Das hochklassige Frauenfinale in Roland Garros ist am Samstag in Paris der Höhepunkt gewesen.
Doch aus österreichischer Sicht gab es ein für die Zukunft des rot-weiß-roten Tennis weit wichtigeres Ereignis: Die 17-jährige Lilli Tagger hat als erste Österreicherin ein Nachwuchs-Grand-Slam-Turnier gewonnen - und das mit einer Machtdemonstration >>>
Bei den Junioren war das nur Jürgen Melzer gelungen (Wimbledon 1999). Die Osttirolerin hat mit diesem Triumph ohne Satzverlust die Tür zur Profikarriere weit aufgestoßen.
Melzer: "Sie ist eine komplette Tennisspielerin"
Dementsprechend herrschte auch in der heimischen Tenniswelt Jubel. "Ich traue der Lilli in den nächsten Jahren einiges zu. Sie ist eine komplette Tennisspielerin, sie spielt auch ein bisschen anders als viele andere Mädchen. Das hebt sie hervor. Auf Englisch würde man sagen: the sky is the limit", verlautete ÖTV-Sportdirektor Jürgen Melzer über die Lienzerin.
Melzer kennt aus eigener Erfahrung die Auswirkungen eines solchen Nachwuchstitels auf so großer Bühne.
"Bei mir ist das doch schon ein paar Jahre her. Es war für mich das Sprungbrett in die Öffentlichkeit. Das hat natürlich Druck entstehen lassen, auch weil Tom (Thomas Muster, Anm.) in dem Jahr aufgehört hat", erinnert sich der Niederösterreicher. "Du wirst dann als Nachfolgehoffnung gehandelt, das war schwierig."
Trainer lobt stark verbesserten Aufschlag
Doch Tagger wird dieser Erfolg nicht zu Kopf steigen, zu fokussiert und bodenständig wirkt die Osttirolerin. Zudem scheint ihr Umfeld perfekt für sie. In der Akademie der ehemaligen Weltranglisten-Vierten und Ex-French-Open-Siegerin Francesca Schiavone in Varese, wo auch Co-Trainer Lorenzo Frigerio mit ihr arbeitet.
"Sie hat ihren Aufschlag in den letzten Monaten definitiv sehr verbessert. Ich würde sagen, dass er bei diesem Turnier den Unterschied ausgemacht hat", glaubt Frigerio.
Auch er weiß, dass der Roland-Garros-Titel ein wichtiger Schritt in ihrer Karriere und vor allem in Richtung Erwachsenentennis war.
Junioren-Titel öffnet viele Türen
"Aufgrund ihres Alters kann sie nur an einer begrenzten Anzahl von WTA-Turnieren teilnehmen. Mit diesem Finale haben wir diese Anzahl erhöht. Daher wird sie sich die zweite Saisonhälfte ganz auf die WTA-Turniere konzentrieren, um in der Rangliste weiter aufzusteigen."
Frigerio hofft auf eine weitere Verbesserung und ist zuversichtlich. "Wir hoffen, dass sie nächstes Jahr hier am Major-Turnier teilnehmen kann", sagt der 36-jährige Ex-Profi.
"Der Weg ist sicherlich noch lang und es gibt viel zu tun. Ab Montag werden wir wieder an die Arbeit gehen." Tagger spricht mittlerweile sehr gut Italienisch, womit sie auch schon die kleinen, sprachenspezifischen Nuancen in den Anweisungen und Tipps mitbekommt, erzählt Frigerio.
Tagger wird Sinner im Finale zusehen
Tagger blieb übrigens am Sonntag noch in Paris. "Wir werden in der Früh frühstücken, mit dem Rad eine Runde in Paris fahren und dann dem Jannik zuschauen", verriet sie auf ServusTV.
Damit meinte sie freilich Jannik Sinner im Männer-Finale, mit dem sie nicht nur den Manager Alex Vittur teilt, sondern von dem sie sich vor allem im mentalen Bereich viel abschauen will.
TV-Expertin Barbara Schett-Eagle, die als ehemalige Nummer 7 der Welt weiß, wovon sie spricht, ist voll des Lobes für Tagger. "Es ist irrsinnig schwierig, einen Junioren-Grand-Slam-Titel zu gewinnen. Es stehen ihr jetzt noch mehr Türen offen, sie wird einige Wildcards bekommen. Natürlich werden Sponsoren anklopfen."
Schett von Taggers "Waffen" beeindruckt
Nun folgt der schwierige Übergang vom Juniorinnentennis auf die WTA-Tour. Die Art und Weise wie sich Tagger auf dem Platz zeigt, gefällt Schett-Eagle.
"Am meisten beeindruckt mich ihre Platzpräsenz. Ihr Spielstil ist ein absoluter Traum, sie hat eine heavy Vorhand mit sehr viel Spin, sehr viel Länge, die (einhändige, Anm.) Rückhand ist solide und beim Aufschlag kriegt sie viele freie Punkte durch ihre Größe."
Die mittlerweile 1,85 m große Tagger ist recht schnell gewachsen in den vergangenen Jahren. Genauso wie ihr Bekanntheitsgrad nach diesem Wochenende.