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Sturm - Rapid: Eine emotionale Tempobolzerei

Jede Menge Gesprächsstoff. Was Sturm fehlte. Wo sich Rapid auf dünnem Seil bewegt.

Sturm - Rapid: Eine emotionale Tempobolzerei Foto: © GEPA

Sturm gegen Rapid ist nicht umsonst eines der emotionalsten Duelle in Fußball-Österreich.

Zumeist hält dieses Kräftemessen, was es im Vorfeld verspricht und bietet nach Schlusspfiff jede Menge Gsprächsstoff.

Auch das 2:2 am Sonntag in Liebenau bot wieder jede Menge Aspekte, über die es sich zu unterhalten lohnt - auch über das Ergebnis hinaus, das beide Seiten als gerecht einordnen.

Vor allem eine Sache freute beide Trainer gleichermaßen: die Rückkehr des Publikums nach Liebenau.

DER EINFLUSS DES PUBLIKUMS:

"Die Fans beeinflussen natürlich das Spiel", betont Rapid-Trainer Ferdinand Feldhofer und spricht von "unglaublicher Freude, hier vor einem vollen Haus zu stehen. Wunderschön!"

Der Einfluss auf die Dramaturgie ist gerade in einer Partie, in der es hin und hergegangen ist, nicht von der Hand zu weisen.

Die Anhänger kitzeln Extraprozente raus
Foto: © GEPA

"Natürlich beflügelt das die Spieler, kitzelt noch einmal Extraprozente raus. Für Rasmus Höjlund war es ein unglaubliches Gefühl, schon nach sechs Minuten sein erstes Tor vor unseren Fans im Heimstadion zu schießen", unterstreicht Christian Ilzer.

Und dass die (erneute) Rückkehr der Fans auch spielerseitig für Emotionen sorgt, erschließt sich aus den Worten von Sturm-Kapitän Stefan Hierländer:

"Davon lebt der Fußball, unsere Anhänger sind die Seele von Sturm Graz. Ich will es mir gar nicht mehr anders vorstellen. Diese Drecks-Geisterspiele sind für den A..."

Für Ilzer wiederum ergibt sich ein recht angenehmer Nebeneffekt in der Ausübung seines Berufs: "Ein Fußballspiel mit Zuschauern ist einfach etwas ganz anderes als in einem leeren Stadion, in dem sich die Richtmikros nur auf die Stimmen der Trainer konzentrieren. Ich genieße also nicht nur die Stimmung, sondern auch, dass man nicht jedes Wort, das man von sich gibt, hört."

DIE TEMPOBOLZEREI:

Intensiv. Das ist das Wort, das beiden Coaches als erstes in den Sinn kommt, wenn sie an den offenen Schlagabtausch in den 90 Minuten zuvor denken.

"Es war eine richtige Tempobolzerei. Aufgrund der hohen Intensität hat in vielen Phasen die Klarheit, die Ruhe und die Ordnung im Spiel mit dem Ball gefehlt. Aber das war einfach diesem enormen Tempo und der hohen Zweikampfintensität geschuldet", verdeutlicht Ilzer.

Der Sturm-Coach muss diesbezüglich den Hut vor dem grün-weißen Kontrahenten ziehen:

"Rapid hat mir enormen Tempo gespielt. Man hat nicht gemerkt, dass sie am Donnerstag ein intensives Spiel hatten. In den ersten 25 Minuten hatten wir mit Jakob Jantscher zwei gute Chancen. Da waren wir schon das gefährlichere Team. Aber Rapid war das präsentere, dominantere Team, sie sind jedoch aus dem Spiel nicht gefährlich geworden."

Dafür aus Standards.

FEHLENDES SELBSTVERSTÄNDNIS:

Beide Rapid-Tore resultieren aus Eckbällen, was bei den Grazern wiederum einen gewissen Schwerpunkt für die kommende Trainingswoche geradezu aufdrängt.

"Da fehlt es im Moment am Selbstverständnis und an der Klarheit. Daran müssen wir arbeiten. Das ist auch ein Auftrag", kommentiert Ilzer und begründet:

"Wir haben jetzt in beiden Frühjahrs-Spielen Punkte liegen gelassen wegen unseres Verhaltens bei Standards. Aus dem Spiel haben wir weder in Tirol noch hier großartig etwas zugelassen, haben alles gut wegverteidigt. Von dem her ist es schade."

Den Rapid-Treffer zum 2:2 steuert Kevin Wimmer bei, für den dieses seltene Erfolgserlebnis als Torschütze eine persönlicher Befreiungsschlag gewesen sein könnte:

DER ELFMETER:

Auch Rapid hatte Grund, sich über ein Gegentor zu ärgern, denn der Elfmeter zum zweiten Sturm-Treffer fällt durchaus unter die Kategorie vermeidbar.

"Kann man geben, muss man nicht geben", fällt Feldhofer nach TV-Studium zur Szene, in welcher der eben eingewechselte Martin Moormann im Strafraum Gregory Wüthrich zu Fall bringt, ein.

"Das passiert", zeigt der Coach Verständnis für seinen Abwehrspieler, "natürlich kann man sich auch anders verhalten. Aber Wüthrich ist in guter Kopfballspieler, positioniert sich gut, hat eine gute Wucht. Dementsprechend muss man auch dem Gegner Respekt zollen."

Feldhofer weist darauf hin, dass Referee Walter Altmann zuerst das Zeichen gegeben habe, dass es kein Elfmeter sei, ehe er vom Linienrichter ein anderes Kommando bekommen habe. "Dass er es sich nicht angeschaut hat, hat mich verwundert, aber wie man gesehen hat, kann man ihn geben", so der Steirer.

Anders als am Donnerstag beim Vitesse-Match hat Feldhofer an der Schiedsrichter-Leistung diesmal nichts auszusetzen: "Absolut okay!"

DIE MORAL:

Letztlich überwiegt bei den Hütteldorfern ohnehin die Freude, zwei Mal einen Rückstand aufgeholt zu haben.

"Großes Lob an mein Team. Mit dem Donnerstags-Spiel im Gepäck haben sie unglaubliche Willensstärke gezeigt, nie aufgegeben. Ich glaube, viel Schlimmeres kann einem in Graz kaum passieren, als gleich am Anfang mit 0:1 in Rückstand zu geraten. Trotzdem sind wir ruhig geblieben und haben noch fokussierter agiert", lobt Feldhofer.

Mit ein bisschen Glück hätte man sogar noch gewinnen können: "Die Jungs sind niedergeschlagen, obwohl sie einen großartigen Fight abgeliefert haben. Sie haben alles reingeschmissen. Ich bin stolz auf die Spieler und den ganzen Betreuerstab, wie wir gerade zusammen agieren. Jetzt müssen wir dranbleiben und das Glück erzwingen."

Der 42-Jährige betont, dass ihn die Art und Weise, wie man weite Strecken der Matches gegen Vitesse und Sturm bestritten habe, zuversichtlich macht, doch noch den Sprung in die Meistergruppe zu schaffen."

DIE STANKOVIC-BLESSUR:

In der Meistergruppe steht Sturm bereits. Auch dank guter Leistungen von Jon Gorenc Stankovic, der sich jedoch ein wenig zum Sorgenkind entwickelt. Schon nach dem Gastspiel bei der WSG musste er genäht werden. Auch gegen Rapid musste er vorzeitig raus.

"Er hat mir schon vor dieser Situation im Strafraum, als er wieder einen Schlag auf diese Wunde bekommen hat, mitgeteilt, dass er ausgetauscht werden muss. Es ist eine sehr große Wunde am Knie, die ihn schon in Funktionalität und seiner Bewegung gehemmt hat. Er war dann schon am Limit", erklärt Ilzer.

Der Sturm-Coach ist jedoch zuversichtlich, dass der Führungsspieler für das kommende Wochenende abermals rechtzeitig matchfit wird: "Es war nur ein Schlag. Ich denk, mit einer Woche wird es sich fürs nächste Spiel wieder ausgehen."

GRÜN-WEISSE PERSONALSORGEN:

Anders als Sturm absolviert Rapid englische Wochen - und das mit einem angeschlagenen Kader, dessen Personalprobleme von Filip Stojkovic verschärft wurden.

Nach der Europacup-Sperre holte er sich in Graz die fünfte Gelbe Karte ab und ist nun auch in der Bundesliga gesperrt. Thorsten Schick ist ebenfalls angeschlagen. Wer soll denn nun eigentlich Rechtsverteidiger spielen?

Feldhofer erwähnt, dass Srdjan Grahovac oder Emanuel Aiwu dort spielen könnten: "Ich will nicht zu viel verraten, aber wir werden eine Lösung finden. Aktuell ist es jedoch nicht einfach."

Der Coach lobt, dass seine Spieler "sehr selbstreflektiert" seien und bei zu hoher Belastung auch sagen würden, wenn sie besser nicht von Start weg spielen sollten, wie Koya Kitagawa oder Yusuf Demir. "Wir sind da in einem regen Austausch, wachsen tagtäglich besser zusammen und lernen uns besser kennen."

Dennoch weiß auch Feldhofer ob der Personalsituation: "Wir bewegen uns aktuell schon auf einem sehr dünnen Seil."

Dies verdeutlicht auch die Lage im Rapid-Tor - in Graz feierte Niklas Hedl sein Bundesliga-Debüt, weil Paul Gartler wegen einer Oberschenkelblessur passen muss:

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