach Strich und Faden, konnte gerade noch den Abstieg in die Viertklassigkeit verhindern.
Nicht nur wegen der teilweisen Inaktivität: Wer in den drei Corona-Jahren eine Entwicklung des österreichischen Eishockeys – egal in welche Richtung – gesehen hat, hat bessere Augen als ich. Der Klassenerhalt in Tampere wäre ein dringend notwendiges Lebenszeichen.
Kader einst und jetzt
Wie lange die WM in Bratislava schon zurückliegt, zeigt ein Kadervergleich: Damals waren etwa noch Markus Schlacher, Patrick Peter und Alexander Cijan mit von der Partie, alle drei wechselten mittlerweile ins Privatleben.
Sowohl in Bratislava als auch im Tampere mit dabei: Die Goalies Starkbaum und Kickert, von den Defendern nur Heinrich und Unterweger, dazu die Stürmer Baumgartner, Ganahl, Haudum, Schneider und Thomas Raffl.
16 neue Gesichter also. Gegenüber der Olympia-Qualifikation im September unterscheidet sich das Team auf zwölf Positionen (Nachlesen: Bernd Freimüller stellt die sieben WM-Rookies im ÖEHV-Kader vor>>>).
Stärken und Schwächen
Ein Ex-EBEL-Coach konstatierte mit einem Lachen: "Österreich muss die einzige Nation sein, wo beide Goalies vom selben Klubteam kommen."
Das Capitals-Duo Bernhard Starkbaum (mittlerweile 36) und David Kickert hat schon seit Jahren keinerlei Konkurrenz. Dass David Madlener dem wesentlich jüngeren und agileren Ali Schmidt vorgezogen wurde, wird auf die WM natürlich keinen Einfluss haben, kann aber durchaus kontrovers diskutiert werden.
Egal, ob WM oder Olympia-Qualifikation: Gerade in den Schlüsselspielen waren die Goalies nie in Bestform, kassierten darob von Bader auch herbe Kritik. Starkbaum spielte heuer seine beste Saison seit seiner Rückkehr aus Schweden, erspielte sich bei den Vienna Capitals auch einen weiteren Vertrag. Er geht als Nummer eins ins Turnier, obwohl ihm die beiden letzten Testspiele nicht nach Wunsch gelangen.
Runderneuert die Defensive, teils durch Verletzungen (Nickl, Strong), private Gründe (P. Lindner) oder Absagen, die wohl schon Teamrücktritte bedeuten (Schumnig, Pallestrang).
Dominique Heinrich, Clemens Unterweger, Kilian Zündel und Bernd Wolf wären so oder so gesetzt, wohl auch Dominic Hackl. Dahinter kommen Behelfslösungen: Erik Kirchschläger ist seit 2017 erstmals wieder bei einer WM dabei, Nico Brunner seit der Olympia-Quali 2016. Dazu noch die Debütanten David Maier und Philipp Wimmer.
Ob diese neunköpfige Crew in einer der beiden Endzonen Akzente setzen kann? Mit der Ausnahme von Hackl und Wimmer sind sie im internationalen Vergleich natürlich wieder einmal undersized. Auf eine herausragende Saison auf Klubbasis kann keiner von ihnen zurückblicken, von Leader-Qualitäten ganz zu schweigen.
Im Angriff lauten die prominenten Absenzen Michi Raffl (NHL-Playoffs), Marco Rossi, Dominic Zwerger (beide verletzt) und Konstantin Komarek. Er wäre aber wohl auch ohne seine SHL-Finaleinsätze mit Lulea nicht dabeigewesen. Thomas Hundertpfund und Raphael Herburger sagten ab (siehe Schumnig und Pallestrang). Mit WM-Chancen, aber verletzt: Mario Huber und Florian Baltram.

Also keine Bestbesetzung, nur die gibt es ohnehin nie. Allerdings: Ob Manuel Ganahl oder Lukas Haudum, Brian Lebler oder Thomas Raffl, Peter Schneider oder WM-Debütant Benjamin Nissner – alles sehr gute bis überdurchschnittliche ICE-Erscheinungen, dazu kommt noch Schweiz-Legionär Benjamin Baumgartner, der allerdings aus einer Horror-Saison kommt. Niemand wird ihr WM-Aufgebot in Frage stellen, nur was bedeutet das auf das internationale Hockey umgerechnet?
Für Zwerger, der nach einem Check von Moritz Seider im letzten Testspiel gegen Deutschland nicht rechtzeitig fit wurde, wurde Simeon Schwinger von den Vienna Capitals nachnominiert.
Die letzten zehn Spiele der WM- und Olympia-Quali zusammengerechnet, scorten nur Lebler (5, davon dreimal gegen Polen) und Ganahl (2) mehr als einmal. Schneider traf einmal, Raffl oder Baumgartner gar nicht. 17 Tore in den zehn Vorbereitungsspielen – wo auch Gegner wie Polen oder Italien dabei waren – deuten auch nicht gerade auf überborderndes Offensiv-Potential hin.
Spielt Österreich eine WM oder drei?
In der Eishockey-Steinzeit wurden die A-, B- und C-Weltmeisterschaften nacheinander in einer Stadt gespielt. Gilt das heute nicht auch für Österreich noch?
Schweden, die USA, Finnland und Tschechien – vier übermächtige Gegner. Ja, die Auftritte und Ergebnisse gegen Schweden (0:1) und Tschechien (1:5, 1:4, 1:4) waren respektierlich und ehrenhaft, werden aber mit der WM eher wenig zu tun haben.
Bei den Czech Hockey Games spielte Österreich bis auf Marco Kasper schon komplett, die Schweden und Tschechen verstärkten sich seitdem gehörig, verzichteten auch bei den damaligen Kadern auf ihre Spitzenkräfte. Alles andere als klare Niederlagen bei der WM wären Sensationen.
Die B-Gruppe (innerhalb der WM) für Österreich stellen Norwegen und Lettland dar, Nationen gegen die wir uns immer wieder Erfolgschancen ausrechnen um dann enttäuscht zu werden.
Die Pflichtspiel-Bilanzen in diesem Jahrtausend: Gegen Norwegen ein Sieg in vier Spielen, gegen Lettland einer in zehn. Allerdings sind beide in den letzten Jahren keineswegs stärker geworden. Die besten norwegischen Generationen seit mehr als einem Jahrzehnt sind die 2004er und 2005er, also noch Jahre entfernt.
Die C-Gruppe bedeutet für Österreich bei der WM das Spiel gegen Großbritannien. Nach dem Klassenerhalt in Kosice gegen Frankreich ließen sie letztes Jahr auch Belarus in der Gruppe hinter sich, sind also keine Laufkundschaft. Nur: Leichtere Gegner als Italien und die Briten sind in der WM halt leider keine vorhanden, außer die IIHF stockt weiter auf.
Die Vorbereitungsergebnisse der Briten in den vier Spielen gegen Dänemark und Italien: Vier Niederlagen, Torverhältnis 1:16.
Ein neues (altes) Gesicht
Im November als einmaliger Freundschaftsdienst für Roger Bader angekündigt, jetzt auch bei der WM hinter der Bande: Arno Del Curto. Wo Deutschland das Engagement von Tom Rowe als Assistent pressemäßig aufbereitet, läuft das des 65-jährigen Schweizers so nebenher mit.
In seiner Standarduniform Pullover und Jeans hinter der Bande herumtigernd, stets verbales Feedback an die Spieler gebend, dazwischen über die Lesebrille Richtung Eis oder Anzeigetafel lugend. Bilder, die wir aus über 25 Jahren in der Schweizer NL kennen und die sicher auch bei der WM über die Bildschirme gehen werden.
Mit Phil Lukas, Markus Peintner und Reinhard Divis sind Baders langjährige Assistenten mit von der Partie, Del Curto hat allerdings mehr Headcoaching-Erfahrung als der ganze Staff zusammen. Kann er mit seiner Routine helfen, in Negativphasen (wie etwa beim 0:5-Drittel gegen Belarus im letzten September) gegenzusteuern?