Am vergangenen Wochenende kam Jusuf Gazibegovic zu seinem ersten Einsatz in der Deutschen Bundesliga.
Beim 4:1 über den SC Freiburg durfte er in den letzten 25 Minuten mitwirken. Ein perfekter Saisonstart für den "Effzeh", der alle drei bisherigen Pflichtspiele gewinnen konnte.
In den Tagen davor nahm sich Gazibegovic Zeit für ein Interview mit LAOLA1. In diesem spricht der Ex-Sturm-Akteur über seine bisherige Zeit in Köln, die Titelchancen der "Blackies" und seinen ersten Verein Austria Salzburg, dessen Comeback im Profifußball auch ihm sichtlich viel Freude bereitet.
Außerdem sind natürlich die bevorstehenden Duelle zwischen Bosnien und Österreich ein zentrales Thema. Sollte er für das Rückspiel in Wien einberufen werden, könnte es zum direkten Duell mit Ex-Sturm-Kollege Alexander Prass kommen. "Wenn es soweit ist, kommt er in meine rechte Hosentasche", lacht Gazibegovic.
LAOLA1: Du bist seit einem dreiviertel Jahr beim 1. FC Köln – wie hast du dich in Mannschaft und Stadt eingelebt?
Jusuf Gazibegovic: In der Stadt habe ich mich sehr gut eingelebt, das ist auch nicht schwer in Köln. Die Menschen hier sind sehr nett und du findest dich schnell zurecht. Auch in der Mannschaft hat das gut geklappt, das sind ziemlich coole Typen. Sie haben es mir sehr leicht gemacht. Was das angeht, kann ich mich wirklich nicht beklagen.
LAOLA1: Euch ist vergangene Saison der Aufstieg gelungen. Gab es dabei einen Moment, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Jusuf Gazibegovic: Der Aufstieg an sich war der beste Moment. Es war am Ende ja noch ziemlich spannend, insbesondere das Spiel gegen Kaiserslautern. Das wird mir für immer in Erinnerung bleiben.
"Köln ist ein großer Verein in Deutschland, der nun endlich wieder zurück in der Bundesliga ist und da gehört er auch hin."
LAOLA1: Der Aufstieg, die tolle Stimmung: Wie hast du die Atmosphäre in Köln, auch hinsichtlich der Fans, bisher aufsaugen können?
Gazibegovic: Das hat hier schon eine enorme Wucht. Man merkt, dass es noch viel mehr Menschen sind, die hinter dem Verein stehen. Nicht nur hier, auch über die ganze Welt verteilt, gibt es so viele, die den Verein sehr lieben. Das hat man auch im Trainingslager gemerkt, da reisen die Fans sogar mit. Köln ist ein großer Verein in Deutschland, der nun endlich wieder zurück in der Bundesliga ist und da gehört er auch hin.
LAOLA1: Wie hat sich der Spieler Jusuf Gazibegovic seit seiner Ankunft in Deutschland verändert?
Gazibegovic: Ich denke, dass ich mich schon wieder einen Schritt weiterentwickeln konnte. Am Anfang hatte ich keine einfache Zeit, da die Umstellung für mich ein wenig schwierig war. Als Mannschaft haben wir nicht den schönsten oder besten Fußball gespielt, aber er war erfolgreich. Dann kam noch die Verletzung dazu. In solchen Situationen lernt man dazu. In den letzten beiden Spielen wurde ich von null auf hundert wieder reingeschmissen. Das war vielleicht ein kleines Risiko, aber ich habe mich bereit gefühlt. In diesen Partien habe ich in "meinem" System gespielt und gezeigt, was für ein Typ ich bin. Jetzt bin ich topfit und versuche es so gut zu machen, wie es geht.
"Es gibt keine Auswärtsfahrten wie nach Hartberg, wo du vor 2.000 oder 3.000 Leuten spielst."
LAOLA1: Du hast es angesprochen: Der Wechsel war eine Umstellung. Wo siehst du die größten Unterschiede zwischen dem Fußball in Graz und in Köln?
Gazibegovic: Wenn ich es auf die zweite Bundesliga beziehe, ist es ein ähnlicher Fußball wie in Österreich. Sehr physisch, zweikampfbetont, viel Pressing und Laufarbeit. Der größte Unterschied ist sicher die Wucht von den Rängen. Bei jedem Spiel sind viel mehr Zuschauer. Es gibt keine Auswärtsfahrten wie nach Hartberg, wo du vor 2.000 oder 3.000 Leuten spielst. Auch medial umgibt den Klub ein ganz anderes Umfeld. Es sind mehrere kleine Faktoren, die alles herausfordernder machen. Daran musst du dich gewöhnen und stark sein. Ich denke, das habe ich langsam drauf.
LAOLA1: Inwiefern verfolgst du die Entwicklung bei deinem Ex-Klub Sturm Graz noch?
Gazibegovic: Ich schaue mir nach Möglichkeit jedes Spiel von Sturm an. Ich denke, sie machen dort weiter, wo sie aufgehört haben. Immer, wenn es so schien, als würde Sturm taumeln, hat man bewiesen, dass es anders ist. Sie haben sich da rausgeboxt. Viele denken, dass es heuer nicht so laufen wird, wie in den letzten Jahren, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass sie es auch diesmal wieder hinbekommen.

LAOLA1: Einer der Kritikpunkte an Sturm betrifft die Spielidee, die du ja auch gut kennst. Es gibt durchaus Stimmen, die meinen, die Spielidee von Sturm könnte ein Update vertragen. Wie siehst du das?
Gazibegovic: Als ich bei Sturm war, haben wir vier, fünf Jahre lang richtig guten Fußball gespielt. Ich verstehe, dass so etwas aufkommt, wenn es eine Klatsche gibt wie gegen Bodö/Glimt im Hinspiel. Aber man darf nicht vergessen, dass Bodö/Glimt letztes Jahr Europa-League-Halbfinale gespielt hat. Sie haben keinen großen Namen, aber wenn man sich ansieht, wie sie spielen, wie sie Sturm gefordert haben – das ist schon eine sehr hohe Qualität. Dazu kam jetzt eine Niederlage gegen Rapid in der Liga, aber auch da waren sie meiner Meinung nach das bessere Team. Trotzdem glaube ich, dass der Grazer Weg ganz klar ist und auch wieder zum Erfolg führen wird.
LAOLA1: Auch wenn es schade um die Champions League ist: Passt Sturm sportlich nicht ohnehin besser in die Europa League?
Gazibegovic: Das sehe ich nicht unbedingt so. Ja, vielleicht hast du sportlich in der Europa League mehr Chancen, weil die Gegner "schwächer" sind. Aber ein Spieler will immer so hoch spielen, wie es geht. Der Traum jedes Spielers ist die Champions League. Auch letztes Jahr haben viele gedacht, Sturm hat in der Champions League nichts verloren und trotzdem war bis auf Atalanta kein Spiel dabei, wo man abgeschossen wurde. Ansonsten hat man in jedem Spiel gezeigt, dass man mithalten kann. Gegen Dortmund waren wir ja ganz nah dran an der Sensation. Auch für den Verein selbst ist es finanziell besser, in der Champions League zu spielen.
"Austria Salzburg ist natürlich auch ein sehr geiler Verein. Als ich da hingekommen bin, war die Austria für mich das geilste, was es gibt."
LAOLA1: Ich entnehme deinen Worten, dass Sturm für dich heuer wieder der große Titelfavorit in der Bundesliga ist? Wen siehst du noch als Anwärter auf die Meisterschaft?
Gazibegovic: Sturm ist für mich nach wie vor die einzige Mannschaft in Österreich, wo es vom Gesamtpaket her am meisten passt. Es harmonieren Trainer, Mannschaft und Fans. Natürlich ist die Saison noch lange und der Fußball kann verrückt sein. Das sieht man ja zum Beispiel an der WSG Tirol (lacht). Aber für mich ist Sturm wieder der größte Titelkandidat, auch wenn es natürlich interessant zu sehen sein wird, was die anderen machen. Mit Salzburg und Rapid gibt es zwei sehr starke Herausforderer.
LAOLA1: Du hast deinen Ex-Klub Red Bull Salzburg angesprochen, bei dem du auch ausgebildet wurdest. Deine ersten Schritte im Fußball hast du aber bei Austria Salzburg gemacht. Wie findest du es, dass der Klub wieder zurück im Profifußball ist?
Gazibegovic: Austria Salzburg ist natürlich auch ein sehr geiler Verein. Als ich da hingekommen bin, war die Austria für mich das geilste, was es gibt. Ich weiß nicht mehr genau, in welcher Liga sie damals gespielt haben.
LAOLA1: Im Jahr 2009 hat Austria Salzburg noch in der Landesliga gespielt.
Gazibegovic: Genau, ich wusste noch, es war weiter unten. Da habe ich mir gedacht: Warum kommen hier so viele Leute ins Stadion? Das fand ich natürlich cool. Es gibt ja diesen Spruch: "Die Austria wird euch alle überleben". Das leben sie auch und das finde ich richtig geil. Ich hoffe, sie schaffen es irgendwann in die Bundesliga. Das wären sehr coole Derbys. Ich war danach auch bei Red Bull Salzburg. Ich weiß, dass das kein einfaches Thema ist. Ich bin beiden Vereinen sehr, sehr dankbar. Es ist einfach richtig cool, zwei solche Vereine in der Stadt zu haben.

LAOLA1: Dein Österreich-Bezug wird ja bald wieder lebendig: Demnächst trifft Bosnien auf das ÖFB-Team. Wie groß ist da schon die Vorfreude und schlagen da vielleicht auch zwei Herzen in deiner Brust?
Gazibegovic: Ich bin in Österreich geboren und aufgewachsen. Und ich verbinde sehr viel Liebe mit Österreich. Ein größerer Teil meines Herzens schlägt aber für Bosnien, weil ich so aufgewachsen bin. Ich war auch immer sehr viel in Bosnien, wenn ich frei hatte oder wenn wir im Urlaub waren. Ich wollte unbedingt für das Land auflaufen, weil ich sehr viel dafür empfinde. Bei Arjan Malic und Amar Dedic ist das ja ähnlich. Es wird sicher ein sehr interessantes Spiel und ich glaube, es werden in Wien sehr viele Fans sein, die nicht wissen werden, zu wem sie halten sollen (lacht). Ich kann es kaum erwarten, das wird ein richtiges Highlight.
"Wenn es soweit ist, kommt er dann in meine rechte Hosentasche."
LAOLA1: Auf dem Feld könnte es zu einem Duell mit deinem ehemaligen Sturm-Teamkollegen Alexander Prass kommen. Habt ihr schon darüber gesprochen?
Gazibegovic: Nein, das nicht. Aber es wäre natürlich cool, sich wieder mal auf dem Platz zu treffen. Ich kenne Prassi ja schon sehr lange, seit wir kleine Jungen waren und in Salzburg gespielt haben. Bei Sturm haben wir uns dann wieder getroffen und dieses Jahr treffen wir uns auch in der Bundesliga. Wenn es soweit ist, kommt er dann in meine rechte Hosentasche (lacht).
LAOLA1: Welche Stärken hat die bosnische Mannschaft? Was spricht im Spiel gegen Österreich für Bosnien?
Gazibegovic: Wir hatten in den letzten Jahren eine sehr schwierige Phase. Es gab immer wieder viel Wirbel um die Mannschaft. Unsere größte Stärke ist der Zusammenhalt, wir würden für unser Land alles geben. Das macht uns auch sehr stark. Außerdem haben wir durch unsere Topspieler sehr viel individuelle Qualität. Österreich ist natürlich der Favorit, das ist ganz klar. Aber ich denke, dass wir mit unserer Leidenschaft und der Liebe zu unserer Heimat sehr viel bewegen können. Ein großer Pluspunkt sind auch die Fans. Auch sie leben sehr für das Land und geben alles. So kann im Stadion eine richtige Wucht entstehen.
LAOLA1: Bosnien, Österreich und Rumänien werden sich voraussichtlich um den Gruppensieg matchen. Ist Österreich für dich darunter der große Favorit?
Gazibegovic: Ja, ganz klar. Wenn man sich nur ansieht, bei welchen Vereinen oder in welchen Ligen die Spieler spielen. Da ist Österreich auf dem Papier natürlich der Favorit. Aber man spielt nicht Fußball, um Zweiter zu werden. Ich glaube, man muss Österreich als kleinere Nation ein bisschen ärgern und dann sieht man, wozu es reicht. Ich denke, wir (Bosnien, Anm.) stehen mit neun Punkten gut da. Das heißt, Österreich muss punkten. Mit Rumänien ist eine Mannschaft in der Gruppe, die ein wenig unterschätzt wird. Sie haben im Spiel gegen uns gezeigt, dass sie richtig Qualität haben. Das wird für Österreich keine einfache Aufgabe.
LAOLA1: Lass uns noch kurz über deine persönliche Zukunft sprechen. Wo siehst du dich selbst in den nächsten Jahren und welche Ziele möchtest du noch erreichen?
Gazibegovic: Ich will hier in Deutschland richtig Fuß fassen und so viele Spiele machen, wie nur möglich. In den letzten Jahren habe ich 50 oder 60 Spiele pro Saison gemacht, was richtig viel ist. An erster Stelle möchte ich gesund bleiben. Ansonsten denke ich gar nicht so weit voraus. Ein Ziel, das mir noch einfällt, ist, mit dem Nationalteam ein großes Turnier zu spielen. Ich habe in meiner Karriere schon in vielen großen Bewerben gespielt, aber das fehlt mir noch.
LAOLA1: Zum Abschluss noch eine Prognose: Wo landet der 1. FC Köln am Ende dieser Saison?
Gazibegovic: Als Aufsteiger versucht man immer, sich so schnell wie möglich in eine sichere Tabellenregion zu bewegen und den Klassenerhalt zu sichern. Und wenn das gelingt, können wir weiter nach oben schauen.