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Premier League: Die Vorboten des Brexits

Brexit macht auch vor Premier League nicht halt. Sebastian Prödl verdeutlicht Ungewissheit:

Premier League: Die Vorboten des Brexits Foto: © getty

Auch 2018 wird der Boxing Day (Mittwoch, ab 13:30 Uhr LIVE im LAOLA1-Ticker und bei DAZN) wieder einer der höchsten Fußball-Feiertage in England sein.

Wie die Premier League rund um Weihnachten und Jahreswechsel generell wieder massive Präsenz zeigt und binnen eineinhalb Wochen vier Runden angesetzt hat.

Tradition eben.

Eine Tradition, die zur selben Zeit wohl auch 2019 und in den Jahren darauf gepflegt werden wird. Diese Prognose wird ziemlich sicher aufgehen.

Damit hat es sich aber auch schon mit Sicherheiten rund um den englischen Fußball allgemein und sein Aushängeschild, der Premier League, im speziellen.

Wie es 2019 genau weitergeht? Ist gar die Vormachtstellung der Liga in Gefahr? Es wird munter diskutiert, Szenarien gibt es unzählige, aber wirklich wissen kann es derzeit niemand.

Warum? Ganz einfach: Die Unsicherheit rund um den Brexit macht im Mutterland des Fußballs auch vor selbigem nicht halt.

LAOLA1 fragt bei Watford-Legionär Sebastian Prödl nach, um den aktuellen Gemütszustand auf der Insel bezüglich Brexit und Fußball zu erkunden.

Intensive Winter-Transferzeit als Brexit-Vorbote

Wie alle Beteiligten harrt auch der Steirer der Dinge, welche Variante letztlich auf politischer Ebene zum Zug kommen wird. Einen ersten Vorboten des Brexits erwartet Prödl jedoch bereits in wenigen Wochen:

"Ich könnte mir vorstellen, dass diverse Agenten versuchen werden, in diesem Winter-Transferfenster sehr, sehr viele europäische Spieler in den drei höchsten englischen Ligen zu platzieren, um dem Risiko einer möglichen Einwanderungsbeschränkung vorzubeugen, sodass man argumentieren kann: Diese Spieler waren schon da, sie sind im Zirkus dabei, vielleicht dürfen sie dann eher bleiben."

Eine Vermutung, die durchaus zutreffen kann. Diese Strategie könnte sich jedenfalls bezahlt machen, wenn es doch noch zu einem weichen Brexit kommt, also das umstrittene, von Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen abgesegnet wird.

Dieses sieht eine Übergangsfrist bezüglich der Arbeitnehmerfreizügigkeit bis Ende 2020 vor und schafft eine gewisse Rechtssicherheit in Sachen Aufenthaltsrecht und Arbeitserlaubnis für bereits in Großbritannien ansässige EU-Bürger.

Eine Entscheidung - egal welche

Aber kommt ein weicher Brexit? Wird es doch ein harter Brexit? Was geschieht dann? Fragen über Fragen, die derzeit logischerweise niemand so wirklich beantworten kann. Im Prinzip tappen alle im Dunkeln.

"Derzeit fragt sich jeder: Was passiert beim ungeordneten Austritt? Was beim geordneten? Wie lange ist die Übergangszeit? Was gilt dann? Dieses ständige Hin und Her und dieses Was-wäre-wenn nerven richtig."

Sebastian Prödl

"Natürlich beschäftigt einen das", verdeutlicht Prödl, "die Frage ist: Welchen Informationen darf man Glauben schenken? Wir wissen ja nicht, was Tatsache ist, es wird immer wieder etwas geändert. Aktuell scheinen wir auf einen ungeordneten EU-Austritt Ende März zuzusteuern, aber ich kann mir vorstellen, dass sich schon noch einiges ändert."

Aktuell ortet der 31-Jährige eine große Unsicherheit: "Aber nicht nur bei den EU-Bürgern, man merkt es auch bei der Währung oder der Wirtschaft im allgemeinen."

Sein Wunsch: "Mir wäre es am liebsten, wenn es bald eine Entscheidung gibt, egal wie sie ausfällt. Auf dieser Entscheidung könnte man dann aufbauen. Derzeit fragt sich jeder: Was passiert beim ungeordneten Austritt? Was beim geordneten? Wie lange ist die Übergangszeit? Was gilt dann? Dieses ständige Hin und Her und dieses Was-wäre-wenn nerven richtig."

Oder vielleicht kommt am Ende doch alles ganz anders: "Ich bin gespannt, ob es noch die Möglichkeit für ein neues Referendum gibt und sie alles noch einmal komplett zurückziehen. Manche werfen es zumindest in den Raum und würden das gerne sehen."

"Match" Premier League gegen FA

Die Wahrscheinlichkeit dafür erscheint derzeit eher gering, aber wer weiß. Realistischer ist, dass sich Großbritannien und somit auch der englische Fußball auf eine Zukunft außerhalb der EU vorbereiten muss.

Und somit naturgemäß auch Ausländer aus aller Welt, die gerne im englischen Fußball arbeiten möchten.

Auch hier gibt es, je nach Austritts-Szenario, das letztlich zum Zug kommt, diverse Eventualitäten und diskutierte Auswirkungen, die erstens den Rahmen sprengen würden und derzeit zweitens ohnehin Kaffeesudleserei sind.

Pep Guardiola: Einer von 82 Spaniern im englischen Fußball
Foto: © getty

Stark vereinfacht ausgedrückt, läuft derzeit jedoch vieles auf ein "Match" Premier League gegen englischen Fußball-Verband FA hinaus. Letzterer sieht in Zugangsbeschränkungen für ausländische Fußballer die Chance, das Nationalteam zu stärken. Die Liga wiederum scheint durchaus mit Sonderregeln zu liebäugeln.

Das Szenario, dass sich das Gesicht der Premier League verändern könnte, ist kein unrealistisches, wenn für Kicker aus dem EU-Ausland die gleichen - teilweise strengen - Zulassungs-Regeln gelten würden wie für Spieler aus dem Rest der Welt.

Hier kommt ein Punktesystem zum Zug, in dem Kriterien wie Anzahl der Länderspiele, das FIFA-Ranking des jeweiligen Landes oder auch die Ablösesummen und das Salär des Spielers eingerechnet werden.

"Openness" bringt Premier-League-Aufschwung

Der Aufschwung der Premier League in den vergangenen 25 Jahren hat auch viel mit ihrer "Openness" dem Rest der Welt gegenüber zu tun – ansonsten vielleicht nicht eine ureigene britische Eigenschaft.

Offen war man vor allem für fremdes Geld, sei es aus Russland, den Emiraten, den USA, China oder Thailand. Aber natürlich auch gegenüber den Ideen ausländischer Trainer-Ikonen und dem Können ausländischer Fußballer. So mancher Kader wird qualitativ wie quantitativ von Legionären dominiert.

Ein Beispiel: Derzeit arbeiten 82 Spanier im englischen Fußball. 45 davon sind aktive Fußballer (35 in der Premier League), der Rest sind Trainer, Sportdirektoren oder andere Staff-Mitarbeiter.

So muss sich etwa Pep Guardiola bei Manchester City keine Sorgen machen, bei Bedarf jemanden zu finden, mit dem er sich in seiner Muttersprache unterhalten kann – alleine abseits des Feldes arbeiten bei City neben dem Coach zehn weitere Spanier.

Dass die Premier League keine allzu große Freude damit hätte, wenn es – in welcher Form auch immer – schwerer werden sollte, ausländisches Know-how auf die Insel zu transferieren, ist logisch.

Sonderregelungen für Premier League wären ungerecht

Die Debatte über die Post-Brexit-Premier-League ist natürlich längst in vollem Gange, auch ohne die tatsächlichen Rechtsgrundlagen ab kommenden April zu kennen.

Die FA schlägt etwa eine Begrenzung auf 13 nicht-britische Spieler pro Kader vor. Dass die Liga wiederum ihre Macht in die Waagschale wirft und an Sonderregeln denkt, kommt nicht überraschend.

"Genau das wird die Frage werden, ob der Apparat Premier League so groß ist und es zugelassen wird, dass dieser Apparat so großes Mitspracherecht hat und vielleicht andere Bedingungen vorfinden darf als ein Normalbürger", meint Prödl, der diesbezüglich eine klare Meinung hat:

"Ziehst du einen Brexit durch, musst du ihn durch alle Gesellschaftsschichten durchziehen und kannst es nicht vom Geld abhängig machen. Aber ich bin auch echt gespannt, ob es Sonderregelungen geben wird, was angesichts der Größe der Premier League irgendwo nachvollziehbar wäre, aber für die breite Gesellschaft meiner Meinung nach ungerecht wäre."

Transfer-Hürden würde Vereine hinter Top-Teams treffen

Zu spüren wären etwaige Transfer-Hürden wie die Zahl der Länderspiele durchaus. Der Innenverteidiger glaubt, dass bei aller Finanzstärke vor allem die Vereine hinter den Top-Teams leiden würden:

Prödl plant weiter keinen persönlichen Brexit
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"Die Premier League ist ja quasi in zwei Ligen unterteilt. Watford zum Beispiel kann sich auch nicht nur Nationalspieler leisten, sondern muss Talente holen. Manchester City, Manchester United oder Chelsea? Ja, dort geht das. Aber ab Platz sieben bekommst du, wenn du Glück hast, einen österreichischen Nationalspieler. Aber ob du einen argentinischen, brasilianischen oder spanischen kriegst? Das ist die Frage."

Fragen, die zumindest bei Watford (22 von 29 Kaderspielern sind Legionäre) teamintern nur am Rande diskutiert werden. Die englischen Mitspieler würde diese Brexit-Thematik nur am Rande interessieren. „Sie sind dann doch ein Inselvolk und sehen sich ein Leben lang auf dieser Insel“, schmunzelt Prödl.

Unter den Legionären werde teilweise diskutiert. "Viele nervt, dass sie in Pfund bezahlt werden und der im Vergleich zum EURO schwach ist. Da regen sich einige auf, aber das ist nicht änderbar", erzählt der 73-fache Nationalspieler.

Prödl plant keinen persönlichen Brexit

Prödl lebt seit Sommer 2015 in London. Auch wenn der mit der EU vereinbarte Deal nicht durchgehen sollte, müsste er sich angesichts seiner bisherigen Karriere kaum Sorgen machen, irgendwelche arbeitsrechtlichen Kriterien nicht zu erfüllen.

"Ich habe weiterhin nicht das Gefühl, mit meiner Qualität bei Watford keine Chance zu verdienen. Ich warte auf diese Chance. Ich habe in den vergangenen Jahren bewiesen, dass ich ein Premier-League-Spieler bin."

Sebastian Prödl

Den persönlichen Brexit hat der Steirer trotz des Umstands, dass der spanische Watford-Coach Javi Gracia in dieser Saison nicht wirklich auf ihn baut, zum derzeitigen Zeitpunkt ohnehin nicht im Sinn.

"Die aktuelle Situation ist die, dass ich persönlich weiterhin nicht das Gefühl habe, mit meiner Qualität bei Watford keine Chance zu verdienen. Ich warte auf diese Chance. Ich habe in den vergangenen Jahren bewiesen, dass ich ein Premier-League-Spieler bin", betont Prödl, dem das intensive Programm rund um den Jahreswechsel - am Boxing Day geht es gegen Chelsea (Wett-Quoten) - so gesehen zugutekommen könnte:

"Natürlich weiß ich über die Intensität im Dezember und Jänner Bescheid. Ich baue darauf, dass ich fit bin und meine Einsatz-Chance bekomme, um ein Teil der Mannschaft zu sein."

Nach wie vor Wertschätzung spürbar

Was, wenn diese Chance bis gegen Ende der Transferzeit nicht kommt?

"Fußball ist zu sehr Tagesgeschäft, um vorhersagen zu können, was in einem Monat passiert. Aber ich will das auch nicht vorhersagen, weil ich weiterhin davon überzeugt bin, dass mein Weg hier weitergeht. Ich spüre Wertschätzung im Verein, obwohl ich mich in einer unglücklichen Situation befinde. Aber ich denke, der Verein ist der Überzeugung, dass ich dem Team noch ganz viel geben kann, auch wenn es im Moment nicht ganz so ausschaut."

Momentaufnahmen können im Fußball bekanntlich relativ flott Schnee von gestern sein. Noch rasanter scheint das Tempo derzeit nur in der Brexit-Debatte zu sein.

Gut möglich, dass sie sich rund um den Jahreswechsel ein wenig beruhigt, einige Tage lang König Fußball im Mittelpunkt steht und erst im neuen Jahr wieder Fahrt aufnimmt.

Aber wie die Premier League rund um den Boxing Day 2019 nach einem harten-weichen-oder-wie-auch-immer-gearteten Brexit aussieht? Man darf gespannt sein.

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