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Kairat Almaty - Vom Rand Eurasiens in die Königsklasse

Ein Traditionsklub mit bewegter Geschichte und einem Wunderkind im Sturm startet zwischen Steppe und Hochgebirge in sein bislang größtes Abenteuer.

Kairat Almaty - Vom Rand Eurasiens in die Königsklasse Foto: © getty

Um 0:25 Ortszeit hielten im Ortalyk-Stadion in Almaty knapp 23.000 Zuschauer den Atem an!

Daizen Maeda trat zum entscheidenden fünften Elfmeter für Celtic Glasgow an – doch Termirlan Anarbekov, eigentlich bis dahin nur Ersatztorhüter, parierte spektakulär. Ein Moment, der den 21-jährigen Kasachen zum Helden machte und Kairat Almaty erstmals in ihrer 70-jährigen Vereinsgeschichte in die Champions League katapultierte.

"Eine Sensation für den kasachischen Fußball", jubelte die nationale Presse, während die schottischen Medien von einer "Horrornacht" sprachen. Für Kairat war es mehr als ein sportlicher Erfolg: Nach vier nervenaufreibenden Qualifikationsrunden hatte Kairat Almaty nicht nur die Königsklasse erreicht, sondern auch Almaty selbst ins internationale Rampenlicht gehievt.

Der Moment des Erfolgs im Video:

Die Heimat von Kairat

Die Stadt Almaty liegt im Südosten von Kasachstan, nahe der Grenzen zu China und Kirgistan und ist mit knapp 2,2 Millionen Einwohnern ähnlich groß wie Wien. Lange war sie die Hauptstadt des Landes, bis sich die neue kasachische Führung Mitte der 1990er Jahre dazu entschied, diese ins heutige Astana zu verlegen.

Der Umzug der Hauptstadt wurde damals mit der Erdbebengefahr und der Platzknappheit für neue Bauprojekte begründet. Dennoch blieb Almaty ein wichtiges kulturelles, wissenschaftliches und wirtschaftliches Zentrum des Landes.

Das Zentralstadion, die Heimat von Kairat Almaty, liegt malerisch am Fuße des Tian-Shan-Hochgebirges, das rund 400 km breit und bis zu 7439 Meter hoch ist. In Richtung Süden erstreckt sich die endlose kasachische Steppe.

In den Sommermonaten können die Temperaturen brennend heiß sein, im Winter fallen sie auf bis zu minus neun Grad. Hier, zwischen Naturgewalt und städtischem Puls, hat der Klub nun sein "Tor zur Welt" geöffnet – 4600 Kilometer Luftlinie von Wien entfernt, bereit, sich auf die lange Reise durch die europäischen Metropolen zu begeben.

Mit Anarbekov als gefeiertem Helden, dem 17-jährigen Wunderkind Dastan Satpaev, das schon 2026 zu Chelsea wechseln wird, und einem Klub, der nach finanziellen Krisen und Investoreneinstieg wieder aufblüht, beginnt für Kairat Almaty ein neuer Abschnitt.

Die Champions League ist mehr als ein sportliches Abenteuer – sie ist ein Fenster in die Welt, aus dem bisher nur wenige einen Blick auf Kasachstan werfen konnten. 

Erste Fußstapfen

Der östlichste Teilnehmer der diesjährigen Champions-League-Ligaphase wurde 1954 unter dem Namen Lokomotive Alma-Ata gegründet, seit 1956 läuft das Team unter dem heutigen Namen FK Kairat Almaty auf.

Zu Zeiten der damaligen Sowjetunion war der Klub als Einziger aus dem heutigen Kasachstan in der höchsten sowjetischen Liga dabei. Auch wenn die großen Erfolge in dieser Zeit noch ausblieben, verbrachte der Klub immerhin 24 Spielzeiten in der ersten Liga – ein siebter Rang war dabei das höchste der Gefühle.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 und der folgenden Unabhängigkeit Kasachstans trat der FK Kairat Almaty als eines der Gründungsmitglieder der neu geschaffenen Superliga, der höchsten Spielklasse in Kasachstan, an.

Hier gelang direkt im Premierenjahr der erste Meistertitel. In weiterer Folge landete man meist im Mittelfeld der Tabelle, konnte aber immerhin mit dem Pokalsieg 1997 erneut einen Titel feiern.

Teilung des Vereins

Im Jahr 1998 kam es zu einer Teilung des Vereins in zwei Mannschaften. Während der von der Armee finanzierte Verein ZSKA Kairat Almaty in der ersten Liga teilnahm, musste der ursprüngliche Klub, der zwischenzeitlich in SOPFK Kairat Almaty umbenannt wurde, in der zweiten Liga antreten.

Nach einem Jahr gelang jedoch der Wiederaufstieg und so traten zwei Jahre lang zwei Teams aus Almaty in der Liga an. 2002 wurde der ZSKA Almaty aber wieder aufgelöst.

Rund 23.000 Zuschauer passen ins Zentralstadion von Kairat Almaty.
Foto: © getty

Im selben Jahr wechselte auch der kasachische Fußballverband von der Asian Football Confederation zur UEFA, womit Kairat in Zukunft auch an den europäischen Wettbewerben teilnehmen durfte. Die Begründung: Rund zehn bis 15 Prozent der Fläche des Landes liegen in Europa.

Finanzielle Schwierigkeiten und Mittelmaß

Nach dem zweiten Meistertitel im Jahr 2004 wurde es für den Klub aus Kasachstan in den Folgejahren immer schwerer. Zum Ende der Saison 2006/07 zog sich der bisherige Sponsor, das kasachische Eisenbahnunternehmen Temir Scholy, als Geldgeber zurück. Es folgte eine Phase mit finanziellen Problemen, einem freiwilligen Abstieg 2009 und dem Abgang vieler Spieler.

Nach einem Jahr gelang jedoch der direkte Wiederaufstieg und mit dem Unternehmen KazRosGas und dessen Besitzer Kairat Boranbajew als Investor aus der Öl- und Gasindustrie stand der Klub zumindest finanziell wieder besser da. Sportlich ging es weiter gegen den Abstieg, der 2011 nur verhindert wurde, weil die Liga von zwölf auf 14 Teams aufgestockt wurde.

KazRosGas baute in weiterer Folge seine Anteile am Klub weiter aus und hält seitdem 70 Prozent, die restlichen 30 Prozent verbleiben im Besitz der Stadt Almaty. Der Klub festigte sich in weiterer Folge im vorderen Tabellendrittel und nahm regelmäßig an der Qualifikation zur UEFA Europa League teil.

Rückkehr an die Spitze

Nach dem dritten Meistertitel 2020 qualifizierte sich die Mannschaft in der Saison 2021/22 erstmals für einen europäischen Wettbewerb. Kairat Almaty schied jedoch in der Premierensaison der Conference League in einer Gruppe mit Basel, Omonia Nikosia und Qarabag Agdam mit zwei Punkten als Letzter aus.

2024 wurde Almaty zum vierten Mal Meister, dazu kommen bis heute zehn Pokalsiege und der dreimalige Gewinn des Supercups.

Einmal um die Welt beim CL-Debüt

Nach Jahrzehnten voller Höhen und Tiefen, finanzieller Krisen und Comebacks steht Kairat Almaty nun unmittelbar vor dem Champions-League-Debüt.

Die Auslosung der Ligaphase brachte unter anderem ein Heimspiel gegen Real Madrid, sowie Auswärtsreisen zu Inter Mailand und Arsenal London. Die geographische Lage von Almaty führt dazu, dass der Klub für die vier Auswärtsspiele in London, Lissabon, Mailand und Kopenhagen ganze 44.982 Kilometer zurücklegen muss – das ist mehr als einmal um die ganze Welt.

Diese Elf schaffte gegen Celtic Glasgow im Playoff die Sensation.
Foto: © getty

Allein für das Auswärtsspiel in Lissabon müssen die Kasachen fast 7000 Kilometer zurücklegen. Das ist neuer Distanz-Rekord in der Königsklasse. Zum Vergleich: Ungefähr so weit liegen Wien und New York City auseinander.

Ein Wunderkind und mehrere bekannte Namen

Doch bei all den Strapazen, inklusive Zeitverschiebungen, steht das Erreichte über allem.

Spieler wie Elfmeter-Held Anarbekov, Wunderkind Dastan Satpaev oder Trainer Rafael Urazbakhtin sind zwar in Europa unbekannt, stehen aber für den Erfolg des Underdogs der diesjährigen Champions-League-Saison.

Vor allem Satpaev rückt dabei in den Fokus. Der 2008 geborene Stürmer erzielte bereits in der vergangenen Saison mit 16 Jahren neun Tore in 24 Spielen und ist die große Hoffnung seines Landes. Seine Leistungen blieben auch in Europa nicht verborgen, an seinem 18. Geburtstag, am 12. August 2026, wechselt der Youngster für 2,4 Millionen Euro zum FC Chelsea.

Mit einem Kaderwert von 12,53 Millionen Euro ist Kairat der Teilnehmer mit der geringsten Taxierung in der Champions League und damit ziemlich genau so viel wert wie der Kader von Blau-Weiß Linz (12,28 Millionen Euro). 

Doch auch ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass bereits einige bekannte Namen das gelb-schwarze-Trikot getragen haben. So kickten unter anderem Andrei Arschawin, Vagner Love und Anatolij Tymoschtschuk in Almaty.

Kairat Almaty und FK Astana – zwei Gegensätze des kasachischen Fußballs

Während Almaty schon seit mehreren Jahrzehnten in Kasachstan für Furore sorgt und sich einen Namen gemacht hat, hat der 2009 gegründete Hauptstadtklub FK Astana den Traditionsverein in den letzten Jahren als Nummer eins abgelöst. 

So war Astana seit der Gründung nie schlechter als Fünfter, wurde insgesamt siebenmal Meister und stand in der Saison 2015/16 sogar als erste kasachische Mannschaft überhaupt in der Champions League.

Astana steht für moderne Professionalisierung, staatliche Förderung und sportliche Dominanz, Kairat hingegen für Tradition, Talente, eine leidenschaftliche Fanszene und die tiefe Verwurzelung in der Bevölkerung von Almaty.

Innerhalb des Landes wird der Konkurrenzklub aus der "neuen" Hauptstadt stark mit der Regierung und dem Staatsapparat assoziiert. Während vor allem für Fußball-Romantiker der Klub in Almaty als der "wahre" Verein in Kasachstan angesehen wird.

Umso schöner ist für die Anhängerschaft des Traditionsklubs nun das Debüt in der Königsklasse. Denn es ist mehr als nur ein sportliches Abenteuer – es ist ein Stück Identität, Stolz und das Gefühl, endlich auf der größtmöglichen Bühne zu stehen.

Und vielleicht erinnern wir uns in ein paar Jahren nicht nur an Astana, wenn vom kasachischen Fußball die Rede ist – sondern an jene magische Nacht, in der ein Ersatztorhüter zur Legende wurde und Kairat Almaty das "Tor zur Welt" aufstieß.

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