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Horner: "Haben Fähigkeiten für den eigenen Weg"

Red-Bull-Teamchef im LAOLA1-Interview über Porsche, Honda, Verstappen und Herta:

Horner: Foto: © gettygetty

Max Verstappen und Red Bull Racing stehen vor weiteren WM-Titeln. Das zeichnet sich immer mehr ab.

Die abgesagte "Traumehe" mit Porsche war in Monza ein viel diskutiertes Thema, verbunden mit zahlreichen Spekulationen. Dazu passt, dass Honda wieder ins Blickfeld rückt. Bis 2025 ist die weitere Zusammenarbeit ohnehin fixiert, trotz Hondas offiziellem F1-Ausstieg Ende 2020.

Im Gespräch mit LAOLA1 stellte Red Bulls Teamchef Christian Horner (48) in Monza die Position des österreichisch-britischen Rennstalls klar - mit einigen bemerkenswerten Andeutungen zur Zukunft.

LAOLA1: Das brisanteste Thema der vergangenen Tage war der Abbruch der Gespräche zwischen Red Bull und Porsche: Keine Zusammenarbeit ab 2026. Was lief schief? Es schien alles schon sehr konkret...

Christian Horner: Es war einfach anzunehmen, dass Red Bull ein Getränkehersteller und kein Motorenbauer ist. Als Honda den Ausstieg aus der Formel 1 verkündete, änderte das unsere Einstellung und wir beschlossen, selbst Motoren zu bauen. Das war mit einem deutlichen Risiko verbunden, daher wurde an eine Partnerschaft mit einem fantastischen Unternehmen wie Porsche gedacht. Die hätte durchaus Sinn gemacht. Gleichzeitig aber gelang es uns, höchst qualifizierte Techniker, die zu den besten Ingenieuren der Formel 1 gehören, für unser Motorenprojekt zu gewinnen. Wir errichteten die Fabrik dafür in 55 Wochen, mit Prüfständen etc. Wir hatten unseren ersten V6 schon auf dem Prüfstand, der wurde ganz allein von uns entwickelt. Wir meinen, wir haben die Fähigkeiten für den eigenen Weg. Unabhängigkeit von anderen und die Annahme von Herausforderungen war immer der Ansatz und Anspruch von Red Bull. Daher muss jede künftige Partnerschaft diese Prinzipien beinhalten und respektieren. Eine mit Porsche könnte Sinn gemacht haben, aber sie hätte die Identität und Integrität unseres Teams signifikant verändert. Wir werden künftig das einzige Team neben Ferrari sein, das Auto und Antrieb nebeneinander am gleichen Gelände baut. Es ist das nächste Kapitel in unserer F1-Geschichte.

LAOLA1: Wann haben die Gespräche mit Porsche wirklich begonnen?

Horner: Es gab einen Gedankenaustausch, begünstigt durch die zunehmende Popularität der Formel 1. Intensiver wurden sie nach dem Gewinn der WM durch Max (Dezember 2021, Anm.).

LAOLA1: Die Zusammenarbeit mit Honda wurde ja schon bis 2025 verlängert, bis zum Ende des aktuellen Reglements. Kann sie weiter ausgedehnt werden?

Horner: 2026 bringt mit den neuen Regeln eine komplett neue Situation. Darauf sind das Team und die Anstrengungen, auch von Red Bull Powertrains, ausgerichtet. Honda begründete im Herbst 2020 den Ausstieg aus der Formel 1 mit der Konzentration auf die Elektrifizierung der Serienautos. Mit dem neuen Reglement und der 50:50-Antriebsverteilung zwischen Verbrenner und E-Motor ergibt sich eine interessante neue Situation. Es wäre logisch und interessant, die neue Lage mit Honda zu diskutieren, aber es wäre keine Dringlichkeit.

LAOLA1: Ist die Aufstockung der spezialisierten Mitarbeiter in Milton Keynes in allen Bereichen - Team, Powertrains, Technologie - schon abgeschlossen?

Horner: Wir sind mit der Chassisentwicklung dem Budgetlimit unterworfen. Es kann noch Zugänge in der Motorenproduktion geben, aber die führenden Positionen sind vergeben.

LAOLA1: Wie viele Mitarbeiter sind derzeit auf dem "Red Bull Campus" beschäftigt?

"Das Aufregende an Max ist, dass da noch mehr von ihm kommen wird. Er entwickelt sich mit zunehmender Erfahrung immer weiter. Max ist auch als Mensch, als Persönlichkeit gereift. Er hat gelernt, mit Druck umzugehen, ihn wegzustecken und dennoch Topleistungen abzurufen."

Über Max Verstappen

Horner: In allen Abteilungen zusammen 1.200.

LAOLA1: Und dann will das Team um Adrian Newey ja noch einen Supersportwagen für die Straße in limitierter Stückzahl bauen…

Horner: Auch dieses Projekt ist auf Schiene.  

LAOLA1: Kann daraus ein Hypercar für Le Mans werden?

Horner: Eher nicht.

LAOLA1: Ist die Saison angesichts des Vorsprungs von Max Verstappen und von Red Bull Racing in den WM-Wertungen schon gelaufen?

Horner: So sehen wir das nicht. Wir hatten bisher ein faszinierendes Jahr, aber es sind noch einige Rennen ausständig und wir schauen immer nur auf das nächste. Auch wenn wir bisher einige fantastische Leistungen erbringen konnten.

LAOLA1: Die Strafversetzungen, die für beide Fahrer in Monza in Kauf genommen wurden, waren wohl Vorsichtsmaßnahmen. Und trotzdem hat Max das Rennen gewonnen...

Horner: Das stimmt. In Singapur wäre überholen viel schwieriger. Und wir haben eben eine gute Form im Rennen.

LAOLA1: War der Tausch von Antriebsteilen mit nachfolgenden Strafversetzungen der letzte der Saison für Max und Sergio?

Horner: Wir hoffen, dass wir nun ohne weitere Strafen bis zum Saisonende kommen.

LAOLA1: Sehen Sie Verstappen schon auf dem Zenit seiner Fähigkeiten oder kann doch noch mehr kommen? Er wird ja demnächst erst 25 Jahre alt...

Horner: Das Aufregende an Max ist, dass da noch mehr von ihm kommen wird. Er entwickelt sich mit zunehmender Erfahrung immer weiter. Er war vergangenes Jahr im Kampf mit Lewis Hamilton phänomenal. Das war wie ein Schwergewichts-Boxkampf über 22 Runden. Als Weltmeister gelang ihm heuer ein weiterer Schritt. Und Max ist auch als Mensch, als Persönlichkeit gereift. Er hat gelernt, mit Druck umzugehen, ihn wegzustecken und dennoch Topleistungen abzurufen.

LAOLA1: Dein Urteil über Sergio Pérez?

Horner: Er hatte einen tollen Saisonstart. Seine jüngsten Rennen liefen nicht nach seinen Vorstellungen, aber er wird wieder seine Form finden. Und er ist ja immer noch ganz vorn in der WM dabei. Ich hoffe, wir können ihn mit dem Setup des Autos mehr unterstützen.

LAOLA1: Erster und Zweiter im WM-Klassement schaffte Red Bull Racing noch nie, auch nicht mit Vettel-Webber. Kann dieser "Rekord" heuer gelingen?

Horner: Sollte uns das gelingen, wäre es ein phänomenaler Erfolg.

LAOLA1: Das US-Talent Colton Herta ist im Gespräch für einen Wechsel in die Formel 1 zu Eurem Schwesterteam AlphaTauri. Sie haben immer auch die jungen Fahrer dort im Blickfeld. Ist der jüngste Sieger eines IndyCar-Rennens – sozusagen der Verstappen der US-Szene – reif für die Formel 1? Und sollte er trotz fehlender FIA-Punkte die Superlizenz erhalten?

Horner: Er ist das aufregendste Talent im US-Rennsport. Ich denke, er kann in der Formel 1 bestehen. Mit der steigenden Beliebtheit der Formel 1 in den USA wäre es interessant, würde er eine Chance bekommen. Natürlich gibt es da eine festgelegte Prozedur zur Superlizenz für die Formel 1. Ich hoffe, die nötigen Punkte werden ihm zugesprochen. Es wäre verrückt, einem Fahrer mit seinen Leistungen und seiner Qualität die F1-Berechtigung abzusprechen.

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