Zwei Spieler, zwei Stürmer. Brüder aus dem malerischen Piacenza, über die man einst sagte, sie könnten beide gar nicht kicken.
Die Rede ist von Filippo "Superpippo" und Simone Inzaghi. Als Spielertypen ähnelten sie einander und auch optisch gleichen sie wie ein Ei dem anderen.
Doch es war der zwei Jahre ältere Pippo (51), der als Aktiver die größere Karriere machte. 2012 beendete er im Alter von fast 39 Jahren seine Laufbahn – unvergessen für jene, die ihn spielen sahen.
"Arrivederci" mit einem Tor
Sir Alex Ferguson nannte ihn einst "den Mann, der im Abseits geboren wurde". Seine Tore waren oft dreckig, manchmal stümperhaft – oder eben wunderschön. Ganz wurscht, der Ball musste ins Tor. Pippo ging es nicht um das Wie, es ging ihm um den Jubel danach.
Wie am 13. Mai 2012: Pippo nimmt eine Flanke mit der Brust an und versenkt den Ball volley zum 2:1-Siegtor für die AC Milan – in seinem allerletzten Spiel. Einmal noch breitete er die Arme zum Jubel aus, als wolle er jeden einzelnen der Tifosi, vor denen er jubelte, umarmen.
Es war seine unvergleichliche Art, "Arrivederci" zu sagen.
Zwölf Jahre später: Ein anderer Inzaghi auf dem Thron
22. April 2024, Derby della Madonnina. Milan gegen Inter, Runde 33. Das San Siro bebt, als "Dompteur" einer ganzen Arena fungiert Simone Inzaghi. An der Seitenlinie tigert er wild gestikulierend auf und ab, als wolle er seine Spieler fernsteuern.

"Auf der Bank wirkt er wie ein Dämon, weil er das Spiel genauso lebt, wie ich damals als Spieler", sagte Pippo einst über seinen Bruder. Als der Schlusspfiff ertönt und Inter das Spiel 2:1 gewinnt, reißt Simone die Arme hoch – Inter ist fünf Runden vor Schluss Meister. Und das mit einem Derby-Triumph über den Erzrivalen.
Der historische 20. Scudetto für die "Nerazzurri" – der zweite Stern – geht auf das Konto von Simone. Die Spieler tragen ihren Coach wie einen Messias über den Rasen. Es ist sein Gipfelsieg.
Zwei Herzen in Pippos Brust
Filippo Inzaghi verfolgt das Spiel auf der Pressetribüne – als DAZN-Experte. An diesem Abend schlagen zwei Herzen in seiner Brust, doch das für seinen Bruder schlägt lauter.
"Er hat bewiesen, dass er einer der besten Trainer Europas ist. Ich freue mich mit ihm, der Fußball braucht Leute wie ihn. Er ist ein Mann, der es verdient hat", sagte er später sichtlich bewegt.
Spiegelverkehrte Karrieren
Als Spieler war er der Strahlemann, als Trainer immer wieder angezählt: Zwei Monate vor Inters Meisterstück musste Pippo bei Salernitana gehen. Zwar holte er mit dem Absteiger die einzigen beiden Saisonsiege, doch das reichte nicht.
Simone hingegen erlebt als Trainer jenen steilen Aufstieg, den sein Bruder als Spieler hatte. Seine Entwicklung geht seit Jahren konstant nach oben – mittlerweile zählt er zur Elite Europas.
Pippos Comeback in Pisa
Und doch gelang es dem älteren Inzaghi in dieser Saison, ein Stück aus dem Schatten zu treten: Mit Pisa schaffte er den Aufstieg in die Serie A – nach 34 Jahren. Der Klub war zuletzt nur mehr Mittelmaß in der Serie B. Filippo übernahm das Team auf Rang 13, machte daraus binnen eines Jahres einen Titelkandidaten.
In der obersten Spielklasse wollte es für ihn bisher nicht klappen. Seine erste Trainerstation hatte er 2014/15, ausgerechnet bei den damals desolaten "Rossoneri". Er wurde am Ende nur Zehnter - mit einem Kader und einer Führungsetage, die wenig hergaben.

Doch mit seinem Erfolg in Pisa untermauerte er seinen Ruf als Aufstiegsexperte: Mit Venezia schaffte er den Sprung in die Serie B, mit Benevento sogar in die Serie A.
"Pippo Inzaghi ist ein Einzelkind"
Während Simone die Titel abräumt, wurde Pippo lange verspottet – vor allem von Inter-Fans. Beim Derby im September 2022 konterten die Milanisti mit einem Transparent: "Pippo Inzaghi figlio unico" – Pippo Inzaghi ist ein Einzelkind.
Die Brüder nehmen es gelassen. Simone meinte einmal dazu: "Ich weiß, sie lieben ihn – und ich habe Verständnis. Aber mich gibt es trotzdem."
Familie vor Fußball
Trotz sportlicher Konkurrenz bleibt die Familie unerschütterlich. Die Brüder telefonieren mehrmals pro Woche, bewerten einander mit Respekt – ganz ohne Neid.
"Er ist ein Beispiel für jeden Trainer", sagt Filippo über Simone. Der Inter-Coach wiederum betont immer wieder, wie sehr ihn die Zielstrebigkeit seines Bruders inspiriert habe.
Der große Showdown: Inzaghi gegen PSG
In der kommenden Saison kommt es erneut zum Bruder-Duell – diesmal Pisa gegen Inter. In den bisherigen drei Begegnungen hatte Pippo wenig zu lachen. Ein 0:2 mit Bologna, ein 1:1 mit Benevento – und eine 3:5-Niederlage gegen Lazio im April 2021.
"Marina, meine Frau, hat ein Wunder vollbracht. Dank ihr wurden Simone und Filippo zu dem, was sie sind."
Doch ehe es soweit ist, steht noch das nächste große Kapitel bevor: Am Samstag kämpft Simone Inzaghi mit Inter gegen Paris Saint-Germain um den Champions-League-Titel (ab 21 Uhr im LIVE-Ticker >>>). 2023 verlor er noch knapp gegen Manchester City – diesmal soll der Henkelpott her.
Das Jahr der Inzaghis?
Während Pippo in Pisa zum Helden wurde, könnte Simone den größten Triumph seiner Karriere feiern. Zweimal durfte Filippo den Pokal als Spieler in den Himmel stemmen. Nun will Simone ihm als Trainer nacheifern.
Einer ist auf jeden Fall überglücklich: Papa Giancarlo Inzaghi. "Marina, meine Frau, hat ein Wunder vollbracht. Dank ihr wurden Simone und Filippo zu dem, was sie sind. Sie bezaubern mich, seit sie 16 Jahre alt sind. Und jetzt, mit 77 Jahren, bin ich ein wirklich überglücklicher Vater", schwärmt er über seine Söhne.
Der Stolz des Vaters ist den beiden sicher. Und wenn Inter den Titel holt, wird 2025 endgültig als das Jahr der Inzaghis in die Geschichte des italienischen Fußballs eingehen.