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Dustin Gazley: Der feurige Filigrantechniker

Trotz vergleichweise geringer Körpergröße bringt der Bozen-Winger ordentlich Feuer gepaart mit unglaublicher Technik mit. Ein Porträt von Bernd Freimüller:

Dustin Gazley: Der feurige Filigrantechniker Foto: © GEPA

Mit zwei Toren in der Schlussphase und in der Overtime drehte Dustin Gazley das siebte Viertelfinal-Spiel gegen die Black Wings Linz noch für den HC Bozen (Spielbericht >>>).

LAOLA1-Experte Bernd Freimüller mit dem Porträt eines Matchwinners, dessen vierte Saison in der win2day ICE Hockey League wohl seine bisher beste ist:

Knapp 40 Sekunden in der Overtime gespielt - Linz will einen Wechsel, Stefan Gaffal entscheidet sich dagegen, die Scheibe tief zu spielen, führt sie zur Seitenbande, wo er verkantet und in die Bande stürzt. Dustin Gazley schnappt sich den Puck, schaltet kurz von null auf hundert, Richtung Tor befinden sich nur mehr Brian Lebler und in größerer Entfernung Graham Knott (Logan Roe, als linker Defender eigentlich der letzte, der von Bord gehen sollte, verfolgte Gaffal, ehe er zum Wechsel fuhr).

Da gab auch die TV-Leitung den Geist auf - der Siegestreffer, der Short Side via Handschuh von Rasmus Tirronen im Linzer Kasten einschlug, konnte nur mehr akustisch verfolgt werden.

Wer ist dieser Dustin Gazley, der sein Team am Dienstag ins Halbfinale schoss? Nach vier Jahren in der Liga sollte diese Frage schon hinlänglich beantwortet sein, doch "Puls24" meidet ja im Grunddurchgang die ausländischen Teams wie der Teufel das Weihwasser und die einheimischen Fans und Medien konzentrieren sich natürlich auf ihre eigenen Teams.

Seine Übersee-Karriere

Eigentlich übersichtlich-stringent und für einen Spieler seiner Statur (1,73 cm/74 kg) auch nur logisch: Nach vier Jahren im US-College begann er seine Profikarriere, spielte sich via der ECHL (weit mehr als ein Punkt pro Spiel und Liga-Topscorer) in die AHL.

Ein Jahr in Binghamton und dann vier Jahre bei den Hershey Bears - Letzteres deutete schon darauf hin, dass Gazley als ein überdurchschnittlicher AHL-Crack angesehen wurde. Die Organisation aus der Schokoladenstadt kann sich nämlich jährlich Top-Spieler leisten, ist wie die Chicago Wolves mehr auf den Erfolg denn auf das Ausbilden von Talenten ausgerichtet.

Zu einem Draft oder wenigstens einem NHL-Vertrag als Free Agent reichte es für den doch sehr kleinen Winger nie.

Mir war der Name Gazley natürlich bekannt, live sah ich ihn für Hershey jeweils im Februar 2013 und 2014. Meine Reports waren immer positiv, vor allem bezüglich seines Potentials für Europa: "Klasse-Eisläufer, kann mit Rushes Verteidiger bezwingen oder mit schnellen Drehungen abschütteln. Bei fast jedem Shift auffällig. Trotz mangelnder Größe mit gutem Compete-Factor, auch gegen stärkere Gegner. Verträgt viel Eiszeit, im PP gesetzt, oft sogar am linken Point. Schnelle Hände, mehr ein Passgeber, obwohl sein Schuss schnell kommt. Für Europa ein guter 2nd/3rd-Liner in besseren Ligen, mehr in schwächeren Ligen."

Seine Karriere in Europa

Red Bull Salzburg sicherte sich 2018/19 seine Dienste - für sie galt natürlich das Gleiche wie für Hershey: Gute Spieler können sehr gut bezahlt werden. Er spielte für die "Roten Bullen" eine gute, aber keineswegs herausragende Saison. Nach der Halbfinal-Niederlage gegen die Vienna Capitals war für ihn Schluss in Salzburg. Seine nächste Station Mora in der schwedischen Allsvenskan sollte seine einzige mit einer einstelligen Trefferanzahl (allerdings bei nur 31 Spielen) bleiben.

Aus dem relativ trostlosen Mora kehrte Gazley im Sommer 20/21 in die EBEL zurück, nämlich ins sonnige Bozen. Der angenehme Nebeneffekt für den HCB: Der Flügel war im Besitz eines italienischen Passes, den hatte er aber schon zu Salzburger Zeiten, ohne dass dieser dort natürlich eine Rolle spielte. Gazley gehört aber keineswegs zur Gattung der Italo-Kanadier, er stammt aus der US-Kleinstadt Novi in Michigan. East Lansing, wo er für Michigan State im College spielte, liegt nur eine knappe Autostunde entfernt.

Gazley bestreitet mittlerweile seine dritte Saison in Bozen, machte gute (Finaleinzug 20/21) und schlechte (keine Playoffs in der Vorsaison) Zeiten mit. Das Kuriosum dabei: Aufgrund der Liga-Regeländerungen galt der Winger vor drei Jahren und heuer als Italiener, belegte in der Saison dazwischen eine Ausländerlizenz!

Seine Stärken und Schwächen

Gazley ist einer der Spieler, die über die Jahre in ihrem Stil ziemlich gleichblieben, keine neuen Facetten entwickelten, aber auch keine Stärken verloren.

Der mittlerweile 34-jährige hat nichts von seiner Beinarbeit eingebüßt, er gehört seit Jahren zu den Top-Skatern der Liga. Er kann nicht nur die Jets anwerfen, wenn es um die Breakouts und das Überbrücken des Mitteldrittels geht.

Noch viel eindrücklicher: seine Agilität und Quickness. Er verschafft sich mit schnellen Drehungen Platz, deckt die Scheibe gut ab und kann sich und seine Mitspieler aus verstopften Verkehrslagen herauswinden. Diese Drehungen, Wendungen, abrupte Richtungsänderungen sind nicht nur effektiv, sondern auch wunderschön anzusehen - zeitweise wirkt er, als ob er auf Schienen skatet. In einer Liga, die oft schwerfällig und langsam daherkommt, ist seine Beinarbeit ein Augenschmaus.

Doch Gazley ist keineswegs ein ineffektiver Schön-Skater: Aus seinen Rushes entstehen viele Chancen, im Verkehr kann er auch schnelle Plays machen. Seine Hände sind - wie eben früher auch in der AHL - über dem Durchschnitt, er verarbeitet den Puck in Windeseile.

Bezeichnend dafür auch sein Stangenschuss im zweiten Drittel am Dienstag: Er musste erst die Scheibe hinter der Torlinie nach vorne bringen, ehe er abschloss - bei solchen Szenen geht es um Sekundenbruchteile. Die besseren Cracks (Ty Loney war hier Ligaspitze, Allan McShane gehört auch zu dieser Elite) kommen hier zum Abschluss, die nicht ganz so guten scheitern an Pokechecks der Gegner.

Das Skating: Eine seiner größten Stärken
Foto: © GEPA

Ich habe Gazley immer für einen besseren Passgeber als Abschlussspieler gehalten, obwohl sein Wrister schnell und genau kommen kann. Vor allem im Powerplay, wo der rechte Flügel normalerweise die linke Halfwall bespielt, kann er die Scheibe halten, verteilen oder mittels One-Timer verwandeln. Sein erster Treffer gestern, als er nach Frattin-Vorarbeit aus Nahdistanz scorte, wäre für mich nicht unbedingt typisch, aber ist vielleicht auch seiner heurigen Topform geschuldet, wo er solche wichtigen Räume öfters als sonst betritt.

Wenn es für Gazley nicht so gut läuft, tendiert er dazu, Situationen zu überspielen und nach Perfect Plays statt dem eigenen Abschluss zu suchen, dreht sich im Powerplay vielleicht nochmals zur Seitenbande bzw. sucht den Weg hinter die Grundlinie.  

Ich hatte bei ihm auch immer Verletzungsausfälle im Hinterkopf - das stimmt auch bis zu einem gewissen Grad. Sowohl in Salzburg, Mora als auch in der Vorsaison in Bozen versäumte er eine zweistellige Anzahl von Spielen, suchte natürlich auch nach seiner Rückkehr noch eine Weile nach seiner Form. Ich würde ihn nicht als per se verletzungsanfällig einstufen, aber doch damit rechnen, dass er nicht jedes Saisonspiel bestreiten kann.

Seine geringe Körpergröße ist in der ICE natürlich ein geringes Problem als in körperlich stärkeren Ligen, vor allem auch aufgrund seiner Wendigkeit. Er weiß sich im Nahkampf gut zu wehren, zeigt auch Feuer, aber behält dabei mehr die Ruhe als manche seiner Mannschaftskameraden. Nach drei Jahren als Stütze in Bozen gehört er zum inneren Kreis des Teams.

Es schaut im Alter von 34 Jahren ganz danach aus, als ob Gazley seine Karriere in Bozen beenden wird, so nicht der HC Pustertal oder Asiago mit einem unmoralischen Angebot dazwischenfunken. Ich schaue ihm immer gerne zu, ragt er doch mit seiner spritzigen Beinarbeit aus dem oftmaligen Liga-Einheitsbrei hervor.

Es wird interessant zu sehen, ob er seine Form gegen die Vienna Capitals halten kann bzw. ob einige seiner Mitspieler, die gegen Linz Probleme hatten, Chancen zu kreieren (die beiden Schützenfeste ausgenommen), ihm mehr Unterstützung zukommen lassen.


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