Seit eineinhalb Jahren fungiert Laurent Mekies als Teamchef bei Racing Bulls.
In diesen 18 Monaten hat sich beim Schwesternteam von Red Bull Racing so einiges getan, von Fahrerwechseln bis hin zu Top-Resultaten, aber auch dem einen oder anderen Rückschlag.
"Die Spitze des Mittelfelds" ist das erklärte Ziel der Racing Bulls. Dass der Kampf darum alles andere als ein Zuckerschlecken ist, ist den Verantwortlichen freilich bewusst. Doch genau das ist der Reiz daran.
Im Interview mit LAOLA1 erzählt Mekies im Rahmen des Grand-Prix-Wochenendes am Red Bull Ring in Spielberg über seine Arbeit als Boss der Racing Bulls, die größte Herausforderung, seine persönlichen Prioritäten und er erklärt, warum man als Teamchef an einem Rennwochenende "eigentlich nicht viel" macht.
LAOLA1: Sie sind seit Jänner 2024 Teamchef. Wie zufrieden sind Sie bislang mit der Entwicklung des Teams unter Ihrer Führung?
Laurent Mekies: Wo soll ich anfangen? Zunächst einmal ist es ein Privileg, dieses Team führen zu dürfen. Warum ein Privileg? Erstens, weil es zur Red Bull-Familie gehört, und zweitens, weil man hier alle Türen öffnet und auf eine unglaubliche Menge an Talent stößt. Deshalb ist es ein Privileg, Teil dieser Gruppe zu sein. Und es hört nicht bei diesem Glück auf. Es wird sogar noch besser, denn man erhält von Red Bull, vom Headquarter, enorme Freiheiten, um alles zu tun, was nötig ist, um die gesetzten Ziele zu erreichen – sowohl die, die sie uns gegeben haben, als auch die, die wir uns selbst gesetzt haben. "Bitte baut ein Team auf, das im vorderen Mittelfeld kämpfen kann. Bitte entwickelt unsere jungen Fahrer weiter." Wenn man heute im vorderen Mittelfeld mitkämpfen will, bedeutet das, eine Organisation aufzubauen, die in der Lage ist, es mit ein, zwei, drei oder vier Autoherstellern aufzunehmen. Das ist eine große Herausforderung – und genau das versuchen wir. In den letzten 18 Monaten haben wir daran gearbeitet, die Organisation weiterzuentwickeln, indem wir Fähigkeiten, Infrastruktur und Werkzeuge eingebracht haben, um ein Team zu schaffen, das diesen Kampf aufnehmen kann.
Wie zufrieden ich bin? Ich denke, wir haben uns sehr schnell weiterentwickelt. Ich bin sehr dankbar und beeindruckt von der Reaktion unserer Leute, wie sehr sie bereit waren, den Reset-Knopf zu drücken. Wir haben dieses Projekt mit dem Credo begonnen, dass es ausschließlich um Menschen und Kultur gehen soll. Alles, was wir tun, zielt darauf ab, unsere Leute in die bestmögliche Lage zu versetzen. Wenn ich zurückblicke, sind wir sehr schnell vorangekommen. Wir haben viele Fehler gemacht. Wir sind oft gestürzt, aber wir sind wieder aufgestanden, haben weitergemacht, wieder Fehler gemacht. Aber das Endergebnis ist: In 18 Monaten hat sich im Team sehr viel verändert – und die Richtung stimmt auf jeden Fall.
LAOLA1: Was würden Sie sagen, ist die größte Herausforderung in Ihrer Rolle?
Mekies: Die größte Herausforderung ist, sicherzustellen, dass die Leute unter den besten Bedingungen arbeiten können, um ihr Potenzial zu entfalten. Das ist wirklich jeden Tag die größte Aufgabe. Sei es, weil sie nicht die richtigen Werkzeuge haben – dann muss man dafür sorgen, dass sie sie bekommen. Sei es, weil sie nicht in der richtigen Struktur arbeiten – dann muss man das anpassen. Sei es, weil sie Unterstützung brauchen, um besser zusammenzuarbeiten. Aber genau darum geht es: das optimale Umfeld schaffen, damit die Menschen ihr Talent voll entfalten können. Das ist die Frage, die man sich jeden Abend stellt – und man weiß jeden Abend, dass man noch etwas besser hätte machen können.
LAOLA1: Was war bisher der schönste Moment?
Mekies: Es ist ein Wettkampfgeschäft – und wir sind Wettkampftypen. Die schönsten Momente sind daher immer die Ergebnisse. Wir leben mit unseren Ergebnissen – und sterben auch mit ihnen. Auch wenn wir wissen, dass es Zeit braucht, ein Team weiterzuentwickeln, werden wir zurecht ständig an unseren Fortschritten gemessen. Deshalb sind die besten Momente immer die besten Ergebnisse auf der Strecke. Welches war das beste Ergebnis? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht (lacht). Wirklich – es geht um die besten Resultate auf der Strecke. Man beginnt die Saison, arbeitet den ganzen Winter an einem neuen Auto, ohne echten Vergleich zur Konkurrenz. Dann kommt das erste Qualifying in Melbourne – das war unser erster Winter mit dem neuen Team, denn ich bin im Januar letztes Jahr eingestiegen – und Yuki fährt auf P5. Das war ein sehr schöner Saisonauftakt.
LAOLA1: Ihr Team liegt aktuell auf Rang 7 in der Konstrukteurswertung, punktgleich mit Haas auf Platz 6. Entspricht die Saison bisher Ihren Erwartungen?
Mekies: Wir haben das Gefühl, dass unser Auto auf fast allen Strecken schnell genug ist, um an der Spitze des Mittelfelds mitzufahren – das ist einer unserer Hauptindikatoren. Zu Beginn der Saison konnten wir das noch nicht in viele Punkte umsetzen, aber wir haben uns verbessert. Jetzt sind wir gleichauf mit Haas auf Platz 6. Es ist ein sehr enges Feld, die Teams hinter uns sind nahe dran, Williams liegt etwas weiter vorne. Um Ihre Frage zu beantworten: Ich denke, wir sind ernstzunehmende Kämpfer um die Spitze des Mittelfelds – also um P6 – und das ist gut so. Wir wissen aber auch, dass schon ein kleiner Rückschritt reichen kann, um plötzlich Vorletzter oder Letzter zu sein. Deshalb konzentrieren wir uns sehr auf die Weiterentwicklung des Autos und darauf, unseren Fahrern die bestmögliche Plattform zu bieten. Es wird ein harter Kampf bis zum letzten Rennen.
LAOLA1: Isack Hadjar liefert als Rookie beeindruckende Leistungen ab. Liam Lawson ist nach seinem kurzen Einsatz bei Red Bull zurückgekehrt. Wie zufrieden sind Sie mit Ihren Fahrern?
Mekies: Isacks Leistung war außergewöhnlich. Sein Einstieg bei uns im Januar war bereits außergewöhnlich – ich finde kein besseres Wort dafür. Er überzeugt durch seine natürliche Geschwindigkeit, sein Gefühl fürs Auto, seine analytischen Fähigkeiten und seine Bescheidenheit. Das bringt uns in die Verantwortung, ihm ein Umfeld zu bieten, in dem er sich weiterentwickeln kann. Wir sind überzeugt: Fahrer entwickeln sich weiter, egal wie schnell sie beim Einstieg sind. Isack ist ein großartiger Typ. Er macht Fortschritte, und wir müssen sicherstellen, dass er in der Lage ist, diese Schritte zu gehen. Wir glauben, dass noch mehr Speed in ihm steckt – und weitere Fähigkeiten, auf und neben der Strecke. Es ist eine große Verantwortung, aber auch ein Privileg, mit einem solchen Talent zu arbeiten. Liam wiederum gibt uns eine großartige Gelegenheit, einen Punkt zu beweisen. Es ist sehr schwierig, mitten in der Saison in ein neues Auto einzusteigen – das sieht man im gesamten Fahrerlager. Er braucht einfach Zeit im Auto. Wir wissen, dass sein Talent nicht verschwunden ist. Wir wissen auch, dass der Maßstab mit Isack sehr hoch ist – aber genau das braucht er. Wir sehen die Geschwindigkeit bei ihm, und wir möchten, dass es in den nächsten Rennen zusammenkommt. Dabei helfen wir ihm.
LAOLA1: Wie stark waren Sie in den Prozess des Fahrerwechsels eingebunden? Oder überhaupt?
Mekies: Um ehrlich zu sein: Wir waren eher auf der empfangenden Seite. Seit wir zu Visa Cash App Racing Bulls wurden, ist unser erstes Ziel Wettbewerbsfähigkeit. Das zweite ist, junge Fahrer für die Red Bull-Familie weiterzuentwickeln – deshalb heißen wir Racing Bulls. Wenn einer unserer Fahrer die Möglichkeit bekommt, zu Red Bull Racing befördert zu werden, ist das ein Erfolg für unser Team. Auch wenn das unsere eigene Wettbewerbsfähigkeit kurzfristig beeinträchtigt – es ist ein Erfolg. Stellen Sie sich die umgekehrte Situation vor: Red Bull braucht einen Fahrer, kann aber nicht auf uns zurückgreifen. Das wäre ein viel größeres Problem. Also: Wir waren zwar nicht die treibende Kraft, aber wir sind sehr stolz auf Yuki – genauso wie damals auf Liam. Es ist ein Verdienst aller Männer und Frauen in Faenza, die daran arbeiten, unsere Fahrer zu entwickeln. Wir behalten sie in unseren Herzen und wünschen ihnen alles Gute.
LAOLA1: Haben Sie nach dem Fahrerwechsel eine Veränderung in der Teamdynamik bemerkt?
Mekies: Das ist tatsächlich eine gute Frage. Am Anfang der Saison haben sich ja viele über uns lustig gemacht, weil alle dachten: Yuki und Isack zusammen – das wird explosiv. Alle wollten unsere Funk-Kommunikation hören. Aber die Wahrheit ist: Die beiden haben sich sehr schnell verstanden, haben sich gegenseitig geholfen, respektiert, hatten Spaß zusammen. Es war eine sehr angenehme Zeit. Dann ändert sich die Dynamik: Yuki geht zu Red Bull Racing, Liam kommt zurück. Da stellt man sich tatsächlich Ihre Frage: Was wird sich ändern? Überraschenderweise hat auch die Verbindung zwischen Isack und Liam sehr schnell funktioniert. Sie respektieren sich, und ich glaube, sie wissen, dass sie einander brauchen, um die beste Version ihrer selbst zu werden. Es herrscht eine sehr starke Dynamik – nicht nur zwischen den Fahrern, sondern im gesamten Team.
LAOLA1: Blicken wir auf den weiteren Saisonverlauf: Was sind Ihre Hauptziele für Racing Bulls?
Mekies: Die Spitze des Mittelfelds – aktuell P6 – ist unser Ziel. Vier Teams kämpfen darum. Wir unterschätzen nicht, wie verrückt dieser Kampf in der zweiten Saisonhälfte wird. Wir haben es letztes Jahr gesehen, und dieses Jahr ist es noch enger. Es wäre falsch, Platz 5 komplett auszuschließen – auch wenn er aktuell unrealistisch wirkt. Aber in Faenza und Milton Keynes arbeiten viele sehr ehrgeizige Menschen. Niemand will sich mit einem bestimmten Platz zufriedengeben. Wir wollen so weit wie möglich nach vorne. Dafür müssen wir das Auto Schritt für Schritt verbessern. Es ist ein Balanceakt, denn in wenigen Wochen müssen wir komplett auf das nächste Jahr umschalten. Aber es gibt noch viele Rennen – und womöglich sechs Teams, die da vorne mitmischen können.
LAOLA1: Sie haben das kommende Jahr schon angesprochen. Neue Regeln stehen bevor. Wo sehen Sie für Racing Bulls das größte Potenzial, sich nach vorne zu arbeiten oder sogar einen Vorteil zu erlangen?
Mekies: Ich muss Sie da leider enttäuschen. Für uns ist das zweite Jahr als Team – nächstes Jahr das dritte. Die Weiterentwicklung des Teams zwischen Jahr zwei und drei ist für uns wichtiger als der Reglementwechsel. Damit meine ich die Veränderungen und Verstärkungen, die wir intern noch vornehmen, die Integration und Zusammenarbeit der neuen Leute – das sind die Schlüsselfaktoren für unsere Zukunft, mehr als ein Regelwechsel. Ich werde Ihnen nicht sagen, dass wir nächstes Jahr alle überraschen werden. Aber ich sage Ihnen: Es ist eine entscheidende Phase für unser Wachstum. Das schafft man nicht in 18 Monaten. Ich denke, das ist nachvollziehbar. In diesem Zusammenhang kommen die neuen Regeln für uns eigentlich recht früh. Aber wir nehmen die Herausforderung an. Das Wichtigste für uns bleibt jedoch: das Team weiter aufzubauen. Ein starkes Team kommt mit alten wie neuen Regeln gut zurecht.
LAOLA1: Zum Abschluss: Wie sieht ein typischer Tag eines Formel-1-Teamchefs an einem Rennwochenende aus?
Mekies: Man macht eigentlich nicht viel – und schaut den großartigen Leuten dabei zu, wie sie einen großartigen Job machen (lacht). Im Ernst: Das ist tatsächlich so. Unsere Aufgabe ist es – nicht nur am Rennwochenende – dafür zu sorgen, dass unsere Leute die richtigen Bedingungen haben und alles, was sie zum Arbeiten brauchen. Und wenn es irgendwo Lücken gibt, helfen wir dabei, sie zu schließen. Das ist unser Job. Die cleveren Dinge machen die Männer und Frauen da draußen – wir sorgen nur dafür, dass sie dabei ihr ganzes Talent entfalten können.