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Raków Częstochowa: FIFA-Karrieremodus im echten Leben

Binnen weniger Jahre von der dritten Liga zum polnischen Meistertitel: Wie ein Sportlehrer und ein ehemaliger IT-Student ein Spitzenteam formten.

Raków Częstochowa: FIFA-Karrieremodus im echten Leben Foto: © GEPA

Es ist der 7. Mai 2023: Raków Częstochowa ist erstmals polnischer Meister. Eine Erfolgsgeschichte, die man sonst nur aus Videospielen kennt, wird Realität.

Innerhalb von nur sieben Jahren schafft es das Team, von der dritten Liga bis an die Spitze des Landes zu klettern.

Wie konnte aus diesem polnischen Klub ein Champion werden? Die Antwort steckt in einer außergewöhnlichen Erfolgsstory.

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Von der Arbeitersiedlung zur großen Fußballbühne

Lange Zeit war Raków Częstochowa selbst eingefleischten Fußballfans kaum ein Begriff. Die Stadt war vielmehr bekannt als spirituelles Zentrum Polens – als Heimat der Schwarzen Madonna von Tschenstochau im Kloster Jasna Góra, eines der wichtigsten Wallfahrtsziele Europas.

Millionen Pilger zieht das Marienbild jedes Jahr an. Auf dem Fußballplatz hingegen spielte die Stadt jahrzehntelang keine große Rolle.

Der Sportklub Raków wurde 1921 unter dem Namen Racovia in der gleichnamigen Arbeitersiedlung gegründet, die 1928 nach Częstochowa eingemeindet wurde.

Über Jahrzehnte blieb der Verein in den unteren Ligen gefangen – bis 2017 spielte Raków fast ausschließlich drittklassig. Manch einer mag Raków damals vielleicht wegen des 108-fachen polnischen Nationalspielers und Ex-Dortmund-Legionärs Jakub Blaszczykowski auf dem Schirm gehabt haben.

Zwischen 2010 und 2014 unterstützte er seinen Jugendklub finanziell, als sein Onkel dort Trainer war und vermittelte 2012 auch eine Partnerschaft mit Borussia Dortmund.

Ein IT-Unternehmer wird Klubbesitzer

Der Wendepunkt beginnt mit Michał Świerczewski. Der gebürtige Częstochowaer wächst als begeisterter Raków-Fan auf und erlebt in den 1990er-Jahren die kurze Glanzzeit seines Vereins in der höchsten polnischen Liga.

Als junger IT-Student sah er 1998 den Abstieg und schwor sich, den Verein eines Tages zurück in die erste polnische Liga zu führen.

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Raków Częstochowa vor einem Spiel
Foto: ©GEPA

2002 gründete Michal Świerczewski den Computerladen x-kom. Der Schritt in den Online-Handel im Jahr 2007 brachte den großen Durchbruch, und das Unternehmen wuchs rasant.

2022 listete ihn "Forbes" zu den reichsten 100 Polen. Seinem Herzensklub hielt Świerczewski Wort: 2011 stieg er zunächst als Sponsor bei Raków ein, drei Jahre später übernahm er den Verein als Eigentümer komplett.

Sein Plan im Jahr 2014 war ehrgeizig: Bis 2019 sollte der Aufstieg in die erste Liga gelingen, zum 100-jährigen Jubiläum 2021 wollte er das beste Ergebnis der Vereinsgeschichte erreichen.

Die Suche nach dem passenden Trainer

Im Jahr 2015 sucht Swierczewski nach neuem Personal für sein Team und kommt zu dem Entschluss, auf einen jungen Trainer setzen zu wollen, der das Potenzial hat, sich weiterzuentwickeln.

Seine Suche konzentriert sich dabei auf Inhaber der UEFA-Pro- und UEFA-A-Lizenz. In einem regionalen Fußballportal der Woiwodschaft Masowien stößt er immer wieder auf den Namen Marek Papszun, der unter Trainerkollegen einen ausgezeichneten Ruf genießt.

Zu diesem Zeitpunkt arbeitete er hauptberuflich als Sport- und Geschichtslehrer und trainierte polnische Amateurklubs nur nach Feierabend.

Den Trainerposten erhält Papszun bei Rakow, nachdem er gemeinsam mit einem Psychologen das Vorstellungsgespräch erfolgreich absolviert.

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Rakow möchte den Erfolgslauf fortsetzen
Foto: ©GEPA

Der Durchmarsch

Bereits im zweiten Jahr führte Papszun die Mannschaft in die zweite Liga, zwei Jahre später gelang der sensationelle Durchmarsch ins Oberhaus. Der 51-Jährige setzt dabei auf klare Ansprachen und teils unkonventionelle Methoden: So lässt er als Hausübung Aufsätze schreiben, bei denen die Spieler nach jedem Spiel innerhalb von 24 Stunden die Teamleistung schriftlich bewerten mussten.

Selbst im Pokal machte Raków bereits als Zweitligist auf sich aufmerksam: Nach Siegen gegen Lech Posen und Legia Warschau scheiterte das Team 2018/19 erst im Halbfinale.

Die Premierensaison in der Ekstraklasa 2019/20 endete souverän mit dem Klassenerhalt und Platz zehn. Zum 100-jährigen Jubiläum 2021 folgte das nächste Hoch: Raków wurde Vizemeister und Pokalsieger – das 2014 gesetzte Ziel war erreicht.

Erfolg durch System statt Millionen

Der steile Aufstieg war kein Produkt von Geld, sondern von Strategie und Geduld. Raków setzte auf nachhaltige Transfers und gezielte Verstärkungen – kaum ein Spielerwechsel überschritt die Millionengrenze.

Während Klubs wie Legia Warschau und Lech Posen über weitaus größere Budgets verfügten, wuchs Raków durch kluge Planung über sich hinaus.

Bis heute ist der teuerste Transfer zwei Millionen Euro wert. Erling Haalands Cousin Jonatan Braut Brunes wechselte im Sommer 2025 für zwei Millionen Euro von OH Leuven zu den Polen.

In der Saison 2022/23 sicherte sich das Team drei Spieltage vor Schluss die erste Meisterschaft der Vereinsgeschichte – begünstigt durch eine Niederlage des Verfolgers Legia Warschau bei Pogoń Stettin.

Modernes Erfolgsprojekt

Ein Jahr später stand Raków kurz vor dem nächsten Meilenstein: der Teilnahme an der Champions League. Nach Erfolgen in der Qualifikation gegen Flora Tallinn, Qarabag und Aris Limassol scheiterten die Rot-Blauen erst im Playoff knapp mit 1:2 am FC Kopenhagen.

In der Gruppenphase der Europa League traf Raków unter anderem auf Sturm Graz – beide Teams konnten jeweils einen knappen 1:0-Auswärtssieg erringen. In einer starken Gruppe mit Atalanta und Sporting Lissabon war für beide Teams jedoch nach der Gruppenphase Endstation.

Mittlerweile hat sich Rakow in der Spitze Polens festgespielt und erreichte in der vergangenen Saison den Vizemeistertitel in Polen.

Was einst als bescheidene Fußballgeschichte in einer Pilgerstadt begann, ist heute ein modernes Erfolgsprojekt, das zeigt, wie Leidenschaft, Vision und Konsequenz einen Verein an die Spitze führen können.

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