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Ende des Hockey-Jahres offeriert alte Probleme

LAOLA1-Scout Freimüller beurteilt ÖEHV-Teams und blickt in die Zukunft.

Ende des Hockey-Jahres offeriert alte Probleme Foto: © GEPA

Österreichs Eishockey genießt den Sommerurlaub. Der Klassenerhalt für das ÖEHV-Team überstrahlt natürlich alles andere, übertüncht aber auch die seit Jahren gleichen Probleme.

LAOLA1-Scout Bernd Freimüller blickt auf das Länderspieljahr zurück und wagt einen Ausblick in die Zukunft. Österreich hatte bei der WM in Kopenhagen zwei Schicksalsspiele zu bestreiten – das gegen Frankreich (2:5) ging in die Hose, nur 24 Stunden später gegen Weißrussland gab's ein 4:0 und den großen Jubel über den Klassenerhalt.

Neue Eishockey-Hierarchie

Ein Sieg reichte also bei der A-WM in Dänemark, das stand im krassen Gegensatz zu früheren Turnieren.

Nicht nur, weil seit zehn Jahren die Auf- immer umgehend auch die Absteiger waren: Der Verbleib in der A-Gruppe ist für eine Nation wie Österreich ein Coup wie etwa für Deutschland der Halbfinal- oder für Frankreich der Viertelfinal-Einzug.

Die Hierarchie im internationalen Eishockey hat sich über die Jahre etwas gewandelt, hat jetzt aber die folgenden Konturen: Kanada, Russland, Schweden, Finnland, Tschechien und die USA sollten eigentlich immer sechs der acht Viertelfinal-Plätze einnehmen.

Beim derzeitigen System mit sieben Gruppen-Spielen kann sich jedes dieser Teams auch problemlos einen Umfaller gegen eine kleinere Nation leisten. Auch im Juniorenbereich diktieren diese Länder (mit der Ausnahme von Tschechien) die Weltmeisterschaften

Die restlichen zwei Viertelfinal-Spots sind offen: Die Schweiz und Deutschland sind 50:50-Anwärter darauf, wobei das immer davon abhängt, welche NHL-Spieler ihnen zur Verfügung stehen.

Dänemark schaffte es in neun Jahren nur zweimal - dass auch eine so starke Truppe wie heuer in Kombination mit dem Heimvorteil nicht reichte, ist enttäuschend. Lettland schaffte auf Kosten des Gastgebers seit neun Jahren erstmals wieder das Viertelfinale.

Die Slowakei gehört schon lange nicht mehr zu den Spitzennationen, allerdings waren die elf Punkte heuer die beste Ausbeute seit der Silbermedaille 2012. Danach folgten allerdings eine Viertelfinalniederlage und das fünfmalige Verpassen der Playoff-Runde.

Von diesen Teams rutscht am ehesten noch Lettland in seltenen Fällen Richtung Abstiegsplätze (WM in Prag!), doch auch hier trennen sieben Spiele die Spreu vom Weizen. Norwegen muss sich da schon eher Sorgen machen, ihr Trend geht eindeutig nach unten. Frankreich schafft es immer wieder, sich oben zu halten. In Entscheidungsspielen (wie gegen Österreich) wird dann immer wieder Stephane da Costa zusammengeflickt, was schon reicht. Die Franzosen haben aber realisiert, dass sie nicht für immer auf ihren alten Stamm vertrauen können. Nach schwierigen Jahren tendieren die U-Teams wieder nach oben, das U18-Team gab heuer sogar ein kurzes Gastspiel in der A-Gruppe. Mit Alexandre Texier etwa brachten die Franzosen ein (gedraftetes) Talent heraus, das in Österreich kein Äquivalent hat. Mit einem Eishockey-Leistungszentrum in Paris setzte der Verband auch dringend nötige Maßnahmen. Ein Abstieg kann für die Franzosen einmal passieren, aber sie haben die Zeichen der Zeit doch erkannt.

Nachwuchsteams als Indikator

Grundsätzlich kann man von den Nachwuchsnationalteams den Trend für die Senioren gut herauslesen. Die Schweiz und die Slowakei etwa gehören seit Jahren zur A-Gruppe in der U18 und U20 – und die umfasst dort ja nur zehn Nationen. Lettland und Dänemark wechseln dort oft zwischen A- und B-Gruppe, sind also um den zehnten Platz herum angesiedelt. Deutschland kennt die oberste Spielklasse mittlerweile nur vom Hörensagen – in einer Nachwuchsrangliste wären sie etwa Zwölfter. Aber alle diese Teams halten sich ohne Probleme unter den Top-16.

Der Abwärtstrend bei Norwegen ist an deren Juniorenteams abzulesen – das U20-Team fand sich sogar für ein Jahr in der C-Gruppe wieder, die U18-Teams sind von den Top-10-Nationen mittlerweile weit entfernt.

Dem Trend widersetzte sich einzig Weißrussland. Der Abstieg bei der WM kam nicht ganz überraschend – die letzten Turniere waren schon äußerst schwach und die heurige Kombination von inferioren Torhütern und einer impotenten Offensive war dann ganz einfach zu viel. Zu lange setzte man vielleicht auf ältere Semester, inklusive eingebürgerter Kanadier, die auch nicht jünger wurden (Platt, Linglet). Doch ihre Nachwuchsteams sind nur ein Jota unter Dänemark und Lettland anzusiedeln, das U18-Team schaffte heuer sogar den Klassenerhalt in der Top-Division und das U20-Team stieg in diese auf. Mit Sherangovich und Sushko standen heuer auch zwei Junioren im WM-Aufgebot. Belarus ist für mich noch über die Schwellenländer Österreich, Kasachstan, Slowenien und Ungarn zu stellen. Ich traue ihnen den Wiederaufstieg jedenfalls weit eher zu als Mitabsteiger Korea, das mit dem Olympiajahr wohl den lange angestrebten Zenit erreicht hat und deren Jahr in der A-Gruppe eher ein Unfall war.

Zum österreichischen Eishockey: Der 14. Endrang bei der WM bedeutet Rang 17 in der Weltrangliste, Korea liegt heuer noch um ein Alzerl vor uns, profitiert dabei von der Olympiateilnahme als Gastgeber. Das U20-Team gewann bei der B-WM eines von fünf Spielen, nämlich das entscheidende gegen Ungarn und schaffte so den Klassenerhalt. Das U18-Team wiederrum gewann vier von fünf Spielen, verlor aber das entscheidende gegen den Gastgeber aus der Ukraine und verblieb so in der C-Gruppe. Das sind also in den Weltranglisten (offiziell für die Senioren, inoffiziell für die Junioren) die Plätze 17, 15 und 18 – alles also an der Schnittstelle zwischen den Top-16-Nationen und dem Rest der Welt.

Falsche Zielsetzung?

Bei aller Freude über den Klassenerhalt gibt es also keine Indizien dafür, dass auch in Zukunft mehr als nur dieser zu erwarten ist. Der ÖEHV gibt als großes Ziel die Qualifikation für Olympia 2022 aus, das Turnier dafür steigt im Herbst 2020. Nur: Drei Spiele in drei Tagen sind so oder so ein Gamble und können das Leistungsbild einer Nation schnell verzerren. Die Weltmeisterschaften sind und bleiben der Indikator für den Eishockeylevel einer Nation…

Wie immer bei einer WM wurde in den letzten Tagen viel über das österreichische Eishockey und die EBEL diskutiert. An den Strukturen hätte sich so oder so nichts geändert, da ist mir ein Klassenerhalt schon lieber als ein Abstieg. Beide Extremstandpunkte (der Nachwuchs ist zu schwach/die Legionäre sind am allem schuld) sind natürlich überzeichnet und werden viel zu wenig hinterfragt.

War ich der einzige Österreicher, der bei allen WMs (Senioren, U20, U18) dabei war? Könnte, aber muss nicht sein – Teamchef Roger Bader etwa war in Kiev durch die Vorbereitung mit dem A-Team verhindert. Mein Fazit: Selbst in guten Jahrgängen (wie etwa 00 und 01) gibt es einige Spieler, denen es – im internationalen Vergleich – an Athletik, Hockey Sense oder (vor allem) an Puckskills mangelt. Diesen den roten Teppich für den Seniorenlevel auszurollen, wäre zu viel verlangt. Und dass zu wenige Österreicher in europäischen Qualitätsligen spielen oder sich dort halten, kann auch kaum der EBEL in die Schuhe geschoben werden.

Doch dem österreichischen Eishockey wäre schon geholfen, wenn die wenigen Spieler mit Qualität und dazugehöriger Einstellung – und seien sie im internationalen Vergleich auch nur Durchschnitt – nicht dauernd ums Überleben kämpfen müssten. So musste etwa Robert Lembacher mit 27 Jahren von einer WM gleich direkt in die Eishockeypension gehen – so was gibt es in der ganzen Welt nicht. Erik Kirchschläger macht Fehler, ja. Aber, dass ihm ein völlig unaustrainierter Legionär wie Sean O'Brien vorgezogen wird und Kirchschläger dann von Linz genug hatte, passt ins Bild. Und, dass Patrick Spannring – überschaubare Skills, aber selbst bei einer A-WM effektiv – ein Abgang aus Linz nahegelegt wurde, um am Punktwert des Teams feilen zu können – wie wollen das die EBEL-Funktionäre schönreden?

Probleme trotz Erfolges

Roger Baders Liste an Teamkandidaten umfasst etwa 55 Spieler – im internationalen Vergleich natürlich lächerlich und nur mit Slowenien zu vergleichen. Je mehr, desto besser, muss natürlich die Maxime sein, aber er braucht auch keine 150 bis 200 Cracks, so schön diese auch wären. Etwa 80 funktionstaugliche Spieler würden schon fürs Erste reichen und die wären auch leicht zu erreichen, wenn etwa fast alle 96er und 97er (zwei weitere gute Jahrgänge) Stammplätze hätten und nicht etwa – wie Kirchschläger, Gerd Kragl oder Dominic Hackl - in einer steten Reise-nach-Jerusalem-Spiel involviert wären. Umgekehrt muss man aber auch kritisch nachfragen, warum bei der ohnehin überschaubaren Spieleranzahl ein Crack wie Peter Schneider erst nach seiner Rückkehr nach Österreich aktenkundig wurde.

Eine Liga mit nur vier oder fünf Legionären wie vor längst vergangen Zeiten? Unvorstellbar und für mich auch nicht anzustreben. Aber wo es längere Zeit nach etwa neun bis zehn Legionären aussah und diese Zahl dann zart nach unten hätte korrigiert werden können, ging es in der Ära unter ÖEHV-Präsident Gernot Mittendorfer in die andere Richtung: Dornbirn und Innsbruck (je 13), Wien (11, dann 10), Villach (11) und nächste Saison Linz (11) erreichen Höchststände in ihrer Vereinsgeschichte. Die EBEL konterte dagegen mit einer anderen Statistik: Die Legionärszahlen seien sogar reduziert worden. Wie sie darauf kamen: Sie nahmen als Ausgangssaison jene mit den Tryout-Legionären, als etwa Graz Gastarbeiter im Wochenrhythmus holte. Nur unverfroren oder geht das schon in Richtung Urkundenfälschung?

Mittendorfer, der mit der Ersten Bank erst so manche Innovation und Investition der letzten Jahre möglich gemacht hatte, verzichtete bei Neu-Abschluss des Sponsorvertrags vor zwei Jahren darauf, Forderungen an die Liga zu knüpfen. Natürlich ein Fehler, aber er will sich halt partout bei den Vereinen keine Feinde machen, was aber das Aufgabengebiets eines Verbandspräsidenten naturgemäß mit sich bringt. Kein Wunder also, dass der heuer vorgebrachte Forderungskatalog des ÖEHV zum Kooperationsvertrag mit der Liga – ein ungleich schwächeres Druckmittel - zwar seine Unterschrift trug, diese aber von den Teams stolz abgeschmettert wurde. Der großspurig angekündigte, aber dilettantisch umgesetzte Österreicher-Topf, der wenigstens eine interessante Kompromisslösung gewesen wäre, passt da nur in dieses Bild der letzten Jahre…

Der Klassenerhalt des ÖEHV-Teams ist sicher ein Grund zur Freude, noch dazu, da dieser im zweiten Jahr eigentlich immer leichter zu erreichen ist als nach dem Aufstieg. Der nächstjährige Aufsteiger Großbritannien ist eigentlich das Team in der A-Gruppe, das am ehesten mit Österreich zu vergleichen ist: Eine zwar von Legionären bestimmte, aber durchaus aufstrebende und interessante Liga und ein Nationalteam, das, wenn alle Sterne stimmen, einen Coup landen kann. Als Basis für nachhaltige Erfolge taugt das aber weder hier noch dort, wozu man auf der Insel wenigstens auch steht…

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