Mit Leo Windtner hat Österreichs Fußball eine seiner prägendsten Kräfte in diesem Jahrtausend verloren.
Von 2009 bis 2021 stand der Oberösterreicher dem ÖFB vor, unter ihm qualifizierte sich das Männer-Nationalteam für zwei Europameisterschaften, die Frauen erreichten 2017 das EM-Halbfinale.
Bis zuletzt umtriebig
Er war der letzte ÖFB-Chef, der die mitunter revoltierenden Landespräsidenten für längere Zeit befrieden konnte. Außerdem führte Windtner 22 Jahre lang die Energie AG Oberösterreich.
Seinen 75. Geburtstag sollte Windtner nicht mehr erleben. Am (heutigen) Freitag verstarb der ÖFB-Ehrenpräsident beim Bergwandern am Traunstein in der Nähe von Gmunden. Dabei erfreute sich der Natur- und Sportfan zuletzt bester Gesundheit. Im vergangenen Winter habe er so viele Skitage gehabt wie schon lange nicht mehr, berichtete er noch vor Kurzem Freunden und Bekannten.
Was Windtner anpackte, machte er mit voller Energie. Zeit seines Lebens war er unter anderem Bürgermeister seiner Heimatgemeinde St. Florian (von 1985 bis 1995), Präsident der Sportunion Oberösterreich sowie bis zuletzt Obmann der St. Florianer Sängerknaben.
Energie AG blühte unter Windtner auf
Windtner wurde am 30. August 1950 in Linz geboren. Er maturierte an der Bundeshandelsakademie 1969 in Linz und studierte anschließend Handelswissenschaften an der Hochschule für Welthandel in Wien, wo er 1977 zum Doktor promovierte.
Windtner begann 1978 bei der Energie AG, wurde 1985 Abteilungsleiter und war von 1994 bis 2017 an der Spitze des Unternehmens. Unter ihm erfolgte eine strategische Neuausrichtung: Windtner konzentrierte sich nicht mehr nur auf das Kerngeschäft Strom, sondern auch auf Energieversorgung sowie -dienstleistung, Abfallwirtschaft inklusive Müllverbrennung, Wärme-, Gas- und Wasserversorgung und Telekommunikation.
In seiner persönlichen Bilanz zum Abschied aus der Energie AG nannte Windtner als größte Herausforderung die Liberalisierung des Strommarktes ab 1999. Ein weiteres großes Thema sei der lange Weg einer Privatisierung von 1997 bis 2008 gewesen.
Der Vater dreier Töchter war im Laufe seiner Karriere auch Mitglied des Aufsichtsrates mehrerer Industrieunternehmen, bei der OÖ Versicherung diente er als Aufsichtsratspräsident. In seiner Heimatgemeinde St. Florian war sein ganzer Stolz eine Streuobstwiese voller Apfel- und Birnenbäume, aus denen er zum Ausgleich Most und Schnaps produzierte. Er war Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich.
Das sind alle ÖFB-Präsidenten seit 1976
Erfolge mit Teamchefs Koller und Foda
Seine große sportliche Leidenschaft galt dem Fußball. Als oberösterreichischer Landeschef und zunächst ÖFB-Vizepräsident war er etwa für den Nachwuchs zuständig. Sein Vorgänger als ÖFB-Präsident war Friedrich Stickler, den Windtner formal am 28. Februar 2009 ablöste.
Als erste Amtshandlung nach seiner Bestellung trennte er sich vom damaligen Teamchef Karel Brückner. 2011 engagierte er - trotz heftiger öffentlicher Kritik heimischer Ex-Granden und Trainer - den Schweizer Marcel Koller, der aus damals "jungen Wilden" wie David Alaba, Marko Arnautovic, Martin Harnik oder Christian Fuchs eine verschworene Einheit formte.
Österreichs Männer qualifizierten sich erstmals sportlich für eine Europameisterschaft. Im Rückblick bezeichnete Windtner den 8. September 2015, als die EM-Teilnahme mit einem 4:0 in Schweden fixiert wurde, als besten Tag seiner Präsidentschaft.
Die größte Enttäuschung sei die nachfolgende EURO 2016 gewesen. "Da haben wir unwahrscheinlich hochgesteckte Erwartungen nicht erfüllt." Auch unter Kollers Nachfolger Franco Foda, einem Deutschen, war das ÖFB-Team bei einer EM. 2021 schieden Arnautovic und Co. im Achtelfinale im Wembley-Stadion gegen den späteren Champion Italien aus.
ÖFB-Campus als Vermächtnis
Nach 123 A-Länderspielen in seiner Amtszeit, die im Oktober 2021 endete, blieben 58 Siege, 22 Remis und 43 Niederlagen stehen. Auch die Entwicklung der Frauen-Sparte lag Windtner am Herzen. Das ÖFB-Nationalteam erreichte bei der ersten EM-Teilnahme 2017 in den Niederlanden sensationell das Halbfinale.
Trotz dieser Meilensteine wurde Windtner nicht müde, auf die Defizite in Österreich hinzuweisen. "Wir sind in Österreich am Ende der Tabelle der Infrastruktur in der UEFA", sagte er kurz vor seinem ÖFB-Abschied. Er war es, der den Bau eines ÖFB-Campus auf den Weg brachte, der aktuell in Wien-Aspern realisiert wird.
Das sagen Stelzer und Co. über Windtner
Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) würdigte Windtner in einer Aussendung Freitagnachmittag als "großen Gestalter unseres Landes".
"Leo Windtner war ein Mann, der in allen Bereichen, die er anging, Maßstäbe setzte - ob im Fußball, in der Energie-Wirtschaft oder in der Politik. Mit klarer Haltung, Weitblick und einem offenen Herzen hat er Menschen begeistert und Projekte vorangebracht." Windtner war "ein Brückenbauer, ein Mann des Dialogs, und jemand, der Erfolge nicht für sich reklamierte, sondern anderen gönnte".
Wirtschaftslandesrat und Energie AG-Aufsichtsratsvorsitzender Markus Achleitner (ÖVP) betonte Windtners bedeutende Funktion für das Unternehmen: "Leo Windtner hat vor allem in den 22 Jahren als Generaldirektor aus der vormaligen OKA als regionalen Stromversorger einen erfolgreichen Infrastrukturkonzern für Ver- und Entsorgung geformt."
Energie AG-CEO Leonhard Schitter ergänzte: "Leo Windtner hat mit seiner Arbeit und seinem unendlichen Einsatz ganz wesentlich die Erfolgsgeschichte der Energie AG geschrieben." Mit ihm habe die Energie AG frühzeitig den Einsatz von erneuerbaren Energiequellen forciert und die Digitalisierung des Konzerns vorangetrieben.