In der Serie "Das Tor zur Welt" nehmen wir internationale Fußball-Klubs und ihre Geschichten genau unter die Lupe. Wir beleuchten die Hintergründe, die in der schnellen, täglichen Berichterstattung gerne untergehen.
Von Aston Villa und Benfica Lissabon über Europas größten Fußballklub IF Brommapojkarna, den Fan-Verein CS Lebowski bis hin zum von Kinder gegründeten Vikingur Reykjavik haben wir schon einige interessante Klubs porträtiert. Hier kannst du alle nachlesen >>>
In dieser Ausgabe geht es um den krassen Außenseiter bei der anstehenden Klub-WM: den neuseeländischen Rekordmeister Auckland City FC.
Es war ein Weihnachtsmärchen. Eines, das eigentlich zu schön war, um wahr zu sein.
Am späten Abend des 20. Dezember 2014 reißt Sanni Issa die Arme in die Luft, ehe er Sekunden später unter einer Jubeltraube seiner Teamkollegen begraben wird.
Der nigerianische Mittelstürmer hat soeben den entscheidenden Elfmeter für den Auckland City FC verwandelt - der Amateurklub aus Neuseeland holt tatsächlich sensationell Rang drei bei der Klub-WM.
Auch bei der neu gestalteten Klub-WM ist der Underdog wieder dabei. Zum zwölften Mal ist Auckland City dabei, und damit der weltweite Rekordteilnehmer.
Aber was ist das überhaupt für ein Klub, bei dem sich der Frisör und der Verkäufer Sonderurlaub nehmen müssen, um Harry Kane den Ball vom Fuß zu grätschen?
FC Bayern München vs. Auckland City FC - Sonntag, 18:00 Uhr im LIVE-Ticker >>>
Drei Klubs - einer davon mit "Doppelleben"
Um gleich zu Beginn einmal ordentlich Verwirrung zu stiften: In Auckland gibt es drei Fußballklubs, alle davon tragen "Auckland" und "FC" im Namen.
Neben Auckland City FC sind dies Auckland United FC und Auckland FC. City und United spielen in der neuseeländischen ersten Liga (National League). Der größte der drei, Auckland FC, ist der einzige Profiklub und nimmt an der australischen A-League teil.
Das führt auch dazu, dass die meisten Fans dorthin pilgern, obwohl der Verein erst vor zwei Jahren von einem mexikanischen Milliardär gegründet wurde. Er zieht mittlerweile im Schnitt 18.000 Besucher an.
Auckland City dagegen spielt meist vor wenigen hundert Zuschauern im Stadion in der Kiwitea Street, existiert aber schon etwas länger. Das heutige City wurde 2004 gegründet, die Historie reicht aber weiter zurück. Genauer gesagt, bis in die 60er-Jahre.

Damals wurde von kroatischen Einwanderern ein Vorgängerverein namens "Central United FC" gegründet. Der Klub existiert bis heute - als Tochterverein von Auckland City. Er spielt unterklassig und dient als dessen Talenteschmiede. Man teilt sich Stadion und Trainingsgelände.
Auckland City wurde 2004 anlässlich der Neustrukturierung des neuseeländischen Fußballs ins Leben gerufen - mit dem Ziel einen Klub auf professionellerer Basis zu schaffen, der auch international wettbewerbsfähig ist.
Dies gelang eindrucksvoll: Mittlerweile ist man mit zehn Titeln neuseeländischer Rekordmeister, insgesamt 13 Mal holte man die OFC Champions League - ebenso Rekord. Zwischen 2011 und 2017 gelangen sogar sieben Triumphe in Folge. Auch im Vorjahr holte man den Pokal und qualifizierte sich so für die Klub-WM.
Nichtsdestotrotz ist Auckland City ein semiprofessioneller Klub, vergleichbar mit einem heimischen Regionalligisten. Das Trainerteam ist Voll- oder Teilzeit angestellt, die Spieler dagegen haben Amateurstatus und arbeiten oder studieren nebenher.
Das fußballerische Niveau des Teams bewegt sich etwa auf dem eines mittelständischen, heimischen Zweitligisten.
Klub-WM: Auckland und der Prämien-Irrsinn
Auch das ist also die Klub-WM: Mit einem Teilnehmer, der Champions-League-Rekordsieger ist und vor 300 Zuschauern spielt.
Ein paar mehr dürften es beim Turnier in den USA wohl werden, wenngleich die FIFA mittlerweile Tickets verschenkt, weil sich diese bei weitem nicht so gut verkaufen, wie erhofft.
"Wenn wir Glück haben, landen wir bei plus minus null"
Ob die Klub-WM für die FIFA letztlich ein Minusgeschäft wird, ist noch offen. Für Auckland City könnte das aber durchaus der Fall sein. Das klingt bei eineinhalb Milliarden an Preis- und Startgeldern skurril. Doch von den Monster-Beträgen sieht Auckland City verschwindend wenig.
Gegenüber "11 Freunde" sagt City-Geschäftsführer Gordon Watson: "Wenn wir Glück haben, landen wir bei plus minus null". Der Grund dafür liegt im hohen Aufwand für die Teilnahme im Verhältnis zum Verteilungsschlüssel der FIFA.
Dieser folgt zusammengefasst dem Gesetz des Marktes und nicht der Fairness. Während Teams aus Europa ein Startgeld zwischen zwölf und 35 Millionen einstreichen, bleiben für Ozeanien etwas mehr als drei Millionen. Da Auckland City in einer Gruppe mit Bayern München, Benfica Lissabon und Boca Juniors spielt, kann man davon ausgehen, dass keine Punkt- oder Siegprämien dazukommen.
Infantinos falsch verstandene "Solidarität"
Von diesem Betrag wiederum bleibt lokalen Medienberichten zufolge lediglich ein Bruchteil bei Auckland City - man muss das Gros an den neuseeländischen Fußballverband abtreten. Nicht aber, weil dieser so raffgierig wäre, sondern weil er mit den Geldern die nationalen Klubs unterstützen will, um für mehr Chancengleichheit zu sorgen.
Was übrig bleibt, dürfte gerade einmal die Aufwände für die Klub-WM decken.
Die Aussage von FIFA-Präsident Gianni Infantino muss in den Ohren der Funktionäre von Auckland City geradezu wie ein Hohn klingen: "Die Einnahmen der Klub-WM werden zu 100 Prozent in den Klubfußball reinvestiert. Als Preisgeld an die teilnehmenden Vereine, aber auch als Solidarität an alle anderen Klubs auf der Welt."
Es geht um etwas viel Wichtigeres als Geld
Dennoch überwiegt beim Underdog die Vorfreude, schließlich ist es eine einzigartige Gelegenheit, sich mit den besten Teams der Welt zu messen. "Für uns ist es ein Traum, gegen diese Mannschaften zu spielen. Auf demselben Spielfeld zu stehen, ist schon ein bisschen verrückt", sagt Stürmer Angus Kilkolly.
Der 28-Jährige arbeitet hauptberuflich als Verkaufsleiter in einem Laden für Elektrowerkzeuge und muss sich für das Turnier unbezahlten Urlaub nehmen. Auf ihm ruhen die bescheidenen Offensiv-Hoffnungen: im Vorjahr netzte er in 36 Spielen 16 Mal.
"Ich glaube, er verdient in einer Woche mehr, als ich in einem Jahr Arbeit verdiene."
Gleich zum Auftakt kommt es für ihn zum Aufeinandertreffen mit Bayern-Goalgetter Harry Kane. Es ist ein Duell der krassest möglichen Gegensätze auf der Weltbühne des Fußballs - oder wie es Kilkolly formuliert: "Ich glaube, er verdient in einer Woche mehr, als ich in einem Jahr Arbeit verdiene."
Die Wahrscheinlichkeit, gegen diese Weltklubs etwas mitzunehmen, ist verschwindend gering. Doch für Auckland City gilt das Motto: Man will die Chance nutzen, die man nicht hat.
Fußball-Schwergewichte - "Genau das was wir wollten"
Für Auckland-Coach Paul Posa ist die Klub-WM "eine ganz besondere Gelegenheit, ein wahr gewordener Traum. Wir vertreten nicht nur Auckland, sondern ganz Neuseeland und auch Ozeanien. Es ist aufregend und eine große Ehre".
Respekt habe man vor den schier übermächtigen Gruppengegnern, Angst allerdings keineswegs, wie Posa betont: "Es besteht kein Zweifel, dass wir in einer schweren Gruppe sind. Wir spielen gegen drei globale Fußball-Schwergewichte, die alle einen eigenen Spielstil mitbringen. Aber genau das wollten wir. Es ist eine fantastische Chance für uns."

Genau deshalb müsse man bestmöglich vorbereitet sein. "Wir müssen alles geben und alles versuchen, um für eine Überraschung zu sorgen. Und man weiß nie, was im Sport möglich ist", meint er vielsagend - und denkt in diesem Moment wohl zurück an 2014.
Der dritte Rang bei der damals noch im alten Format ausgetragenen Klub-WM war der größte Erfolg in der Vereinsgeschichte. Ein Team aus Frisören, Verkäufern und Lehrern bot den großen Namen die Stirn.
When Worlds collide
Der Auckland City FC ist der wahr gewordene Traum jedes Hobbykickers - und gerade deshalb ein wichtiges Symbol bei dieser Klub-WM: Niemandem in diesem Verein geht es um Geld. Es geht um Fußball, um das, was (eigentlich) alle so sehr lieben.
Bestimmt gibt es diese Personen auch bei der FIFA. Im Rahmen der Klub-WM kommt es zum direkten Aufeinandertreffen dieser beiden Welten und somit zu der seltenen Gelegenheit, den eigenen Blickwinkel zu korrigieren.
Denn manchmal tut es gut, wenn die "Großen", die glauben zu wissen, wie es geht, den "Kleinen" zuhören. Und lernen - auch wenn das wohl eine reine Hoffnung bleibt.
VIDEO - Neues Millionen-Baby: So läuft die FIFA Klub-WM ab