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Graham Knott: Wie der Linzer Offensivstar die ICE verzaubert

Der 26-jährige Stürmer ist momentan der Topscorer der Liga. Dass Knott über den Sommer hinaus in Linz bleibt, ist unwahrscheinlich. Ein Scouting Report:

Graham Knott: Wie der Linzer Offensivstar die ICE verzaubert Foto: © BWL/Draxler

Die Black Wings Linz gewinnen am Sonntag in Wien mit 5:2, Graham Knott ist mit einem Tor und drei Assists der herausragende Mann.

Nur ein weiterer normaler Bürotag für den derzeitigen Leader der Scorerliste in der win2day ICE Hockey League. Elf Tore und acht Assists konnte der Kanadier bereits verbuchen.

LAOLA1-Experte Bernd Freimüller mit einem Scouting Report über den 26-jährigen Center, der auch schon letzte Saison ein Offensivleader für die Linzer war:

Knotts Überseekarriere

Knott wurde aus der OHL von Chicago in der zweiten Runde 2015 an 54. Stelle gedrafted Er war damit der Top-Pick für die Blackhawks, sie hatten keinen Erstrundenpick in diesem Draft.

Knott blieb die ganze Juniorenzeit in der OHL, wurde in seinem letzten Jahr von Niagara zu einem Playoff-Team (Windsor) getradet. Sein Entry-Level-Deal, den er bereits 2016 unterzeichnet hatte, begann damit 2017.

Knott spielte seine ersten beiden Pro-Saisonen beim Blackhawks-Farmteam in Rockford, allerdings mit sehr bescheidenem Offensiv-Output (22 Punkte in 126 Spielen). Die Saison 19/20 begann er dann auch in der ECHL, bevor er Part eines typischen Minor-League-Trades wurde: Die Pittsburgh Penguins tauschten ihn gegen den fünf Jahre älteren Joseph Cramarossa (heute in Frankfurt) ein, da sie zu viele Veterans unter Vertrag hatten.

Doch Knott hielt sich auch in Pittsburghs Farmteam Wilkes-Barre nicht lange, nach elf Spielen fand er sich bei den Wheeling Nailers in der ECHL wieder. Sein Entry-Level-Deal lief im darauffolgenden Sommer aus, ohne NHL-Vertrag hießen seine darauffolgenden ECHL-Stationen South Carolina und Greenville.

Die Saison 21/22 startete er wieder in der ECHL in Cincinnati, ehe er sich per Tryout wieder in die AHL nach Milwaukee hochhangelte. 13 Tore und 13 Assists in 61 Spielen waren eine durchaus respektable Ausbeute, die ihm sicher dabei halfen, in Linz unterkommen.

Er unterschrieb erst relativ spät - Anfang September 2022 - bei den Black Wings, die unbedingt noch Offensive brauchten. Nach einer kurzen Anlaufphase, in der er erst in Game Shape kommen musste, zeigte er seine Offensivfähigkeiten und legte in der heurigen Saison noch einmal gewaltig zu.

Knotts Scouting Reports aus Übersee

Knott wurde als Flügel gedrafted, obwohl er im kanadischen U18-Team (beendete sein Draftjahr bei der U18-WM) als Center zum Einsatz kam.

Der großgewachsene Forward wurde immer wieder als potentieller "Power Forward" gesehen - ein inflationärer Begriff, den er allerdings nie ausfüllen konnte. Er dürfte in dieser Rolle vor allem aufgrund seiner Größe vor dem Tor verwendet worden sein.

Sein Speed im "Straight Line Skating" wurde immer als Stärke gepriesen, ebenso wie sein Defensivverhalten. Unterschiedliche Ansichten gab es zu seinem offensiven Hockey Sense ("immer ein Schritt hinter dem Geschehen") und seiner Leistungskonstanz.

Sein Potential wurde eher als Checking Center denn als Offensivbringer gesehen - insgesamt kann ich aus den damaligen Reports den heutigen Spieler nicht herauslesen, vielleicht scheiterte er in Übersee auch an falschen Erwartungen.

Zu oft werden große Spieler (1,91 m/88 kg) wie er automatisch als Cracks für den Nahkampf gesehen, was zu Enttäuschungen führt, wenn diese diese Rolle nicht annehmen können oder wollen.

Stärken

"Ein guter Skater für einen großen Mann" ist ein Standard-Satz in Scouting Reports - bei Knott kann die Einschränkung "für einen großen Mann" gestrichen werden. Er verfügt über etwas, das man "Deceptive Speed" nennt.

Auch wenn sein Jersey nicht im Wind flattert und seine Beine wild herumschwingen, verfügt er über einen exzellenten Antritt, hat einen langen Stride und erreicht schnell seinen Top-Speed. Damit kann er den Gegner schnell unter Druck setzen und zu Puckverlusten zwingen.

Umgekehrt kann er mit der Scheibe das Mitteldrittel schnell überbrücken, auch in Wien hatte er einen für ihn typischen Rush über die rechte Seite, von der aus er auf Steen zuzog.

Auch in den Endzonen selbst kann er sich gut aus engen Lagen lösen, gegnerischen Checks (sowohl mit dem Körper und Stock) ausweichen und dadurch freies Eis finden, wo für andere Spieler keines entsteht. Auch wenn sein Eislaufen weniger spektakulär aussieht als bei kleineren Speedstern, gehört es zur Ligaspitze.

Knotts Offensive entsteht oft in einer Kombination von Beinarbeit und exzellenter Puckabdeckung - er deckt die Scheibe mit seinem Körper ab, zieht die Schulter hoch und bildet so eine Art Kokon. Für den Gegner ist es so ungemein schwer, den Puck wegzustochern und gegen Checks hilft Knott seine Körpergröße und Gewicht.

Knott im Nahkampf mit Andrew Desjardins
Foto: © GEPA

Seine Balanceprobleme, die ihm zu Juniorenzeiten (wie bei vielen großen Spielern) nachgesagt wurden, sind verschwunden, er steht sehr gut auf den Eisen. Außerdem scheint er nicht viel Energie in sein Skating verschwenden zu müssen, ermüdet daher nicht vorzeitig und verträgt viel Eiszeit.

Ein großer, beweglicher Spieler mit guter Puckabdeckung ist schon einmal ein Paket, das in der ICE große Vorteile hat. Doch natürlich braucht es auch gute Hände und Hockey Sense, um regelmäßig für Punkte zu sorgen und bei beidem erzielt der Center (spielte in Linz nie am Flügel) hohe Werte.

Knott kann sowohl selbst scoren als auch seine Nebenleute (Shawn St-Amant und Emilio Romig) in Szene setzen. Das Spiel in Wien zeigte seine Playmaker-Qualitäten sehr gut: Beim ersten Tor - eigentlich war er für einen Wechsel bereit - schnappte er sich nach einem Turnover die Scheibe, skatete übers ganze Eis, ließ Nationalteam-Defender Nico Brunner stehen, ehe er mit einem Behind-the-Back-Pass Romig perfekt managte.

Weniger spektakulär, aber ein Beispiel für Knotts schneller Auffassungsgabe: Vor dem dritten Tor holte er eine Scheibe mit der Hand aus der Luft herunter, trug sie wieder übers Mitteldrittel, zwei Pässe später traf St-Amant. Ohne schnelle Auffassungsgabe und der Fähigkeit, mit der Scheibe schnell hohes Tempo aufzunehmen, entsteht eine solche Szene gar nicht.

Der 26-Jährige verarbeitet das Spiel überhaupt ausgezeichnet - er ist stets bereit, Pässe aufzunehmen, kann diese auch mit der Backhand sehr gut verarbeiten. Wo einige Kollegen mit der Schlägerrückseite wie mit einem Billard Queue hantieren, verlangsamt ihn das nicht.

Auch ausgezeichnet und sicher im Ligaspitzenfeld: Die Puckkontrolle mit den Schlittschuhen, er kickt von dort in Windeseile die Scheibe aufs Schlägerblatt und zurück. Im Cycling Game behauptet Knott die Scheibe sehr gut, kann sie dort schnell und eben in allen Lagen weiterspielen.

Ab und zu kommt in ihm ein bisschen ein Show Performer durch, wo er - wie in einer Szene in Wien - die Scheibe sehr lange hält und ein Zusatzschläufchen einlegt. Aber grundsätzlich ist Knott kein "Showoff", ein bisschen Freiheiten muss man einem Künstler wie ihm einräumen. Seine Nebenleute profitieren auf jeden Fall von seiner Kreativität, seine derzeitige Cy-Young-Statistik (mit elf Toren und nur acht Assists) wird sich auch noch ändern.

Knott ist in der ICE sowohl ein Vorbereiter als auch ein Torschütze - er verfügt über einen ansatzlosen und schnellen Handgelenksschuss. Vor allem bei Breakaways verfügt er über eine Vielzahl an Finten, findet auch kleine Lücken bei den Goalies. Er ist kein "Volume Shooter", sucht also nicht den Abschluss um jeden Preis.

Im Powerplay spielt er heuer auf der rechten Halfwall (in der letzten Saison auch links), von wo er als Linksschütze One-Timer nehmen könnte. Das passiert aber eher selten, er sucht eher Optionen für den Pass oder verzögert seinen Schuss, in den er sich gut lehnt, Torhüter auch durchaus bei freier Sicht bezwingen kann. Er trifft öfters mit flachen oder halbhohen Schüssen, was ihm in einer Liga mit besseren Goalies vielleicht seltener gelingen würde.  

Sein Hockey Sense kommt ihm vor allem beim Positionsspiel zugute, vor allem defensiv. Coach Phil Lukas schickt gerne seine Tiefenspieler im PK aufs Eis, Knott und St-Amant sind aber als Unterzahlpärchen gesetzt. Knott sieht Spielzüge voraus, positioniert sich meist gut und nimmt mit seiner Reichweite einige Passwege weg, wodurch er gar nicht erst als großer Shotblocker in Erscheinung treten muss.

Überhaupt verwaltet Knott die Mitte des Eises sehr gut, nimmt nur sehr selten unnötige Wege auf sich. Dadurch kommt er nur auf wenige Shifts, in denen er kein Faktor oder nicht in der Nähe der Scheibe ist.

Auch wichtig: Er ist bei fliegenden Wechseln sofort bereit, andrerseits dehnt er seine Shifts nicht unnötig aus, wie es manche Offensivspieler (Ben Gratton war hier das beste Beispiel) gerne tun. Knott erschnüffelt Turnovers bzw. gute Chancen für Transition, kann so opportunistisch agieren, ist aber gleichzeitig ein Teamplayer, der in einem engen Konzept spielen kann. Linz muss sich seine Tore oft hart erarbeiten, ein Spieler, dem die Offensive leichter von der Hand geht, tut ihnen gut.

Schwächen

Trotz seiner kräftigen Statur ist Knott kein physischer oder gar einschüchternder Spieler - aktive Checks kommen eher selten, ab und zu kann er dich damit aber sehr wohl überraschen. Grundsätzlich geht er mit dem Stock und nicht dem Körper voran in Zweikämpfe, was für ihn aber meist funktioniert.

Gleichzeitig kann ich mir vorstellen, dass dieser Aspekt seines Spiels - von einem potentiellen Power Forward zu einem eher spielenden Stürmer ohne große Produktion oder Physis - in der AHL sein Problem war. Ab und zu nimmt er noch seine Rolle als Netfront-Player ein und ist von dort auch schwer wegzubewegen, besser agiert er aber in freien Räumen als Vorbereiter und nicht als Rammbock.

"Es würde mich sehr überraschen, wenn Knott Linz oder der ICE über den Sommer hinaus erhalten bliebe, außer er hat sich in Linz verliebt."

Bernd Freimüller

Knott kann ab und an kann etwas lässig agieren - "La-di-da" würde ich da in einem englischen Scouting Report festhalten. Nochmals: Da geht es nicht um seine ICE-Fähigkeiten, sondern um seine Eignung für bessere Ligen. Diese (wenigen) Momente ließen mich im letzten Sommer von einer Empfehlung für ausländische Teams absehen, das würde ich heute aber nicht mehr so machen.

Faceoffs sind auch etwas, wo sich Knott verbessern könnte, er scheint an sie eher in der Hoffnung auf ein Remis heranzugehen. Verständlich, dass Collins im ersten PP-Unit diese Aufgabe übernimmt. Sonst bestreitet Knott aber alle Einwürfe, wenn er auf dem Eis steht. Die mit Vorsicht zu genießende ICe-Statistik weist ihn heuer mit 52 % gewonnener Faceoffs auf.

Seine Zukunft

Es würde mich sehr überraschen, wenn Knott Linz oder der ICE über den Sommer hinaus erhalten bliebe, außer er hat sich in Linz verliebt. Seine Stärken überwiegen für mich die Schwächen bei weitem und fast jedes Team sucht große Center mit guter Reichweite, die konstant Offensive abliefern.

Knott gehörte schon letzte Saison zu den besten Offensivspielern der Liga, hat heuer noch einmal draufgelegt, verfügt über die Hände und Beine eines kleinen Spielers in einem großen Körper. Ihm zuzusehen macht Spaß (dem Gegner vielleicht nicht unbedingt), zu den Ligaattraktionen gehört er definitiv…


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