Einen mehr als vielversprechenden Auftritt legte in der Vorwoche die erst 15-jährige Anna Pircher beim "Alpstar Ladies Open Vienna 2025" hin.
Die junge Tirolerin stürmte bei ihrem erst zweiten internationalen Erwachsenen-Turnier ihrer Karriere gleich ins Halbfinale.
Pircher schlug dabei die Nummer 264, 681 und 276 des aktuellen WTA-Rankings.
Pircher dankbar für Wild-Card-Chance in Wien
"Ich schätze es sehr, dass ich in Wien spielen durfte und schon auf so einem hohen Level spielen kann", gab sich das Top-Talent im Gespräch mit LAOLA1 demütig dankbar für die von Veranstalter Raimund Stefanits erhaltene Wild Card für den Hauptbewerb.
"Es ist auch etwas Besonderes, in Österreich, im eigenen Land zu spielen. Da bin ich sehr dankbar dafür."
Dass Pircher eine große rot-weiß-rote Tennis-Hoffnung ist, ist freilich keine allzu große Neuigkeit. Im Vorjahr holte sich die damals 14-Jährige im November in Bad Waltersdorf sensationell den österreichischen Staatsmeister-Titel – bei den Erwachsenen versteht sich!
Neuer Trainer seit Mai
Der Start ins Jahr 2025 verlief dann etwas durchwachsen. Unter anderem kam es zur Trennung von Coach Hannes König. Seit Mai ist mittlerweile Oliver Ploner an der Seite der jungen Tirolerin zu finden.
"Wir sind zufällig zusammengekommen. Ein Freund hat mich einmal gebeten, mir die Anna einmal anzuschauen und ein Feedback zu geben. Letztlich hat sich daraus eine Zusammenarbeit entwickelt, die meiner Meinung nach für beide Seiten sehr befruchtend ist", erzählt der 58-Jährige im Gespräch mit LAOLA1.
Ploner schaffte es in den 80er Jahren selbst nahe an die Top 300 der Männer-Weltrangliste und arbeitete später in der Südstadt als Trainer. Nach seinem Wechsel in die Psychotherapie war Tennis aber meist nur ein Nebengeschäft.
Das hat sich mit der Zusammenarbeit mit Pircher nun geändert. Rund um die ÖTV-Hoffnung wurde beim Trainingsstandort in Hall "ein gutes Team zusammengestellt, bestehend aus Sportpsychologen, Sportwissenschaftern, Physiotherapeut und so weiter. Eben ein Team, wie es international mittlerweile Standard ist. Damit Anna die bestmögliche Betreuung hat."
Starke Ergebnisse seit Trainerwechsel
Denn eines ist klar: "Anna ist auch für internationale Verhältnisse ein großes Talent. Man darf aber nicht vergessen, dass sie gerade erst 15 Jahre alt geworden ist. Deshalb muss man sie entsprechend behutsam aufbauen und den Druck von ihr wegnehmen. Den macht sie sich ohnehin selbst."
Bislang hat sich der Wechsel zu Ploner auf jeden Fall ausgezahlt. Pircher gewann das J100-Turnier in Bruchköbel sowie das J200 in Basel. Kurz vor Wien erreichte sie beim J300 in Pancevo das Endspiel.
"Ich arbeite seit Mai mit Oliver zusammen und wir haben schon sehr große Fortschritte gemacht. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er mich so unterstützt und immer an meiner Seite ist", ist Pircher mit ihrer Trainerwahl mehr als zufrieden.
Beeindruckender Werdegang
Trotz ihrer erst 15 Jahre hat die junge Dame schon eine ordentliche Tennis-Karriere hinter sich. Mit gerade einmal vier Jahren kam sie dank Mama Doris Pesjak-Pircher, eine ehemalige Tennis-Bundesliga-Spielerin, in Kontakt mit dem "weißen Sport". Mit sechs Jahren holte sie sich ohne Satzverlust den U9-Landesmeistertitel.
Seitdem ging es steil bergauf. Und sie kommt dabei viel herum. Seit bereits vier Jahren bestreitet Pircher regelmäßig internationale Turniere. "Wir legen jährlich circa 60.000 Kilometer mit dem Auto zurück", schmunzelt Papa Manfred im Gespräch mit LAOLA1.
Ein Aufwand, der sich vielleicht einmal in einer ganz großen Tennis-Karriere niederschlagen könnte. Doch was zeichnet das Spiel von Pircher überhaupt aus?
Annas "größte Stärke"
"Ihre größte Stärke ist", meint Ploner. "Und das kann man nur schwer lernen, dass sie situativ unter Druck und hohem Tempo richtige Entscheidungen bei ihren Schlägen treffen kann. Sie trifft einfach die richtigen Entscheidungen. Das ist ihre größte Fähigkeit. Hinzu hat sie für ihr Alter schon eine hohe Reife. Auch was die Trainingseinstellung betrifft. Zudem ist sie auch mental stark."
Diese ÖTV-Frauen knackten die Top 100 des WTA-Rankings
Wie sich Pircher selbst sieht? "Ich denke, dass ich sehr variantenreich spiele und auch gerne mal einen Stop oder einen Slice einstreue. Ich gebe meinen Gegnerinnen dadurch nicht sehr viel Rhythmus. Die Rückhand ist ebenfalls eine Stärke von mir."
Ploner schwärmt: "Das Schöne ist, dass sie noch dazu in fast allen Bereichen große Reserven hat. Man glaubt das oft nicht, weil sie jetzt schon ein hohes Niveau hat. Es gibt aber kaum einen Schlag, den man nicht noch besser machen könnte."
"Es passen hier einfach viele Komponenten sehr, sehr gut zusammen, was einen guten Tennis-Spieler ausmacht. Aber wir haben noch sehr viel Arbeit vor uns", ist sich der 58-Jährige, dessen Sohn Valentin bis zu seinem Rücktritt in diesem Sommer Eishockey-Teamspieler war und beim HC Innsbruck spielte, bewusst.
Lilli Tagger als Vorbild und Orientierungspunkt
"Wir haben in der letzten Zeit auch versucht, sie mental zu stärken und ein Spielkonzept zu entwickeln. Vor allem geht es in den nächsten zwei Jahren jetzt darum, die körperliche Fitness auf ein internationales Niveau zu bringen", erklärt Ploner die nächsten Entwicklungsschritte. "Mit Matthias Wagner haben wir einen sehr erfahrenen Sportwissenschafter im Boot. In diesem Bereich hat Anna sicher noch großes Entwicklungspotenzial."
Dass es neben Pircher mit der zwei Jahre älteren Lilli Tagger aktuell ein weiteres österreichisches Top-Talent gibt, dass sogar schon einige Schritte weiter ist, sei perfekt.
"Für das österreichische Tennis ist es das Beste, was passieren kann, wenn es gleich zwei solche Talente gibt. Die werden sich gegenseitig pushen, auch wenn Anna natürlich ein bisschen jünger ist. Lilli Tagger ist für Anna sicher ein Vorbild und auch ein Orientierungspunkt", so Ploner
Pircher, die als großes Vorbild Jannik Sinner angibt, bestätigt: "Lilli hat super Ergebnisse erzielt in letzter Zeit. Ich will auch solche Erfolge, wie sie in Roland Garros. Ich schau zu ihr rauf und verfolge alle Ergebnisse, die sie erzielt."
Gegenseitige Befruchtung
Ploner verweist auf ähnliche Konstellationen in der Vergangenheit: "Das ist generell etwas, das sich bewährt, wenn in relativ kurzem Abstand Spielerinnen hochkommen. Die befruchten sich gegenseitig, auch wenn sie nicht unmittelbar miteinander trainieren und ihr eigenes Team im Hintergrund haben. Das wirkt sich immer positiv auf die eigene Leistung aus. Sei es Muster/Skoff oder Federer/Wawrinka. Für das österreichische Tennis ist das auf jeden Fall sehr positiv."
Von einer goldenen Generation will der Tiroler aber deshalb noch nicht sprechen. Davon sei man doch noch ein gutes Stück entfernt. "Man muss die Füße am Boden behalten. Sowohl Anna Pircher als auch Lilli Tagger stehen erst am Anfang einer hoffentlich erfolgreichen Karriere. Es ist sicher viel Potenzial da. Es wird sich weisen, wie bereit sie auch sind, weiter hart an sich zu arbeiten. Ich denke aber schon, dass wir recht zuversichtlich in die Zukunft blicken können."
Wechsel zwischen Junioren- und Erwachsenen-Turnieren
Dies habe ich auch beim "Ladies Open" im Wiener Tennisclub La Ville gezeigt. "Man hat in Wien gesehen, dass Anna voll kompetitiv ist und mit den Erwachsenen mithalten kann. Natürlich sind gewisse Entwicklungsschritte im mentalen Bereich noch zu machen, die kann man auch nicht überspringen. Das sind einfach Prozesse, die sie noch durchlaufen muss. Wir wissen, an welchen Schrauben wir noch drehen müssen. Deshalb bin ich da recht zuversichtlich."
Vorerst wird Pircher, ähnlich wie Tagger in den letzten Jahren, zwischen Junioren- und Erwachsenen-Turnieren wechseln. Ein großes Ziel ist es, es im kommenden Jahr in den Hauptbewerb der Australian Open zu schaffen und erstmals ein Junioren-Grand-Slam-Turnier bestreiten zu dürfen.
"Derzeit schaut es mit meinem Ranking recht gut aus", so die Junioren-Weltranglisten-80. "Das wäre sehr cool, wenn ich es nach Melbourne schaffen würde."
In diesem Jahr stehen noch die U16-Weltmeisterschaften in Chile und die U16-Europameisterschaften in Italien auf dem Programm. Zumindest bei letzteren wird wohl auch wieder Papa Manfred ein paar Kilometer runterspulen müssen. Bei solchen Erfolgen macht man das aber wohl gern.