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ÖFB-Torhüter: Ein Dreikampf ohne Klugscheißer

Pervan, Schlager oder Stankovic? Die Hoffnungen der Kandidaten aufs ÖFB-Tor:

ÖFB-Torhüter: Ein Dreikampf ohne Klugscheißer Foto: © GEPA

Das ÖFB-Nationalteam steht vor den EM-Qualifikations-Spielen gegen Lettland und Polen vor einer ungewöhnlichen Torhüter-Situation.

Mit Heinz Lindner fehlt die Nummer eins - alle drei Alternativen stehen vor ihrem Länderspiel-Debüt.

Mit Pavao Pervan, Alexander Schlager und Cican Stankovic stehen drei unterschiedliche, aber durchwegs spannende Kandidaten zur Auswahl.

Ein Trio, das in jüngerer Vergangenheit positive Schlagzeilen schrieb, sich zuvor jedoch auch darin üben musste, genügend Geduld zu beweisen.

Für einen der drei Torhüter steht nun die große ÖFB-Chance an. Für wen? Das ist offen. Um die logische Floskel gleich zu Beginn unterzubringen: "Entscheiden wird das der Teamchef", wie alle drei unisono zu Protokoll geben.

Darüber hinaus haben alle drei Anwärter auf den Job im ÖFB-Tor einiges zu erzählen - und tun dies in alphabetischer Reihenfolge:

PAVAO PERVAN (VfL Wolfsburg):

PAVAO PERVAN (VfL Wolfsburg):
Foto: © GEPA

Mit 31 Jahren ist Pervan der Spätstarter unter den ÖFB-Kandidaten. Lange Jahre zeigte er beim FC Lustenau und vor allem beim LASK in der 2. Liga (119 Einsätze) beziehungsweise der Regionalliga Mitte (98 Einsätze) sein Können.

Nach der Bundesliga-Rückkehr der Linzer zeigte auch der Pfeil des Wieners steil nach oben. Nach einer starken Saison mit dem LASK folgte im Sommer 2018 der Lockruf des VfL Wolfsburg, für den er seither als Backup von Koen Casteels agiert. In der vergangenen Spielzeit ersetzte er den Belgier neun Mal. Auch nach der Länderspielpause übernimmt der ÖFB-Legionär wieder für seinen abermals verletzten Konkurrenten.

Auch wenn er erst mit knapp 30 Jahren so richtig durchstartete: Dass er das Potenzial für das Nationalteam oder die deutsche Bundesliga in sich hat, war Pervan schon länger bewusst:

"Ich kann nicht sagen, das war in dem und dem Alter, aber es hat relativ früh angefangen. Ich habe im TV immer wieder gesehen, wie meine Idole vor ausverkauftem Haus spielen, wie sie sich aufwärmen, wie sie trainieren. Dem hast du natürlich nachgeeifert. Aber ich habe natürlich gewusst, dass ich nicht vom FC Lustenau in der 2. Liga ins Nationalteam kommen und dann nach Deutschland wechseln kann, sondern dass es Schritt für Schritt gehen muss."

"Beim einen geht es schneller, beim anderen langsamer. Bei mir ist es eher langsamer gelaufen. Dementsprechend bin ich auch erst mit 30 nach Wolfsburg gewechselt, aber ich bin froh, dass ich überhaupt dorthin gewechselt bin, denn es ist wahnsinnig schwer, bei all den gut ausgebildeten Torhütern, die dort spielen und nachkommen, überhaupt nach Deutschland zu kommen."

Das Wiedersehen mit Schlager

Auch wenn Pervan in Wolfsburg nicht die Nummer eins ist, habe er sich seit diesem Transfer noch einmal entscheidend weiterentwickelt. Ausschlaggebend dafür sei vor allem die durch den riesigen internen Konkurrenzkampf noch mal höhere Trainingsqualität, aber auch die neuen Reize nach den vielen Jahren in Linz:

"Ich war acht Jahre beim LASK. Wenn du sieben Jahre mit dem gleichen Tormanntrainer trainierst, das gleiche Umfeld hast, alles Mögliche bereits kennst, dann wirst du irgendwann einmal - brutal gesagt - betriebsblind. Die Reize werden nicht mehr so gesetzt, wie sie jetzt in Deutschland gesetzt werden."

"Ich war acht Jahre beim LASK. Wenn du sieben Jahre mit dem gleichen Tormanntrainer trainierst, das gleiche Umfeld hast, alles Mögliche bereits kennst, dann wirst du irgendwann einmal - brutal gesagt - betriebsblind. Die Reize werden nicht mehr so gesetzt, wie sie jetzt in Deutschland gesetzt werden."

Der aktuelle Dreikampf um das ÖFB-Tor bringt die kuriose Situation mit sich, dass einer der Konkurrenten von Pervan mit Alexander Schlager sein früherer Ersatzmann beim LASK ist. Eine Konstellation, die jedoch kein böses Blut mit sich bringt, weil sich die beiden laut eigenem Bekunden bestens verstehen - selbiges gilt in der Zusammenarbeit mit Stankovic.

Bezüglich Schlager meint Pervan: "Dass es so schnell geht, hätte ich ehrlich gesagt auch nicht gedacht, was aber nicht bedeuten soll, dass ich es Alex nicht zugetraut hätte, sondern dass es so kommt, wie es gekommen ist. Es ist umso schöner, dass ich einen alten Bekannten wiedersehe. Wir waren seit meinem Wechsel in regelmäßigem Austausch, wiedergesehen haben wir uns allerdings erst hier zum ersten Mal. Ich gönne es ihm, denn meiner Meinung nach hat er es sich absolut verdient."

Pervan will kein "Klugscheißer" sein

Einen "wahnsinnigen Konkurrenzkampf" im Training ortet der Wolfsburg-Goalie nicht, vielmehr sei der Umgang des Torhüter-Trios untereinander sehr respektvoll. Als Routinier unter den Kandidaten will Pervan auch nicht als Oberlehrer auftreten:

"Beide wissen, dass ich bereit bin, jederzeit zu helfen. Aber ich bin nicht der Typ, der versucht, als Klugscheißer aufzutreten und die anderen zu belehren - schon gar nicht jetzt in dieser Situation, wo wir natürlich wissen, dass jeder um die Nummer 1 im Nationalteam kämpft. So sehe ich mich nicht, und das würde ich auch nicht machen, wenn ich 500 Bundesliga-Spiele in Deutschland hätte."

Eigenwerbung, warum er den Vorzug bekommen sollte, lehnt Pervan ab ("Ich rede nicht gerne über mich selbst"), stellt jedoch fest: "Natürlich ist das eine besondere Situation und du machst dir mehr Hoffnungen als bei den Lehrgängen davor. Aber ich versuche das so gut es geht auszublenden. Ich beschäftige mich nicht mit dem Was wäre wenn, sondern gehe es genauso an wie in Deutschland."

Falsch entscheiden könne Franco Foda ohnehin nicht: "Der Teamchef hat schon gesagt, dass er uns allen drei vertraut und wir das Potenzial haben, im Tor zu stehen. So sehe ich das auch. Jeder hat seine Stärken und Schwächen, aber meiner Meinung nach kann es keine falsche Entscheidung geben."

ALEXANDER SCHLAGER (LASK):

ALEXANDER SCHLAGER (LASK):
Foto: © GEPA

Wenn man so will, ist Schlager der absolute Shooting-Star unter den Kandidaten. Nachdem er sich zu Beginn seiner Karriere ein wenig in Geduld üben musste, startete er seit Sommer 2018, als er beim LASK Pervan beerbete, so richtig durch.

Im Nachwuchs von Red Bull Salzburg ausgebildet, wurde er erst in den Nachwuchs von RB Leipzig, dann innerhalb der Bundesliga an den SV Grödig (10 Einsätze) und später in die 2. Liga an den FAC (23 Einsätze) verliehen. So richtig los ging es dann in Oberösterreich.

Warum ihm zuletzt derart beeindruckend der Knopf aufgegangen sei? "Ich glaube, dass ich mich selbst von der Persönlichkeit her sehr entwickelt habe. Ich bin, was das Spiel auf dem Platz betrifft, viel ruhiger geworden und versuche mich viel mehr auf meine Aufgaben zu konzentrieren. Natürlich war der Schritt zum LASK auf jeden Fall so ein bisschen der Kickstart, weil mir damals mit Oliver Glasner ein Trainer zur Seite gestanden ist, der mir von Beginn an das Vertrauen geschenkt hat und auch in der Zeit, als ich nicht gespielt habe, viel mit mir geredet hat. Es ist überragend, wie das gelaufen ist."

Dass er seinen früheren LASK-Konkurrenten Pervan nun im Nationalteam wiedertrifft, ist auch für den 23-Jährigen "eine Geschichte, die so nur der Fußball schreiben kann. Es macht irrsinnigen Spaß. Wir haben nach der Kaderbekanntgabe auch gleich telefoniert. Mich freut es irrsinnig, dass wir jetzt wieder zusammen in einem Tormannteam sind und mit Cican ein cooles Trio haben."

"Kann mir von Basel und Brügge nichts kaufen"

"Die CL-Quali war wichtig, denn jedes so große Erlebnis prägt sich. Du wirst ruhiger. Für deinen Kopf ist es einfach besser, weil du weißt, du hast solche Situationen schon erlebt und bereits international gegen sehr gute Gegner gespielt."

Während Pervan in Wolfsburg erst nach der Länderspiel-Pause sein Pflichtspiel-Debüt feiern wird und Stankovic in Salzburg oftmals recht wenig beschäftigt wird, konnte Schlager in dieser Saison seine Topform bereits mehrmals unter Beweis stellen. Vor allem die Auftritte in der Champions-League-Qualifikation waren in Sachen Weiterentwicklung eine wertvolle Bühne:

"Das ist wichtig, denn jedes so große Erlebnis prägt dich. Du wirst ruhiger. Für deinen Kopf ist es einfach besser, weil du weißt, du hast solche Situationen schon erlebt und bereits international gegen sehr gute Gegner gespielt. Nichtsdestotrotz geht es darum, Tag für Tag Leistung zu bringen. Ich kann mir jetzt nichts davon kaufen, dass ich gegen Basel und Brügge CL-Quali gespielt habe, sondern muss auch heute im Training genauso Gas geben. Deswegen versuche ich eigentlich immer im Moment zu leben und alles mitzunehmen, was jetzt passiert."

Ähnlich sei es mit der U21-Europameisterschaft, bei welcher der gebürtige Salzburger Österreichs Nummer eins war. "Ich habe mir danach nicht gedacht: 'Jetzt ist die EURO vorbei, jetzt kommt das A-Team.' So war es definitiv nicht. Natürlich hat man es irgendwo im Hinterkopf, weil es ein Kindheitstraum ist. Aber damit, dass es so schnell geht, habe ich nicht explizit gerechnet."

Das hätte Schlager gerne jeden Tag

Aus der U21 kennt Schlager diverse ÖFB-Kadermitglieder, der Student der Ernähungswissenschaften gesteht jedoch, dass er "natürlich ein bisschen nervös" gewesen sei, als er ins Camp eingerückt ist.

Aber auch hier würde es gelten, so viel wie möglich mitzunehmen: "Es ist ein cooles Erlebnis, das ich aufsaugen und genießen möchte, weil es nicht alltäglich ist, mit solchen Spielern am Platz zu stehen. Natürlich schaut man im Training, wie sie es machen. Das Niveau im Training, die Qualität bei den Abschlüssen und Spielformen - das ist schon High-Level. Das macht als Fußballer halt Lust auf mehr, weil man sich denkt: 'Boah, das hätte ich gerne immer und jeden Tag!'"

Auch Schlager schließt aus, dass sich die drei Tormann-Kandidaten in die Haare kriegen würden, dafür würden sie sich zu gut verstehen. "Sicher ist es eine Chance. Das ist ganz normal, wenn derjenige nicht da ist, der immer gespielt hat. Dann ist die Position wieder offen für alle, die jetzt dabei sind. Jeder tut auch alles dafür, dass er im Tor steht", meint Schlager, der seine Chancen schwer einschätzen kann:

"Ich probiere einfach, mich im Training reinzuhauen und dem Trainer Argumente zu liefern. Wir werden sehen, wie er sich entscheidet. Ich bin keiner, der sagt, ich muss spielen, sondern will mich rein über die Leistung empfehlen."

CICAN STANKOVIC (FC Red Bull Salzburg):

CICAN STANKOVIC (FC Red Bull Salzburg):
Foto: © GEPA

Als Stankovic im Sommer 2015 vom SV Grödig zu Salzburg übersiedelt ist, galt er als logischer künftiger Nationaltorhüter. Nach Anfangsschwierigkeiten bei den "Bullen" musste er sich jedoch nachhaltig in Geduld üben, ehe er sich beim Serienmeister als Nummer eins etablieren konnte.

Das Match gegen Lettland findet in Salzburg statt, der 26-Jährige gehört von den aktuellen Torhütern am längsten dem ÖFB-Kader an - in der Öffentlichkeit gilt er daher als leichter Favorit für die Vertretung von Lindner.

"Ich habe da eine These, die besagt: Es ist nicht wichtig, wer anfängt, sondern wer aufhört", fällt Stankovic bei seinem Medientermin im Camp in Saalfelden mit philosophischer Ader auf.

Ein Sager, der unterstreichen soll, dass sich Geduld lohnt. Dass es sich auch nach Rückschlägen bezahlt macht, weiter zu kämpfen. Rückschläge hatte er in Salzburg vor allem in der Anfangszeit einige zu verkraften.

Der nächste "Red-Bull-Brother"?

"Man wird belohnt, wenn man nicht aufgibt, wenn man im Training nicht immer den Grantigen spielt. Ich habe auch als Zweier-Tormann regelmäßig meine Aufgaben erledigt. Im Laufe der Jahre ist mir das zu Gute gekommen", meint Stankovic und schildert:

"Wenn ich ehrlich bin, sind meine Hoffnungen sehr groß. Ich hoffe, dass ich am Freitag im Tor stehen werde. Aber die Konkurrenz ist natürlich auch groß, die anderen Torhüter machen ihre Sache sehr gut."

"In meinem Fall musste ich viel Geduld aufbringen in den letzten Jahren. Das war auch nicht immer leicht. Aber ich habe versucht, mich in meinem Spiel weiterzuentwickeln. Als ich die Chance bekommen habe, wollte ich sie beim zweiten Mal unbedingt nutzen. Das ist mir Gott sei Dank gelungen. Ich habe immer an mich geglaubt, auch als es nicht so gut gelaufen ist."

Als er Alexander Walke den Vortritt lassen musste, habe er intensiv an seinen Schwächen gearbeitet: "Das war für die Spielweise von Red Bull Salzburg sehr wichtig. Konkret geht es ums Spielerische. Man wird vielleicht mehr als bei anderen Vereinen ins Spiel eingebunden. Das war eine meiner größten Schwächen, die ich sehr gut ausgebessert habe. Jetzt fühle ich mich auf einem relativ guten Niveau."

Ein weiterer Vorteil für Stankovic könnte sein, dass er mit zahlreichen ÖFB-Teamspielern bereits zusammengespielt hat: "Beim letzten Länderspiel in Nordmazedonien waren acht aktuelle oder ehemalige Red-Bull-Spieler in der Startformation. Ich weiß, wie Stefan Lainer, Martin Hinteregger oder Andreas Ulmer ticken. Das hilft schon für unser Spiel."

Große Hoffnungen bei Stankovic

Ein Nachteil für Stankovic könnte sein, dass er bei RBS in der Bundesliga bisweilen wenig Bälle zu halten bekommt. Den Hinweis eines Salzburger Journalisten, dass man mangels Beschäftigung manchmal gar nicht weiß, welche Note man ihm geben soll, kommentiert der Keeper mit einem Lachen: "Deshalb krieg' ich immer Durchschnitt."

Andererseits gilt es gerade in solchen Spielen, den Fokus aufrechtzuerhalten: "Das liegt an unserer Spielweise. Wir sind eine dominante Mannschaft und lassen in der Liga sehr wenig zu. Trotzdem muss man über 90 Minuten sehr konzentriert sein. Denn wenn man einen Fehler macht, hat man nicht mehr die Möglichkeit, ihn auszubessern. Das ist eben die Spielweise eines Torhüters von Red Bull Salzburg."

Dass sein Länderspiel-Debüt ausgerechnet in der Mozartstadt über die Bühne gehen könnte, betrachtet Stankovic wiefolgt: "Das wäre sehr passend und auch sehr emotional für mich, im Salzburger Stadion mein Debüt feiern zu können. Das Land Österreich vertreten zu können, ist für jeden Spieler eine Ehre."

Dass seine Hoffnungen groß sind, leugnet er erst gar nicht: "Wenn ich ehrlich bin, sind sie sehr groß. Ich hoffe, dass ich am Freitag im Tor stehen werde. Aber die Konkurrenz ist natürlich auch groß, die anderen Torhüter machen ihre Sache sehr gut. Ich kann nur mein Bestes geben."

Entscheiden wird - logisch - der Teamchef.

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