news

Wie Dominic Thiem seinen Teufelskreis durchbrechen kann

Drei Punkte fehlten in Wimbledon zum erhofften Befreiungsschlag. Thiem muss sein Glück jetzt erzwingen.

Wie Dominic Thiem seinen Teufelskreis durchbrechen kann Foto: © getty

Selbst der siegreiche Gegner Stefanos Tsitsipas fühlte in Wimbledon nach seinem verwandelten Matchball im Erstrunden-Kracher beim Shakehands sichtlich mit Verlierer Dominic Thiem mit. 

Fast vier Stunden lang forderte der Niederösterreicher im All England Club der aktuellen Nummer fünf der Welt alles ab. Nach fünf hartumkämpften Sätzen fehlten dem ÖTV-Ass am Ende drei Punkte auf den heißersehnten Sieg - 8:10 im Match-Tiebreak lautete das bittere Ergebnis.

Es wäre der erste Sieg auf Rasen für Thiem seit über fünf Jahren gewesen. Und der erste Sieg über einen aktuellen Top-10-Spieler seit seinem Comeback im Vorjahr.

Die Suche nach den "dreckigen Siegen"

Und noch viel wichtiger: Es wäre wohl einer dieser "dreckigen Siege" gewesen, von denen unter anderem ÖTV-Sportdirektor Jürgen Melzer immer wieder spricht, wenn es darum geht, was Thiem noch fehlen würde, um wieder zurück zu alter Stärke zu finden.

Denn eines hat der ehemalige Weltranglisten-Dritte in Wimbledon auf jeden Fall bewiesen: Das Tennisspielen hat er während seiner langwierigen Verletzungspause nicht verlernt. "Dominic ist jemand, der immer das Beste aus mir herausholt. Das war auch heute so", hatte Tsitsipas nur lobende Worte für seinen Beinahe-Bezwinger übrig.

"Teilweise war es richtig frustrierend für mich. Aber so ist Tennis nun mal. Wir haben eine tolle Show hingelegt. Dominic ist ein harter Wettkämpfer. Ich wünsche ihm nur das Beste für die Zukunft."

Das Feuer lodert wieder

Schöne Worte, die Thiem sicherlich freuen werden, am (sieglosen) Ende aber mit Sicherheit nur ein schwacher Trost sind. Doch die emotionale und mitreißende Partie gegen Tsitsipas bewies auch, dass der Lichtenwörther sein inneres Feuer wieder zum Lodern brachte. Jenes Feuer, das bei Thiem - wie er vor einigen Monaten selbst zugab - nach seinem US-Open-Triumph im Jahr 2020 erlosch.

Dass er die Glut wieder entfachen konnte, zeigen auch die Personalentscheidungen der letzten Monate.

Sowohl die Trennung von Coach Nicolas Massu als auch das Engagement des international respektierten Tennis-Fachmanns Benjamin Ebrahimzadeh, der unter anderem mit der Weltklassespielerin Angelique Kerber zusammenarbeitete, deuten darauf hin, dass es Thiem noch einmal wissen will.

Kein Spieler würde noch viel Geld in sein Betreuerteam investieren, wenn er gedanklich bereits mit seiner aktiven Karriere abgeschlossen hätte.

Wo sich die Katze in den Schwanz beißt

Zumindest Thiem selbst ist also davon überzeugt, dass er es noch einmal nach vorne schaffen kann. Ob es die Top 20, die Top 10 oder gar noch einmal die Top 5 werden können, ist angesichts der hohen Dichte und Fluktuation schwierig vorherzusagen, das Potential dazu hat Thiem aber in jedem Fall noch.

Wie bereits am Mittwoch gegen Tsitsipas zu sehen, machen im Spitzentennis nun mal wenige Punkte und damit Kleinigkeiten den Unterschied aus. Eine Mini-Portion Selbstvertrauen kann die spielerische Konstanz , die am Ende einer solchen Partie über Sieg und Niederlage entscheidet, maßgeblich beeinflussen.

Womit sich die Katze freilich auch ein bisschen in den eigenen Schwanz beißt. Um den Sieg zu holen, brauche ich die breite Brust, die ich nur mit vorangegangenen Siegen bilden kann. Ein für Tennis-Profis bekannter Teufelskreis, den es im Laufe einer Karriere immer wieder neu zu durchbrechen gilt.

Mit harter Arbeit die Wende erzwingen

Dafür schwitzt Thiem täglich stundenlang auf dem Traininingsplatz. Der Lichtenwörther will und muss sein Glück erzwingen. Diese zwei, drei "dreckigen Siege", die ihn wieder zurück in die Spur bringen sollen und hoffentlich auch werden. 

Einen Vorteil hat der Lichtenwörther auf seiner Seite: Im Laufe seiner Karriere war er es gewohnt, dass ihm nichts in den Schoß fiel. Auch seinen Grand-Slam-Titel bei den US Open hat er nach drei vorangegangenen Final-Einzügen bei Majors gewissermaßen erzwungen. Er schoss nie raketenartig in die Weltklasse, sondern erarbeitete sich diesen Status Schritt für Schritt. Von diesen Erfahrungen kann Thiem auch in der aktuellen Situation zehren.

"Wenn er die Arbeit wieder reinsteckt, ist er ein zu guter Tennisspieler, als dass er nicht wieder raufkommen würde", sei hier erneut Jürgen Melzer als einer von vielen Experten zitiert, die davon überzeugt sind, dass es für Thiem bei einem Beibehalten des aktuellen Trainingseifers wieder nach oben gehen wird.

Wichtig ist nur, dass er seinen Weg mit dem selben Einsatz und Willen weitergeht. Und zumindest dafür sollte die Partie gegen Tsitsipas Ansporn genug gewesen sein. "Dieses Spiel hat mir gezeigt, dass ich es noch immer mit den großen Burschen aufnehmen kann. Es hat mir gezeigt, dass ich noch da bin", meinte Thiem dementsprechend auch selbst nach der knappen Niederlage.

Kommende Woche spielt Thiem in Salzburg

Er selbst sei dementsprechend schon mehr als motiviert für die bevorstehenden Aufgaben. Und auch die heimischen Tennis-Fans sollten nach diesem Wimbledon-Auftritt wohl wieder auf den Geschmack gekommen sein.

In der kommenden Woche wird Thiem übrigens nicht beim Challenger-Turnier in Salzburg zu sehen sein. Der Niederösterreicher muss krankheitsbedingt absagen.

Kommentare