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"Good Guy" Lando Norris: Der Weltmeister ohne Killerinstinkt

Lando Norris ist Formel-1-Weltmeister 2025. Anders als viele der bisher 34 Titelträger seit 1950 ging der Brite dabei seinen eigenen Weg.

"Good Guy" Lando Norris: Der Weltmeister ohne Killerinstinkt Foto: © GETTY

Auf die Enttäuschung folgte die Euphorie: Im Vorjahr blieb Lando Norris der Weltmeistertitel in der Formel 1 als Zweiter noch verwehrt, nun erfüllte sich der 26-jährige Brite in Abu Dhabi seinen großen Traum und krönte sich erstmals zum Champion in der Motorsport-Königsklasse.

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Anders als viele der bisher 34 Titelträger seit 1950 ging Norris dabei seinen eigenen Weg, vor allem in mentaler Hinsicht. "Ich möchte einfach mein Leben genießen", sagte Norris einmal dem "Guardian".

"Das ist eine Einstellung, die vielleicht nicht unbedingt mit Killerinstinkt gleichzusetzen ist. Ich glaube einfach nicht, dass man diesen haben muss, um Weltmeister zu werden", erklärte der Engländer.

Diese These hat der McLaren-Star nun bestätigt. Denn anders als beispielsweise Max Verstappen, sein großer WM-Rivale der vergangenen beiden Saisonen, ist Norris nicht für seine Kaltschnäuzigkeit auf und neben der Strecke bekannt.

Pfiffe und Buhrufe

Im Vorjahr erzählte er etwa offen von seiner Nervosität an Renntagen. Kaum essen oder trinken könne er dann. Im WM-Duell 2024 leistete er sich auch Fehler - in diesem Jahr steigerte sich Norris in dieser Hinsicht enorm.

Allerdings war zuletzt der Unmut einiger Formel-1-Anhänger eine Belastung für den elffachen Grand-Prix-Sieger. Denn Norris hatte in Monza nach einem langsamen Boxenstopp der Crew dank einer Stallorder an Piastri vorbeifahren dürfen. In Mexiko und auch in Brasilien bekam Norris das zu spüren - mit Pfiffen und Buhrufen nach seinen Siegen.

"Es ist mir wichtig, wie die Leute mich sehen", sagte er. "Das ist nicht gerade angenehm. Aber ich denke, dass ich das in den letzten Monaten gut gemeistert habe."

Norris blendete die ungewohnten Reaktionen von den Tribünen aus und fuhr sich am Ende einer langen Saison in die Geschichtsbücher der Rennserie. In seiner siebenten Formel-1-Saison steht er erstmals ganz oben, nachdem ihm erst im Vorjahr in Miami der erste Grand-Prix-Sieg gelungen war. Davor war er 15 Mal aufs Podium gerast, ein (ungewollter) Rekord auf dem Konto des McLaren-Hoffnungsträgers.

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Keine Psychospielchen

Seinen ersten WM-Titel holte Norris auch ohne Psychospielchen. Ihm sei wichtig gewesen, weiterhin ein gutes Verhältnis zu seinem Teamkollegen und WM-Rivalen Oscar Piastri zu pflegen, betonte er in Katar.

"Manche Leute entscheiden sich, ein Idiot zu sein und deshalb gehen Dinge schief. Wenn ich mich so verhalten wollte wie andere in der Vergangenheit, wäre das ganz einfach. Aber das will ich nicht, es entspricht nicht meinem Charakter und macht mir keinen Spaß."

Es sei nicht seine Art und Weise, wie er versuchen möchte, die Weltmeisterschaft zu gewinnen, erklärte Norris. "Dafür müsste man übermäßig egoistisch sein und sich nicht um die Menschen kümmern, mit denen man zusammenarbeitet. Aber mir sind die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, wichtig."

Eltern Adam und Cisca als Rückhalt

Ein wichtiger Faktor in der Karriere des Engländers waren auch seine Eltern. Papa Adam Norris machte als Investor mit Pensionsversicherungen ein Vermögen und besitzt ein erfolgreiches E-Scooter-Unternehmen (Pure Electric). Die finanziellen Voraussetzungen waren damit gegeben, um eine Motorsport-Karriere zu starten.

Norris gibt auch offen zu, privilegiert aufgewachsen zu sein. "Es gibt viele Dinge, die mein Vater mir gegeben hat, oder besser gesagt, in mich investiert hat", sagte er im "High Performance"-Podcast vor einem Jahr.

Im Alter von zwölf Jahren hatte Norris beispielsweise schon einen Manager sowie einen Trainer an seiner Seite. "Aber", betonte Norris, "es ist eine Investition, keine Selbstverständlichkeit." Er müsse diese Investition zurückzahlen und zeigen, dass es keine Zeitverschwendung gewesen sei.

Das ist ihm nun endgültig gelungen. "Das ist für meine Mama und meinen Papa, die haben mir das alles ermöglicht", sagte Norris dann auch am Sonntag im Siegerinterview.

Norris war bereits Kart-Weltmeister

Geboren in Bristol und aufgewachsen in Somerset im Südwesten Englands als zweitältestes von vier Kindern drehte Norris bereits als Siebenjähriger in einem Kart seine Runden. Sieben Jahre später wurde er Kart-Weltmeister, zu diesem Zeitpunkt als jüngster Fahrer überhaupt.

Es folgten erfolgreiche Jahre in diversen Nachwuchsserien, der Meistertitel in der Europäischen Formel 3 (2017) sowie der Vizemeistertitel in der Formel 2 (2018). Anfang 2019 begann das Abenteuer Formel 1 bei McLaren, der britische Traditionsrennstall hatte ihn zwei Jahre zuvor ins Nachwuchsfahrerprogramm aufgenommen.

Seine Eltern hätten es sehr gut gemacht, ihn in all diesen Jahren auf dem Boden zu halten, betonte Norris. Mittlerweile lebt er wie viele seiner Formel-1-Kollegen in Monaco, liiert ist er mit dem portugiesischen Model Margarida Corceiro.

"Ich glaube, ich bin ein guter Mensch"

Seine Mutter Cisca Wauman, die aus Belgien stammt und weshalb Norris auch die belgische Staatsbürgerschaft besitzt, ist oft als emotionaler Rückhalt an den Rennstrecken dieser Welt mit dabei - so auch an diesem Wochenende in Abu Dhabi beim großen Wurf ihres Sprößlings. Norris kam daher im Ziel in Abu Dhabi nach seinem Triumph als Erstes zu ihr.

Mit ihren herzhaften Umarmungen und Reaktionen in der Boxengasse stahl sie ihrem Sohnemann schon öfter die Show. Im "Made With Love"-Podcast hob er einst die Liebe zu seiner Mutter hervor.

"Ich glaube, ich bin ein guter Mensch. Ich versuche es zumindest, und das habe ich zum großen Teil dir zu verdanken. Danke Mama", sagte Norris. Er sei ein "good guy" - und jetzt auch ein Weltmeister.

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