LAOLA1: Wie hat sich das Turnier deiner Meinung nach entwickelt? Es wirkt ja jedes Jahr ein Stück größer und professioneller.
Muster: Es ist alles professioneller geworden und auch sehr viel digitalisiert. Das fängt beim Kartenverkauf an und zieht sich durch das ganze Turnier. Das ist sowohl für die Zuschauer als auch für die Spieler positiv. Eine Generation vor mir war noch froh, dass sie ein Licht bekommen haben. Das war ja früher eine richtige Dunkelkammer. Das Tennis steht immer noch im Mittelpunkt. Man muss aber auch ein Erlebnis bieten und das ist es auf jeden Fall.
LAOLA1: Heuer fand auch erstmals ein Rollstuhl-Turnier statt. Wie findest du das?
Muster: Das ist auch eine Innovation in Verbindung mit der Marx-Halle. Es ist dort alles barrierefrei. Dinge, die für uns selbstverständlich sind, sind für diese Menschen Hindernisse. Inklusion ist ein großes Thema. Der Behindertensport muss bei uns in der Gesellschaft besser ankommen. Da muss jeder Mensch bei sich anfangen. Ich hab Rollstuhl-Tennis am Anfang auch nicht als richtiges Tennis empfunden, da muss man sich aber einmal die Leistung und die Energie anschauen, die diese Athleten liefern. Die haben sich große Anerkennung verdient. Das sind Sportler durch und durch. Und vor allem sind es auch Menschen wie du und ich.
LAOLA1: Wer hat dich in der Stadthallen-Woche am meisten beeindruckt oder überrascht?
Muster: Jannik Sinner ist sicherlich hervorzuheben. Obwohl das Starterfeld in Wien so stark ist, hebt er sich noch einmal um ein paar Prozent ab. Die große Kunst ist es, Tag für Tag abzuliefern. Und Sinner gewinnt sogar noch, wenn er mal einen etwas schlechteren Tag erwischt. Er kann dann immer noch mal ein bisschen zulegen. Das ist ein absoluter Leckerbissen, wenn man ihm zuschaut. Ich bin schon seit vielen Jahren ein Fan von ihm und ich bin froh, dass er uns in der Stadthalle die Ehre gibt. Das ist für einen Spieler seines Formats nicht selbstverständlich und hat auch mit seiner langjährigen Freundschaft mit Turnierdirektor Herwig Straka zu tun.
Bei den Frauen haben wir mit Lilli Tagger eine große Hoffnung. Es ist aber bislang nur eine Hoffnung. Ich bin kein Fan davon, Spieler vorschnell groß zu machen, weil es dann enttäuschend ist, wenn es nicht so läuft.
LAOLA1: Wie siehst du das österreichische Tennis aktuell? Wo stehen wir deiner Meinung nach?
Muster: Sebastian Ofner hat ein super Comeback hingelegt, ist jetzt leider wieder verletzt. Wir haben im Davis Cup den Einzug unter die letzten acht Nationen geschafft. Das ist ein Meilenstein, den wir schon länger nicht mehr erreicht haben. Ansonsten ist es, was es ist. Es spielt sich zwischen Platz 70 und 100 bei unseren Spielern ab, heuer aber doch mit steigender Tendenz. Ich glaube schon, dass es hier Potenzial nach oben gibt. Die Spieler sind noch jung genug. Bei den Frauen haben wir mit Lilli Tagger eine große Hoffnung. Es ist aber bislang nur eine Hoffnung. Ich bin kein Fan davon, Spieler vorschnell groß zu machen, weil es dann enttäuschend ist, wenn es nicht so läuft. Bei Schwärzler wurde das vielleicht ein bisschen zu früh gemacht. Da muss man auch erst einmal abwarten. Das Potenzial ist da, die Luft ist da oben aber sehr dünn und es braucht auch ein bisschen Glück, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Es ist aber, wie es ist. Dominic Thiem spielt nicht mehr und den absoluten Superstar haben wir derzeit eben nicht.
LAOLA1: Was brauchen junge Spieler in Österreich, um wirklich international durchzustarten?
Muster: Diese Frage stellt sich seit Jahrzehnten. Was kann man besser machen? Wir sind im Tennis kein Skiverband, der die Jungen ausbildet und über die FIS-Rennen bis zum Weltcup begleitet. Die Tennis-Spieler werden durch Eigen-Initiativen und Verbände ausgebildet. Da kristallisieren sich Talente heraus, die mit 13, 14, 15 Jahren ihren eigenen Weg suchen und dann meistens ins Ausland gehen. Und das ist meistens richtig, weil es dort bessere Trainingsbedingungen gibt, weil man beispielsweise dort das ganze Jahr im Freien trainieren kann und andere Einflüsse durch Trainer hat. Das All-In-Paket wie beim Skiverband gibt es beim Tennis nicht. Der Tennis-Spieler kann auch nur im Davis Cup oder Billie Jean King Cup etwas zurückgeben. Im Tennis hast du ganz viel Arbeit und einen hohen finanziellen Einsatz in den frühen Jahren der Kindheit und im Jugendbereich. Die Begleitung bis zum Top-10-Spieler gibt es von Verbandsseite nicht. Der Verband gibt viel, kriegt aber wenig zurück. Wenn die Spieler gut werden, bist du dann trotzdem nicht in der ersten Reihe der Loge. Das ist schon auch eine schwierige Seite für den Verband. Du kriegst vielleicht Lobeshymnen, dass der Verband gut gearbeitet hatm wenn es geklappt hat. Aber es ist keine Win-Win-Situation für den Verband wie beim ÖSV.
Muster würde sich eine Modernisierung der Südstadt wünschen
LAOLA1: Was würdest du bei der Nachwuchsarbeit gerne ändern?
Muster: Ich würde bei der Trainerausbildung und bei der Infrastruktur ansetzen. Ich will nicht immer die Südstadt kritisieren, aber die ist mittlerweile einfach uralt. Als Stützpunkt ist sie nicht mehr so geeignet, wie das einmal der Fall war. Sie gehört modernisiert. Es gibt aber neun Landesverbände, die da auch mitzureden haben. Jeder will für sich ein Trainingszentrum haben. Das spielt es aber natürlich nicht. Das Zentralisieren hat man auch schon öfter ausprobiert. Es ist verständlich, dass viele 13-14-Jährige nicht unbedingt in ein Internat gehen wollen. Da müssen alle Umstände passen. Auch die Eltern müssen bereit sein, ihr Kind nach Wien oder Niederösterreich in die Schule zu schicken. Natürlich ist es denen lieber, wenn der Trainingsstützpunkt näher liegt. Das geht aber nicht immer. Es ist eine schwierige Situation, in der jeder ein bisschen Risiko nehmen müsste. Da gibt es einfach kein super Konzept. Das ist leider so.
LAOLA1: Künftig wird es ab dem Jahr 2028 in Saudi-Arabien ein zehntes 1000er-Turnier geben. Da kleinere 250er-Turniere gestrichen werden, soll dies den Kalender entlasten. Wie bewertest du diese Entscheidung?
Muster: Dieses Thema hatten wir früher auch in der Stadthalle, weil wir wussten, dass irgendwann einmal 250er-Turniere wegfallen und Challenger attraktiver werden könnten. Aber es ist dann eben nur ein Challenger und nach vorne raus wird es mehr Große geben. Geld regiert die Welt. Saudi-Arabien ist ein guter Markt, weil sich die für Fußball, Tennis, Golf und alle möglichen Dinge interessieren. Natürlich kann man sagen, dass sich die den Sport kaufen. Aber das Gleiche kann man über Dubai sagen. Wie man dazu politisch steht, ist eine andere Sache. Ich sage: Lassen wir das Politische weg, Sport soll unpolitisch bleiben. Wenn sich Jannik Sinner dort sechs Millionen Dollar abholt, ist das auch okay. Es ist ein freier Markt. Es würde wahrscheinlich keiner "nein" sagen zu so einem Angebot. Das ist menschlich. Es hat sich nun auch angeboten, dass man ein zehntes Turnier hineinlässt. In welchem Teil der Saison es angesiedelt wird, ist noch nicht bekannt. Aber es ist durchaus legitim. Alles wird noch näher zusammenrücken und noch eine Spur professioneller werden. Das ist der Lauf der Zeit.
Wenn die Leute nur mehr aalglatte Typen sehen, die wie von der KI produziert auf dem Platz agieren, dann tut das dem Sport nicht gut.
LAOLA1: Viele fordern, dass sich die Beläge wieder mehr unterscheiden sollen. Siehst du das ähnlich? Dir wären die heutigen Bedingungen ja wahrscheinlich stark entgegengekommen, oder?
Muster: Unbedingt. Damals war das ein Gamble, weil die Bedingungen so unterschiedlich und die Bälle schneller waren. Das würde mir heute besser gefallen, weil es schon sehr einheitlich ist. Ich sage schon seit einem Jahrzehnt, dass die Bälle wieder schneller gemacht werden sollten und wieder mehr Leben bekommen, damit sie nicht so tot sind. Die Platzbedingungen finde ich relativ fair. Wenn man die Plätze gleich lässt und Bälle ein bisschen angleicht, ein bisschen mehr Druck reingibt und den Filz ein bisschen verändert, dann lässt das auch wieder mehr Spielmöglichkeiten zu. Das braucht es auch aufgrund der Länge der Spiele. Die Spieler müssen eine unglaubliche Kraft in ihren Matches aufwenden. Die vielen Verletzungen kommen ja nicht von irgendwoher. Man soll für einen guten Schlag auch belohnt werden. Wenn ich drei, vier Mal einen Winner spielen muss, weil der Ball immer wieder zurückkommt oder ich auch kein Aufschlag-Volley mehr spielen kann, dann passt die Geschwindigkeit nicht ganz. Da gibt es Aufholbedarf. Wer schon länger zuschaut, weiß, dass es schon länger notwendig ist. Die Spieler haben auch den Anstoß gegeben, das umzusetzen. Das wäre keine schlechte Idee.
LAOLA1: Wenn du dir etwas für die Zukunft des Tennissports wünschen könntest – was wäre das?
Muster: Ich hoffe, dass durch das zehnte 1000er-Turnier die anderen Turniere etwas reduziert werden. Es wird wahrscheinlich alles noch professioneller und aalglatter, mit mehr Vorschriften und Vorgaben. Ich würde mir persönlich mehr Ecken und Kanten wünschen. Die Spieler sollen für ihre Emotionen nicht verurteilt werden. Dann wird halt einmal ein Schläger geschmissen. Da wird immer gleich alles negativ ausgelegt. Das gehört nun mal dazu und ich glaube auch, dass die Menschen das vermissen. Wenn die Leute nur mehr aalglatte Typen sehen, die wie von der KI produziert auf dem Platz agieren, dann tut das dem Sport nicht gut. Der Sport lebt davon, dass es verschiedene Charaktere gibt und die sollen auch die Möglichkeit haben, dies auf dem Platz zu zeigen. Sie dürfen dafür nicht gleich verdammt werden. Ich würde Spielern mehr Freiheit geben, um sich zu öffnen.