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Das Tennis und die liebe Familie

Die Familie hat im Tennis einen hohen Stellenwert. Das hat auch seine Schattenseiten. Doch ohne wird es nicht gehen.

Das Tennis und die liebe Familie Foto: © getty

Wie wird man ein erfolgreicher Tennis-Profi? Dieser Frage stellen sich jedes Jahr Tausende talentierte Spieler und Spielerinnen auf der ganzen Welt.

Eine einfache Antwort auf diese Frage gibt es allerdings nicht.

Man kann alles Geld der Welt haben, die besten Anlagen, die besten Trainer, das meiste Talent und trotzdem gibt es keine Garantie, dass man es auf die Profitour schafft, geschweige denn an die Spitze des Sports.

Tennis-Karriere nur mit Unterstützung der Eltern möglich

Eine extrem wichtige Rolle in der Entwicklung spielen in jedem Fall die Eltern bzw. die eigene Familie des Athleten.

Ohne der Unterstützung aus dem eigenen Haus, ist es im Tennis wahrscheinlich unmöglich, den Sprung ins Profi-Tennis zu schaffen. 

Sowohl in organisatorischen als auch in finanziellen Belangen sind die Familien der Spieler bereits ab dem Kindes-Alter stark gefordert. Hinzu kommt die nötige moralische Unterstützung.

Viele Spieler sind in Tennis-Familien aufgewachsen

Dementsprechend häufig kommt es vor, dass es im Tennis sehr viele Spieler gibt, die quasi in diesen Sport hineingeboren worden sind. So waren beispielsweise Elternteile von Alex Zverev, Stefanos Tsitsipas, Casper Ruud, Taylor Fritz, Denis Shapovalov oder Hubert Hurkacz bereits erfolgreiche Profis.

Besonders bemerkenswert ist die Vita der Eltern von Sebastian Korda: Papa Petr Korda gewann 1998 die Australian Open und war Nummer zwei der Welt, Mama Regina schaffte es im WTA-Ranking bis auf Position 26.

Hinzu kommen noch mehr Spieler, deren Eltern zwar keine Profis, aber zumindest Tennis-Trainer waren bzw. sind. Neben unserem Dominic Thiem wären das beispielsweise Akteure wie Rafael Nadal, Andrey Rublev, Grigor Dimitrov, David Goffin oder Felix Auger-Aliassime.

Körperlicher und mentaler Missbrauch

Der Einfluss der Eltern auf ihre Kinder ist im Tennis dementsprechend riesig. Spätestens seit Spiderman wissen wir allerdings auch: Aus großer Macht folgt große Verantwortung. Dementsprechend wichtig und schwierig ist es dann in der Praxis oft, die richtige Balance zu finden.

Der Spagat zwischen Mentor, Trainer und unbezahltem Taxifahrer sorgt für Stress und Spannungen. Vor allem auf der WTA-Tour kam es in der Vergangenheit immer wieder zu verurteilenswerten Aktionen von Elternteilen von sogar sehr prominenten Spielerinnen.

Die berühmtesten Tennis-Familien aller Zeiten

Als Beispiel sei hier der mittlerweile verstorbene Vater von Mary Pierce, Jim Pierce, genannt. Die zweifache Grand-Slam-Siegerin erzählte von Ohrfeigen nach Niederlagen oder schlechten Trainingseinheiten. Schon bei Junioren-Turnieren schrie der gewalttätige Vater seiner Tochter "Mary, kill the bitch" auf den Platz.

Damir Dokic war bei den Turnierveranstaltern gefürchtet
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Der Vater von Jelena Dokic, Damir Dokic, wurde seinerzeit sogar wegen seines aggressiven Verhaltens auf der Tour gesperrt. Jelena, ehemalige Nummer sechs der Welt und zu Beginn dieses Jahrtausends eines der größten Talente weltweit, sprach nach ihrer Karriere offen über die Misshandlungen ihres Vaters und führt seitdem regelmäßig öffentliche Diskussionen über körperlichen und mentalen Missbrauch.

Judy Murray als Vorzeige-Mama

Kein Wunder, dass aufgrund solcher Erfahrungen der hohe Stellenwert der Eltern in der Tennis-Karriere ihrer Kinder oft auch kritisch hinterfragt wird und polarisiert. In einer Umfrage des US-Tennisverbands vor einigen Jahren unter 132 verschiedenen Coaches von Junioren-Spielern waren 59 Prozent der Ansicht, dass Eltern einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Spieler haben, 36 Prozent sahen überwiegend negative Auswirkungen in einem zu starken elterlichen Engagement.

Zu den positiven Verhaltensweisen der Eltern gehörten laut Coaches die logistische, finanzielle und emotionale Unterstützung. Als negative Verhaltensweisen wurden die Überbetonung des Gewinnens, unrealistische Erwartungen und Kritik am Kind angegeben.

Als Vorzeige-Beispiel der Tennis-Mama gilt Judy Murray, die ihre Söhne Andy und Jamie zur Nummer 1 der Weltrangliste im Einzel bzw. im Doppel verhalf. Auch die Schottin war selbst eine starke Spielerin, ehe sie sich auf ihre Trainer-Karriere konzentrierte.

Bartoli sah Unwissenheit als Vorteil

Doch es gibt auch einige Beispiele, bei denen die Eltern keinen sportlichen Background hatten. Marion Bartoli, die French-Open-Siegerin von 2013, stammt nicht aus einer Tennisfamilie. Ihre Mutter, Sophie, war Krankenschwester und ihr Vater, Walter, war Arzt. Bartoli und ihr Vater hatten wenig Erfahrung, aber Bartoli glaubt, dass es ihr geholfen hat, keine "Tenniseltern" zu haben.

"Wenn ich zurückblicke, war es verrückt, dass niemand in meinem Team, das im Wesentlichen aus meinem Vater und mir bestand, so etwas vorher gemacht hatte", wird sie in einem Guardian-Artikel zitiert. "Da uns wahrscheinlich das Wissen fehlte, gab es auch weniger Hindernisse. Wenn man zu viel Wissen hat, denkt man fast, na ja, realistisch betrachtet, wird es einfach nicht funktionieren."

"Wenn mein Vater mehr Ahnung vom Tennis hätte oder selbst Tennistrainer wäre, hätte er mir wahrscheinlich gesagt, dass es einfach nicht geht. Und vielleicht hätten wir es gar nicht erst probiert. Ich denke also, das war definitiv meine Stärke. Ich hatte das Gefühl, dass man mit Arbeit alles schaffen kann", so Bartoli.

Jessica Pegula glaubt, dass Eltern mit Tennis-Erfahrung mehr Verständnis haben
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"Das Schöne daran, sich ins Ungewisse zu stürzen, ohne einen Tennishintergrund zu haben, ist, dass man sich selbst keine Beschränkungen auferlegt, während ich vielleicht, wenn ich all das Wissen hätte, sagen würde, dass es absolut keine Chance gibt, dass du das schaffst. Dadurch, dass wir ein bisschen offener und aufgeschlossener waren, hatten wir auch ein bisschen Verrücktheit, aber auch den Wunsch, einfach weiterzumachen, bis zum Ende."

Pegula hätte sich mehr Verständnis gewünscht

Die ehemalige Weltranglisten-Dritte Jessica Pegula hätte sich hingegen oft gewünscht, dass ihre Eltern mehr mit dem Tennis zu tun gehabt hätten. Vater Terry und Mutter Kim kommen zwar aus der Wirtschaft, sind aber immerhin auch im Sport aktiv – der Familie gehört das NFL-Team Buffalo Bills.

Mit Tennis hätten sie laut Tochter Jessica aber kaum Erfahrungswerte. Deshalb sei es auch immer wieder zu Streitigkeiten zwischen ihr und ihrem Vater gekommen. "Ich glaube, dass es hilfreich wäre, wenn sie Spieler wären, weil sie wissen, was man durchmacht. Es gibt Leute, die ich kenne, deren Töchter jünger sind und Tennis spielen und die ausflippen. Ich sage dann immer: Entspann dich, sie ist 12, sie ist gut, sie wird das schon schaffen. Vielleicht würde diese Mentalität helfen, solange sie nicht zu viel Druck auf die Person ausüben."

Am Ende des Tages bleibt es eine individuelle Gratwanderung, wie stark die Familie auf den Tennis-Nachwuchs Einfluss haben muss, soll oder darf. Österreichs Erfolgs-Coach Günter Bresnik meinte kürzlich in seiner Kolumne bei den "Salzburger Nachrichten": "Ich halte die Familie für das Wichtigste im Leben eines jeden Menschen - und zwar grundsätzlich für so wichtig, dass man Berufliches und Familiäres trennen sollte."

Ganz nach dem Motto: Es geht nicht mit, aber es geht auch nicht ohne.

Die vielen Schützlinge des Günter Bresnik

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