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Wie es mit Jurij Rodionov (noch) weiter nach oben gehen soll

Coach Gilbert Schaller fordert mehr Eigenverantwortung von seinem Schützling ein: "Jurij wird nicht jünger!"

Wie es mit Jurij Rodionov (noch) weiter nach oben gehen soll Foto: © GEPA

Anfang Februar war es endlich soweit: Mit 24 Jahren durfte sich Jurij Rodionov als Weltranglisten-89. erstmals in seiner Karriere über ein zweistelliges ATP-Ranking freuen.

Nachdem er im Vorjahr als Nummer 100 der Welt die Top 100 punktgenau knacken konnte, war dies für den ÖTV-Daviscupper der nächste wichtige Meilenstein und zugleich der erste unter der Ägide von Coach Gilbert Schaller.

Der 55-jährige Steirer ist seit einem halben Jahr an der Seite Rodionovs zu finden und absolvierte bereits die Vorbereitung auf die Saison 2024 mit dem Niederösterreicher.

"Ich bin zwar nicht der Touring Coach, aber verantwortlich für das Training und generell die Philosophie", erklärt Schaller im Gespräch mit LAOLA1.

Challenger-Titel dank Australien-Verzicht

Zu Gunsten einer längeren Saisonvorbereitung verzichtete man zu Jahresbeginn auf ein Antreten in der Qualifikation für die Australian Open. Eine schlussendlich wohl richtige Entscheidung, da sich Rodionov dadurch Ende Jänner den Sieg beim Challenger-Turnier in Koblenz holen konnte, der ihm den eingangs erwähnten Sprung in die Top 100 bescherte.

Danach lief es in Folge auf Hartplatz zwar nicht mehr nach Wunsch, mit dem Wechsel auf Sand kamen aber auch wieder die Siege. Anfang April stand Rodionov beim Challenger-Turnier in Madrid im Halbfinale. Zudem erreichte er beim ATP-250-Turnier in München das Achtelfinale, wo er erst gegen Alex Zverev verlor. 

Schaller kritisiert Chancenverwertung

"Bei den Sandplatz-Turnieren hat er zuletzt wirklich ganz brav gespielt", so Schaller, der aber auch noch genug Steigerungspotenzial bei seinem Schützling sieht.

"Was halt definitiv verbessert werden muss, ist die Chancenauswertung", meint er vor allem im Hinblick auf die Drei-Satz-Niederlage von Rodionov in der Madrid-Qualifikation gegen den Monegassen Valentin Vacherot. "Da war er eigentlich über weite Strecken der bessere Spieler, hat dann aber leichtfertig Breaks kassiert und dadurch das Match verloren. Da muss er einfach noch konstanter werden."

Dafür benötige es eine breite Brust, um auf dem Court mit dem nötigen Mut agieren zu können: "Das hängt natürlich auch mit seinem Mindset zusammen. Er muss da einfach noch stabiler werden und das Vertrauen bekommen, damit er die wichtigen Punkte aktiv erspielt. Da wird er teilweise noch zu passiv und wartet drauf, dass der Gegner einen Fehler macht."

Da muss er einfach mehr Vertrauen in sich selbst haben, aktiv bleiben und das Heft in die Hand nehmen. Auch wenn es vielleicht einmal nicht hinhaut, aber es ist immer noch besser, als auf den Fehler des Gegners zu hoffen.

Rodionov muss laut Schaller aktiver bleiben

"Und wenn man passiv wird, steigt natürlich auch stark die Chance, dass man selber einen dummen Fehler macht. Da muss er einfach mehr Vertrauen in sich selbst haben, aktiv bleiben und das Heft in die Hand nehmen. Auch wenn es vielleicht einmal nicht hinhaut, aber es ist immer noch besser, als auf den Fehler des Gegners zu hoffen."

Rodionov holt Mental-Trainer zu Hilfe

Um dies zu verbessern, habe Rodionov vor Kurzem damit begonnen, mit einem Mental-Trainer zu arbeiten. "Das ist schon mal ein guter Schritt, weil es hängt natürlich auch immer mit seiner Persönlichkeit zusammen. Denn das Verhalten unter Druck spiegelt immer die Persönlichkeit wider. Aber das geht natürlich alles nicht von heute auf morgen. Das ist ein Prozess", so Schaller.

"Den Rest des Jobs müssen wir am Platz erledigen. Er muss einfach über das Training mehr Vertrauen in sich selbst bekommen." Dann könne er "auch in wichtigen Situationen aktiv bleiben".

Kontakt schon seit den Jugendjahren

Doch wie kam es überhaupt zur Zusammenarbeit zwischen Schaller und Rodionov? "Wir haben uns natürlich gekannt, weil er vor einigen Jahren schon einmal mit Martin Spöttl gearbeitet hat. Das war noch in seinen Jugendjahren. Österreich ist nicht so groß, da verliert man sich nicht aus den Augen, vor allem im Raum Wien."

"Sein Fitnesscoach, Florian Pernhaupt, hat mich kontaktiert und gefragt, ob ich mir eine Zusammenarbeit vorstellen könnte. Dann habe ich mich mit Jurij zu Jahresende zusammengesetzt. Damals war er eigentlich schon ziemlich down, weil er total verloren war, was das Tennis betrifft."

(Text wird unter dem Video fortgesetzt)

Eine Probezeit im Dezember habe schließlich so gut funktioniert, dass man es für diese Saison einmal versuchen wolle. "Wir wollen Schritt für Schritt das Beste rausholen", so Schaller, denn langfristige Planungen seien im Tennis immer schwierig.

"Jurij wird nicht jünger"

In der Vergangenheit probierte es Rodionov bereits mit vielen verschiedenen Betreuern. Unter anderem holte sich der Niederösterreicher bereits bei Wolfgang Thiem, Günter Bresnik und einigen ausländischen Betreuern Inputs. Eine wirklich dauerhafte Zusammenarbeit ergab sich aber nie. Mittlerweile ist der gebürtige Nürnberger bereits 25 Jahre alt.

"Jurij wird nicht jünger. Er ist sicher noch kein Spieler, der zum alten Eisen gehört. Meiner Meinung nach kommt er zuerst eigentlich schon langsam ins beste Alter, was den Tennisprofi betrifft", sieht Schaller seinen Schützling schön langsam unter Zugzwang.

Rückkehr in die Top 100 soll mit mehr Eigenverantwortung gelingen

Der Steirer will vor allem die "Eigeninitiative" des Niederösterreichers fördern. "Natürlich ist von meiner Seite eine Philosophie und eine Idee vorgegeben, mit der er sich identifiziert, mit der er leben kann und mit der er sich wohlfühlt. Aber er muss im Spiel Entscheidungen unter Stress am Platz treffen. Deshalb möchte ich, dass er mehr Eigenverantwortung übernimmt und kein reiner Befehlsempfänger ist. Wir haben eine beiderseitige Absprache, was für uns beide wichtig ist, was die Inhalte betrifft. Auf diese Art und Weise wollen wir uns qualitativ immer mehr steigern."

"Ich will ihm nicht dauernd sagen, was er zu tun hat und er soll das dann einfach runterspielen. Ich will, dass er seinen eigenen Kopf einschaltet, denn das braucht er ja im Match genauso", sieht Schaller eine gewisse Reife vonnöten, um in den Top 100 reüssieren zu können.

Vorrangiges Ziel ist es allerdings sowieso, erstmals wieder dorthin zurückzukehren. Da ihm in den letzten Wochen einige Punkte aus dem Vorjahr aus der Wertung gefallen sind, rangiert Rodionov derzeit nur auf Position 133 im ATP-Ranking

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