18. Mai 2025. Der FC Schalke 04 trifft am letzten Spieltag der Saison 2024/25 in der 2. Deutschen Bundesliga auf die SV Elversberg.
Das Wetter ist für einen Frühlingstag gut, die Stimmung in der Veltins Arena ebenfalls. Die Fans beklatschen seit Beginn der zweiten Halbzeit euphorisch jeden Ballkontakt der eigenen Spieler, durch das Stadion gehen Laola-Wellen. "Oh, wie ist das schön" hallt es seit Minuten von den Rängen. Würde man die Tabelle nicht kennen, könnte man meinen, dass die "Königsblauen" im eigenen Stadion gerade den Aufstieg ins deutsche Oberhaus fixiert haben.
Doch der Schein trügt – und von der Deutschen Bundesliga könnten die "Königsblauen" derzeit nicht weiter entfernt sein. Die Jubelstimmung im Stadion ist aufgesetzt, die Fans verhöhnen das eigene Team beinahe eine komplette Halbzeit lang.
Die schlechteste Saison der Vereinsgeschichte
Unter den Anhängern hat sich Frust breit gemacht, sie werden gerade Zeuge davon, wie ihr Verein die schlechteste Saison der 121-jährigen Vereinsgeschichte mit einer Niederlage beendet – der insgesamt 16. der abgelaufenen Spielzeit. Während Elversberg durch den 2:1-Erfolg auf den Bundesliga-Relegationsplatz springt, ist die Stimmung auf Schalke am Tiefpunkt. Mal wieder.
Denn der Traditionsklub befindet sich seit Jahren im freien Fall. Seit der Saison 2017/18, als man unter Domenico Tedesco Vizemeister wurde, ging es – mit Ausnahme der Zweitliga-Meisterschaft in der Spielzeit 2021/22 – stetig bergab. In der kommenden Saison ist man zum dritten Mal in Folge nur zweitklassig, zu den Aufstiegsfavoriten wird man ein weiteres Jahr nicht zählen.
Erneut steht ein Umbruch an – und damit die vielleicht letzte Chance, den Absturz in die Bedeutungslosigkeit zu verhindern. Machen die Königsblauen nämlich erneut die gleichen Fehler wie in der Vergangenheit, droht ein Absturz, wie ihn bereits Klubs wie Alemannia Aachen, Dynamo Dresden oder 1860 München erleiden mussten.
Die Gefahr der 3. Liga ist real, finanziell würde der Klub aus Gelsenkirchen mit Neo-Trainer Miron Muslic einen möglichen Abstieg wohl nicht überleben. LAOLA1 stellt die drei Hauptprobleme vor, mit denen der Zweitligist bereits seit Jahren zu kämpfen hat.
1 - Das Schalker Trainerkarussel
Wohl kaum ein Faktor wird die Zukunft des Klubs so beeinflussen, wie der nächste Trainer. Dieser kommt aus Österreich und heißt Miron Muslic. Damit hat Muslic Schalke überzeugt >>>

Die Schalker haben sich in der abgelaufenen Saison zwei Runden vor Schluss von Trainer Kees van Wonderen getrennt – der erst während der Saison von seinem schon im Oktober entlassenen Vorgänger Karel Geraerts übernommen hat.
Auf Interimstrainer Jakob Fimpel folgt nun Muslic – womit bei Schalke in der kommenden Spielzeit der zwölfte Trainer in den letzten fünf Jahren an der Seitenlinie steht. Länger als ein Jahr blieb von den letzten elf Trainern nur Dimitrios Grammozis im Amt, er kommt auf 369 Tage als Schalker Cheftrainer – und offenbart damit das wohl größte Problem beim Klub aus dem Ruhrpott.
Denn Trainerentscheidungen wurden in der Vergangenheit oft leichtfertig gefällt, Kontinuität gab es so gut wie keine. Nach einheimischen Fehlgriffen wie Dimitrios Grammozis oder Frank Kramer versuchte man es auf Schalke zuletzt mit ausländischen Trainern wie dem Belgier Karel Geraerts oder Kees van Wonderen aus den Niederlanden.
Sie alle vereinte dabei vor allem eins: Sie hatten keine klare Spielphilosophie und konnten mit ihrem biederen und eher defensiven Fußball keine Euphorie entfachen. Dazu wechselten unter ihnen häufig Spielsystem und Formationen, wodurch Spieler, die für das System eines bestimmten Trainers verpflichtet wurden, beim nächsten überhaupt keine Rolle mehr spielten.
Muslic soll Schalke zurück in die Spur bringen
Mit Miron Muslic steht der neue Cheftrainer ab der Saison 2024/25 nun fest. Die Aufgabe könnte für den 42-Jährigen fast nicht schwieriger sein, der Österreicher mit bosnischen Wurzeln stieg zuletzt mit dem englischen Profiklub Plymouth Argyle in die dritte Spielklasse ab.
Aufbruchsstimmung kann wohl auch er nicht entfachen, die Reaktionen in den sozialen Medien fielen nach den publik gewordenen Verhandlungen eher verhalten aus, hatte man – wie es der Verein eigentlich versprochen hatte – mit ligaerprobten Trainern wie Christian Titz oder Lukas Kwasniok gerechnet. Dazu wird für Muslic erneut eine Ablöse fällig, die bei einer kolportierten Millionen Euro liegen soll – Geld, das auch in den Kader investiert werden hätte können.
Doch anders als seine Vorgänger, steht der Österreicher für eine klare Spielphilosophie: Er hat bei jedem seiner Klubs ein intensives Pressing implementiert, konnte zudem stets die Fans auf seine Seite ziehen. Auch wenn seine bisherigen Stationen auf den ersten Blick wenig Hochstimmung aufkommen lassen, lohnt sich eine nähere Betrachtung.
Cercle Brügge führte er in Belgien von einem Abstiegsplatz überraschend nach Europa, dem bei seiner Übernahme schon auf dem letzten Tabellenplatz liegenden Zweitligisten Plymouth Argyle konnte er zumindest wieder Leben einhauchen. Im FA-Cup sorgte man mit einem 1:0-Sieg über den FC Liverpool zudem für die Pokalsensation der Saison. Mit einem Schnitt von 1,26 Punkten pro Spiel übertraf Muslic jenen seines Vorgängers Wayne Rooney (0,84) deutlich. Rechnet man diesen auf die ganze Saison hoch, hätte der Klub als 13. souverän die Klasse gehalten.
Viel Anlaufzeit wird dem Österreicher auf Schalke aber wohl nicht gewährt werden, er muss auf Anhieb liefern – und wohl auch erstmals in seiner Karriere hohem Mediendruck standhalten. Ob dies gelingt, wird auch vom Kader abhängig sein.
Alle österreichischen Trainer in der 2. Deutschen Bundesliga
2 - Baustelle Kader: Viel Fluktuation, wenig Substanz
Damit offenbart sich die zweite Baustelle der Schalker. Ebenso wie auf der Trainerposition gab es auch im Kader in den vergangenen Jahren keine Kontinuität. Spieler kamen und gingen, hinterließen dabei verbrannte Erde und klammere Geldbeutel.
In den letzten Jahren erwiesen sich wenige Transfers als Volltreffer, jahrelang hatte man mit finanziellen Altlasten und zu hoch dotierten Verträgen zu kämpfen. Dass Stammspieler den Klub über Jahre prägten, gab es nur selten. Führungspersönlichkeiten und Identifikationsfiguren suchte man vergeblich.
In den vergangenen Saisonen wechselten Spieler wie Timo Baumgartl, Florent Mollet, Lino Tempelmann oder Paul Seguin mit großen Vorschusslorbeeren nach Gelsenkirchen, konnten aber nicht nachhaltig überzeugen. Wenn sich Spieler aufgedrängt haben, dann meist Akteure aus der eigenen Jugend oder Leihspieler. Die Mittel auf dem Transfermarkt sind aufgrund finanzieller Probleme begrenzt, selbst bei hohen Transfereinnahmen ist nur eine kleine Summe reinvestierbar.
Vor der abgelaufenen Saison sollte Ex-Frankfurt-Scout Ben Manga mit klugen Transfers für eine Lösung sorgen, ihm wurde als Kaderplaner, Direktor Profifußball und Scout viel Macht und freie Hand für Transfers gegeben. Das Ergebnis ist ernüchternd: Von 16 Neuzugängen konnte nur Moussa Sylla vollumfänglich überzeugen. Der Stürmer war mit 16 Treffern einer der Lichtblicke in der abgelaufenen Saison und steht im Sommer vor einem Wechsel, soll Geld in die klammen Vereinskassen spülen.
Aufgrund der schwachen Bilanz wurde Manga bereits wieder degradiert, Werder-Legende Frank Baumann wurde stattdessen zum neuen Vorstand Sport bestellt. Der neue Sportchef muss dabei auch ein Problem in den Griff bekommen, das seit Jahren sinnbildlich für die Kaderplanung des Traditionsklubs steht: Die Torhüterposition.
Von Fraisl bis Heekeren: Die Suche nach der Nummer eins
In den letzten fünf Spielzeiten kamen bei den "Knappen" neun Torhüter zum Einsatz, das "Einserleiberl" wechselte oft mehrfach während der Saison. Die langjährige Vereinsikone Ralf Fährmann wurde mehrfach degradiert und schlussendlich in die zweite Mannschaft versetzt. Frank Rönnow, Martin Fraisl und Alexander Schwolow blieben nur jeweils eine Saison beim Verein.
Zur Saison 2024/25 verpflichtete man mit Ex-Bayern-Junior Ron-Thorben Hoffmann eine neue Nummer eins – dem nach der Vorbereitung Eigengewächs Justin Heekeren vorgesetzt wurde. Dieser wurde aufgrund ungenügender Leistungen in der Winterpause von Neuzugang Loris Karius ersetzt. Hoffmann ergriff die Flucht nach Braunschweig, wo er den Klub mit starken Spielen in der Liga halten konnte.
Nach nur vier Spielen verletzte sich Karius allerdings – wodurch die restliche Spielzeit erneut Heekeren zwischen den Pfosten stand.
In der kommenden Spielzeit ist die Situation unklar: Hofmann wechselt fix nach Braunschweig, Karius' Vertrag läuft aus und Fährmann wurde bereits verabschiedet – wodurch der umstrittene Heekeren, Stand jetzt, erneut zum Stammtorhüter avancieren würde.
3 - Schalkes finanzieller Drahtseilakt
Noch komplexer machen die Situation in Gelsenkirchen die finanziellen Rahmenbedingungen. Denn der Klub hat Druck, bald wieder in die Deutsche Bundesliga aufsteigen zu müssen. Weitere Jahre in der zweithöchsten Spielklasse des Landes kann sich der Verein nicht leisten, einen Abstieg ohnehin nicht. Wie die "Bild" im März berichtete, soll sich der derzeitige Schuldenstand auf rund 149,8 Millionen Euro belaufen.
In der ersten Saisonhälfte machte man zwar einen Gewinn von 6,6 Millionen Euro, die Eigenkapitalregelung erfüllte man aber nur knapp. "Es ist eine Punktlandung"; sagte Christina Rühl-Hamers, Mitglied des Vorstands und zuständig für den Bereich Finanzen. Um ein Haar hätte den Schalkern ein Punkteabzug gedroht. Dass die finanzielle Situation weiter prekär ist, gab man offen zu.
"Im Kalenderjahr 2024 mussten wir rund 16 Millionen Euro für Zins und Tilgung aufwenden. Gleichzeitig standen wir im selben Zeitraum in der Pflicht, einen Überschuss zu erzielen, um das Konzerneigenkapital um über fünf Millionen Euro zu verbessern. Allein diese Zahlen belegen eindrucksvoll, wie herausfordernd der Balanceakt ist, den Schalke vollziehen muss", sagte Rühl-Hamers.
Für die Punktlandung ursächlich waren aber nicht sportliche Gründe, sondern vor allem Einnahmen durch Konzerte im Stadion - wodurch mitunter Taylor Swift oder ACDC den Verein vor einem Punkteabzug bewahrt haben.
Fehler verboten
Durch den ausbleibenden Erfolg verliert Schalke aber pro Saison Geld – trotz maximaler Stadionauslastung und nach wie vor hohem Fanaufkommen. Abhilfe sollte das Modell einer Fördergenossenschaft schaffen, bei dem Fans Anteile an der Veltins-Arena erwerben und ihrem Verein damit finanziell unter die Arme greifen können.

Bis zu 48 Millionen Euro könne man langfristig einnehmen, hieß es vom Verein – ein ambitioniertes Ziel, das man aktuell zu verfehlen droht. Denn selbst das Zwischenziel von zehn Millionen Euro bis zum 19. April 2025 hat man verpasst. Wie die "Ruhr Nachrichten" berichteten, soll die Summe bisher lediglich bei sieben Millionen Euro liegen. Von knapp 190.000 Mitgliedern hätten nur rund 7.500 bisher Anteile gezeichnet. So bleibt der erhoffte finanzielle Befreiungsschlag bislang aus.
Trotz der angespannten finanziellen Situation bleibt Schalke gezwungen, in den Kader zu investieren – und zwar gezielt. Denn sportlicher Erfolg ist alternativlos: Der Wiederaufstieg in die Bundesliga ist nicht nur Wunsch, sondern wirtschaftliche Notwendigkeit.
Der Sommer 2025 wird damit zur entscheidenden Wegmarke für den Traditionsklub. Mit der Verpflichtung von Trainer Miron Muslic und Sportvorstand Frank Baumann hat man bereits erste Weichen gestellt – nun müssen auch auf dem Transfermarkt kluge und nachhaltige Entscheidungen folgen. Fehler kann sich Schalke nämlich nicht mehr leisten.