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Jaissle verrät den Schlüssel zu Salzburgs Reife

Darum ist Salzburgs jüngstes Champions-League-Team das bisher abgebrühteste:

Jaissle verrät den Schlüssel zu Salzburgs Reife Foto: © GEPA

"Leider konnte sich der FC Salzburg für eine starke Leistung erneut nicht belohnen."

Dieser Satz - in unterschiedlichsten Variationen, versteht sich - begleitete den FC Salzburg in den letzten zwei Jahren in der Champions League hartnäckig.

Die "Bullen" brachten Weltklasse-Gegner wie den FC Bayern, Atletico Madrid oder den FC Liverpool an den Rande einer Niederlage, schlussendlich fehlte ihnen aber oftmals die notwendige Reife, um ein gutes Ergebnis über die Zeit zu bringen.

Doch heuer ist alles anders! Ausgerechnet die bis dato jüngste Mozartstädter Mannschaft in der (zugegebenermaßen noch recht kurzen) "Königsklassen"-Historie steht nach drei gespielten Partien zur Halbzeit der Gruppenphase unmittelbar vor dem erstmaligen Einzug ins Achtelfinale der Champions League.

Nach dem 3:1-Sieg über den VfL Wolfsburg (Spielbericht>>>) fehlt den Salzburgern nur mehr ein Sieg auf die Runde der letzten 16 (Alle Infos>>>).

"Ich bin stolz auf die Mannschaft, wie sie das gemacht hat. Vor allem auf die reife Leistung, nach dem Ausgleichstreffer nicht zurückzustecken, sondern in der zweiten Halbzeit noch ein paar PS mehr auf die Straße zu bringen. Es war einfach ein richtig geiler Champions-League-Abend", streicht Trainer Matthias Jaissle, selbst übrigens 33 Jahre jung, auf der Pressekonferenz nach dem Spiel die Reife seiner unerfahrenen Mannschaft hervor.

International endlich belohnt worden

International hat Salzburg in der Vergangenheit immer wieder auch Pech gehabt. Jetzt ist es einfach an der Zeit, dass wir Champions-League-Spiele genießen können, weil auch die Ergebnisse stimmen

Matthias Jaissle

Jaissle werkt seit Sommer 2019 in Salzburg - zunächst als U18-, dann als Liefering-Coach - und hat die teils bitteren Champions-League-Auftritte der "Bullen" unter seinem Vorgänger Jesse Marsch hautnah miterlebt.

Auch deshalb erklärt der Schwabe: "Der Mannschaft soll der Sieg viel Selbstvertrauen geben. Dass man sieht, wenn wir unser Spiel richtig im Detail auf den Platz bringen, dass das auch belohnt wird – auch international. Da hat Salzburg in der Vergangenheit immer wieder auch Pech gehabt. Jetzt ist es einfach an der Zeit, dass wir Champions-League-Spiele genießen können, weil auch die Ergebnisse stimmen."

Die Ergebnisse stimmten auch deshalb in den letzten beiden Jahren nicht, weil sich die Mozartstädter schlicht zu viele und vor allem unnötige Gegentore einfingen: 17 waren es alleine in der Vorsaison, 13 in der Spielzeit 2019/20.

Heuer haben die "Bullen" zwar ebenso noch keine weiße Weste wahren können, allerdings bekamen sie jeweils nur ein Gegentor pro Spiel - und diese jeweils nach Standards bzw. individuellen Fehlern: Philipp Köhn sah wie zuletzt gegen Lille auch gegen Wolfsburg beim Gegentor alles andere als gut aus, beim FC Sevilla verursachte Max Wöber nach einem übermotivierten Tackling einen Elfer, der von Ivan Rakitic verwandelt werden konnte.

Jaissle: "Nahezu perfekt"

Wöber hat bisher alle 15 Salzburger Champions-League-Partien von Anfang an bestritten, weiß also, was es heißt, wenn er folgendes sagt: "Was wir heute wieder gezeigt haben, war absolutes Top-Niveau, Champions League-Niveau und genau das, was wir in solchen Spielen zeigen wollen. Daher haben wir heute auch verdient gewonnen."

Dass bei Salzburg wenig dem Zufall überlassen und einem genauen Matchplan gefolgt wird, zeigt auch folgende Aussage von Matthias Jaissle: "Wir haben uns schon vor der Champions-League-Saison darüber definiert, dass wir gesagt haben: Wir wollen unseren Fußball international zeigen. Aktuell schaut es richtig gut aus, weil wir einfach die Art und Weise von Fußball nahezu – ich hätte schon fast gesagt perfekt – auf den Platz bringen. Heute waren wir schon nah an den hundert Prozent von dem, was ich mir vorstelle."

Lob für den VfL Wolfsburg: "Top-Qualität"

Ein nicht unwesentlicher Faktor ist natürlich auch, dass die aktuelle Gruppe deutlich ausgeglichener ist als die beiden zuvor. Mit dem FC Liverpool bzw. dem FC Bayern bekam Österreichs Meister stets den amtierenden Champions-Leauge-Sieger zugelost, dahinter folgten mit dem SSC Napoli im ersten CL-Jahr und Atletico Madrid im zweiten ebenfalls Weltklasse-Teams. Die jeweils krassen Außenseiter und späteren Gruppenletzten hießen KRC Genk bzw. Lokomotive Moskau.

Mit Wolfsburg war am Mittwoch aber immerhin der Viertplatzierte der abgelaufenen Saison in der deutschen Bundesliga in Salzburg zu Gast. Obwohl die "Wölfe" sich momentan in einer Formkrise befinden, verfügen sie über viel Qualität, die sie speziell in der ersten Halbzeit in der Red Bull Arena zur Schau stellten. Zudem wird der Marktwert des Kaders der Deutschen fast doppelt so hoch eingeschätzt wie jener der Salzburger.

"Es ist sicher nicht möglich, so ein Spiel über 90 Minuten komplett zu dominieren, weil ein Gegner dabei ist, der zurecht in der Champions League ist. So war es bei Wolfsburg heute auch, das ist einfach eine Mannschaft mit absoluter Top-Qualität", unterstreicht Jaissle.

Das ist der Schlüssel zur Reife

Wolfsburg gestaltete im ersten Durchgang eine ausgeglichene Partie und wäre nach einer Top-Chance von Lukas Nmecha beinahe mit einer 2:1-Führung in die Pause gegangen. Nach Seitenwechsel drehten die "Bullen" allerdings richtig auf, ließen Wolfsburg keine Chance mehr und siegten vor allem dank Matchwinner Noah Okafor verdient mit 3:1.

Jaissle, der seine Halbzeit-Ansprachen etwas ruhiger anlegt als sein Vorgänger Jesse Marsch und meist nur an Feinheiten schraubt, erklärt das Salzburger Erfolgsrezept so: "Ich glaube, eine Tugend, die die Mannschaft aktuell auszeichnet, ist Wissbegier. Wir haben uns vorgenommen, aus jeder Situation, aus jeder Halbzeit in der Champions League bestmöglich lernen zu wollen. Das machen wir aktuell extrem schnell und effektiv. Das könnte der Schlüssel sein für so eine reife Leistung."

Jaissle: "Das ist nicht selbstverständlich!"

Der 33-Jährige bleibt damit auch in seinem 18. (!) Pflichtspiel auf der Salzburger Kommandozentrale unbesiegt, zu 16 Siegen gesellen sich zwei Remis gegen den FC Sevilla und den SCR Altach. Jaissle hat damit längst mehrere Start-Rekorde in der Mozartstadt gebrochen.

Der ehemalige Innenverteidiger, den vor der Saison die meisten nur vom sportlichen Höhenflug mit der TSG Hoffenheim vor 13 Jahren in der Erinnerung hatten, wird in seiner deutschen Heimat mittlerweile als heiße Traineraktie gehandelt.

Dennoch gibt sich der in Nürtingen, 30 km südöstlich von Stuttgart, Geborene gewohnt bescheiden, den Erfolg wälzt er auf seine junge Mannschaft ab:

"Heute war es gegen eine Top-Mannschaft aus der deutschen Bundesliga notwendig, dass wir nahe an das Leistungsoptimum kommen, und das haben die Jungs richtig gut gemacht. Darauf bin ich extrem stolz, das ist nicht selbstverständlich, mit so einer jungen Mannschaft in dieser Konstanz unterwegs zu sein. Das ist schon beeindruckend aktuell."

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