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Lilli Tagger – Was man sich nun (nicht?) erwarten darf

Die 17-jährige Lienzerin gilt spätestens seit ihrem French-Open-Sieg als Österreichs aktuell größte Tennis-Hoffnung.

Lilli Tagger – Was man sich nun (nicht?) erwarten darf

Dieses Turnier hat Lust auf mehr gemacht!

Tennis-Österreich schwärmt auch nach einigen Tagen noch von Lilli Taggers Triumph bei den French Open in Roland Garros.

Kein Wunder: Schließlich war es überhaupt der erste Tennis-Grand-Slam-Titel einer Österreicherin.

Tamira Paszek schaffte es 2005 in Wimbledon und 2006 bei den US Open jeweils bis ins Endspiel des Junioren-Bewerbs. Dasselbe Kunststück gelang Babsi Schett 1994 in Melbourne. Die Tirolerin stand in Down Under sieben Jahre später auch im Mixed-Endspiel an der Seite ihres späteren Ehemanns Joshua Eagle.

Ein Titelgewinn blieb aber allen österreichischen Frauen und Mädchen bis zum 7. Juni 2025 verwehrt. Bis Lilli Tagger im Stade Roland Garros die Siegertrophäe (ein formschöner Teller) in die Höhe stemmen durfte.

Ohne Satzverlust zum French-Open-Triumph

Auch die Art und Weise des Erfolgszugs beeindruckt: Ohne Satzverlust stürmte die 17-jährige Lienzerin zum Titel. Dabei traf die ungesetzte Osttirolerin schon in Runde eins mit der Belgierin Jeline Vandromme auf die Nummer drei der Setzliste.

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Lilli Tagger und ihr neuestes Prunkstück in der Trophäensammlung
Foto: ©getty

Im Halbfinale revanchierte sich Tagger an der Junioren-Weltranglisten-Ersten Emerson Jones für die bei den Australian Open erlittene Viertelfinal-Niederlage. Im Endspiel folgte schließlich die Machtdemonstration gegen UK-Girl Hanna Klugman, die gegen eine groß aufspielende Tagger nur zwei Games holen konnte.

Im Junioren-Ranking rauschte das ÖTV-Ass nun selbst auf Position vier nach oben, womit sie ihr bisheriges Career High von 17 deutlich verbessern konnte.

Platz eins geht sich wohl nicht mehr aus

An die Spitze der Junioren-Weltrangliste - wie ÖTV-Kollege Joel Schwärzler - wird es Tagger vermutlich nicht mehr schaffen. Nicht weil sie es nicht könnte, sondern weil sie sich selbst einen anderen Karriereplan gesteckt hat.

Tagger wird nur mehr zwei Junioren-Veranstaltungen spielen. In zwei Wochen das Vorbereitungs-Turnier in Roehampton, danach steht noch das Grand-Slam-Turnier in Wimbledon auf dem Programm.

Um es auf Platz eins zu schaffen, müsste Tagger wahrscheinlich zumindest noch etwa 1.000 Punkte sammeln – 1.000 Punkte wäre bei den Junioren auch der Wimbledon-Titel wert.

Weitere Entwicklung steht im Vordergrund

Im Vorjahr verlor sie dort auf dem noch eher unbekannten Rasen gleich in Runde eins. "Meine Trainer sagen, ich kann auf allen Belägen gut spielen. Auf Sand, weiß ich auf alle Fälle, wie ich meinen Gegnerinnen wehtun kann. Das muss ich auf den anderen Belägen erst lernen", sagte Tagger kürzlich in einem Interview in der "Kleinen Zeitung".

Dementsprechend wäre es vermessen, gleich den nächsten Major-Titel von der talentierten, aber auch bodenständigen Lienzerin "zu verlangen".

Zudem erklärte Mutter Sabine Tagger schon vor einigen Wochen, dass der Fokus von Coach Francesca Schiavone nicht auf Ergebnissen, sondern auf der Weiterentwicklung ihres Spiels liegt.

"Spezielle Zielvorgaben gibt es nicht. Sie darf sich jetzt einfach mal die nächsten zwei Jahre weiterentwickeln", so Tagger im Gespräch mit LAOLA1.

Jetzt schon auf Top-150-Niveau?

"Für Francesca macht es keinen Unterschied, ob sie in der Jugend Top 10 oder Top 20 steht. Es gibt dann zwar Wild Cards für manche Turniere, aber das Niveau muss sie ja sowieso spielen können."

Dass sie bereits ein hohes Niveau spielen kann, hat sie in den vergangenen Monaten mit Siegen über Top-200-Spielerinnen bereits bewiesen. Schon vor zwei Monaten attestierte Schiavone ihrem Schützling "Top-150-Niveau". Grundsätzlich fehle es der Weltranglisten-521.  bislang vor allem noch ein bisschen an der Konstanz. Aber auch hier zeigt die Kurve nach oben.

So vielversprechend das alles bereits klingt, besonders zuversichtlich stimmt allerdings nicht nur das Tennis, sondern vor allem der entspannte Umgang mit ihren Erfolgen. Denn Tagger weiß, dass die Bäume nicht einfach so in den Himmel wachsen, sondern harte Arbeit dahintersteckt und zwingend notwendig für die weitere Entwicklung ist.

Ähnlich ruhig und bodenständig wie Jannik Sinner

"Ihre Normalität ist sicher ihre Stärke. Sie ist extrem geerdet und bescheiden in ihrer Art", beschreibt Mama Sabine ihr jüngstes von insgesamt drei Kindern.

Da Tagger mit Alex Vittur denselben Manager hat wie Männer-Superstar Jannik Sinner, liegt es da beinahe auf der Hand, dass - wie schon in der vergangenen Woche bereits geschehen - zu dem ebenfalls als sehr ruhig und mental stark bekannten Südtiroler Parallelen gezogen werden.

"Natürlich, ich kann mir von ihm sehr viel abschauen, und ich kann ihn auch fragen, was ich besser machen kann", meinte Tagger vergangene Woche. Vom mentalen Zugang her glaubt die Osttirolerin, dass "ich ähnlich wie er bin".

Dementsprechend bleibt die 17-Jährige auch nach ihrem Grand-Slam-Triumph bodenständig. "Ich möchte mich im Ranking einfach so weit wie möglich nach oben spielen", beschreibt Tagger in der "Kleinen Zeitung" ihre grobe Zielsetzung für die kommenden Monate.

Wechsel von Junioren- auf Erwachsenen-Tour oft schwierig

Nach Wimbledon stehen vorerst noch kleinere Future-Turniere auf dem Programm. Schön langsam soll der Wechsel auf Challenger-Ebene erfolgen. Erfreulich: Durch den Erfolg in Roland Garros hat Tagger nun zwei Wild Cards für Challenger-Turniere erhalten.

Stellt sich nun die Frage, was es überhaupt heißt, um als erfolgreicher Junior nun auch den Umstieg auf die Erwachsenen-Tour schaffen zu können.

Wie wir erst in den vergangenen Monaten bei den Männern bei Joel Schwärzler sehen mussten, ist es noch lange kein Selbstläufer, von der Junioren-Weltspitze sogleich auch bei den Erwachsenen durchzustarten.

Diese These wird von einem kurzen Blick auf die Siegerliste der Junioren-Grand-Slam-Turnieren unterstrichen:

JahrAustralian OpenFrench OpenWimbledonUS Open
2006Anastassija PawljutschenkowaAgnieszka RadwańskaCaroline WozniackiAnastassija Pawljutschenkowa
2007Anastassija PawljutschenkowaAlizé CornetUrszula RadwańskaKristína Kučová
2008Arantxa RusSimona HalepLaura RobsonCoco Vandeweghe
2009Xenija PerwakKristina MladenovicNoppawan LertcheewakarnHeather Watson
2010Karolína PlíškováElina SwitolinaKristýna PlíškováDarja Gawrilowa
2011An-Sophie MestachOns JabeurAshleigh BartyGrace Min
2012Taylor TownsendAnnika BeckEugenie BouchardSamantha Crawford
2013Ana KonjuhBelinda BencicBelinda BencicAna Konjuh
2014Jelisaweta KulitschkowaDarja KassatkinaJeļena OstapenkoMarie Bouzková
2015Tereza MihalíkováPaula Badosa GibertSofja SchukDalma Gálfi
2016Wera LapkoRebeka MasarovaAnastassija PotapowaKayla Day
2017Marta KostjukWhitney OsuigweClaire LiuAmanda Anisimova
2018Liang En-shuoCori GauffIga ŚwiątekWang Xiyu
2019Clara TausonLeylah Annie FernandezDarija SnihurMaría Camila Osorio Serrano
2020Victoria Jiménez KasintsevaElsa JacquemotAusgefallenAusgefallen
2021AusgefallenLinda NoskováAne Mintegi del OlmoRobin Montgomery
2022Petra MarčinkoLucie HavlíčkováLiv HovdeAlexandra Eala
2023Alina KornejewaAlina KornejewaClervie NgounoueKatherine Hui
2024Renáta JamrichováTereza ValentováRenáta JamrichováMika Stojsavljevic
2025Wakana SonobeLilli Tagger

Keine Frage: Mit Coco Gauff, Iga Swiatek, Clara Tauson, Leyla Fernandez oder Amanda Anisimova finden sich auch in der nahen Vergangenheit einige durchaus bekannte Namen.

Auch die Paris-Sieger von 2006 bis 2015 können sich mit Agnieszka Radwanska, Alize Cornet, Simona Halep, Kristina Mladenovic, Elina Svitolina, Ons Jabeur, Annika Beck, Belinda Bencic, Daria Kasatkina und Paula Badosa mehr als sehen lassen.

Es befinden sich aber auch eine Reihe von unbekannten Spielerinnen in der Auflistung, denen der große Sprung in die Spitze versagt blieb. Sei es aufgrund von Verletzungen oder anderen Umständen.

Wir freuen uns auf jeden Fall darauf, den weiteren Weg von Lilli Tagger mitbegleiten zu dürfen und drücken ihr die Daumen, dass dies erst der Anfang einer langen Reise war.

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