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Andreas Ogris: "Monschein reif für eine Topliga"

Austria-Legende traut Stürmer viel zu, legt aber Finger in die violetten Wunden:

Wie die meisten Austria-Fans hat Andreas Ogris im Herbst aufgrund der größtenteils schwachen Darbietungen der "Veilchen" gelitten.

"Wenn wir nicht unter die Top 6 kommen, und im Moment schaut es danach aus, ist das eine sportliche Katastrophe für die Austria", schimpft der angehende Dancing Star im LAOLA1-Interview.

Der 55-Jährige nimmt vor allem die Personalpolitik der jüngeren Vergangenheit ins Visier und legt auch sonst seine Finger in die eine oder andere Austria-Wunde, wie etwa die Herangehensweise bei den Young Violets, deren Trainer Ogris bis März 2019 war.

Vor dem großen violetten Lichtblick Christoph Monschein zieht er indes den Hut. Der frühere Espanyol-Legionär traut dem Stürmer den Sprung in eine Topliga zu:

LAOLA1: Im Herbst ist es bei der Austria gar nicht rund gelaufen. Was lief falsch?

Andreas Ogris: Es sind einige Dinge passiert. Ein großer Punkt ist der Neubau des Stadions. Das Stadion ist ein Schmuckkästchen, aber es hat uns finanziell an unsere Grenzen gebracht, so ehrlich muss man sein. Es gibt wenig Möglichkeiten, am Transfermarkt tätig zu sein. Über die, die in der jüngeren Vergangenheit geholt wurden, kann man nicht sagen, dass sie die Austria sportlich weiterbringen. Die meisten im Kader der Kampfmannschaft haben schon einmal besser gekickt, als sie es im Herbst gemacht haben.

LAOLA1: Bei anderen Vereinen…

Ogris: Auch bei anderen Vereinen. Um ein Beispiel zu nennen: Jimmy Jeggo. Wenn man gesehen hat, wie er bei Sturm gespielt hat, und wenn man sich seinen Herbst bei der Austria anschaut, können wir mit seiner Leistung nicht zufrieden sein. Das wird er selbst auch nicht sein. Für meine Begriffe sind am Transfermarkt sehr viele Fehler passiert. Da haben wir uns nicht gut verstärkt.

"Es ist trotzdem etwas anderes, bei der Austria zu spielen. Natürlich ist Sturm auch ein Traditionsverein, aber die Austria hat trotzdem immer noch einen anderen Namen als Sturm."

LAOLA1: Welche Gründe kann es geben, dass ein Spieler bei einem anderen Verein performt, bei der Austria jedoch nicht. Neben Jeggo betrifft dies beispielsweise ja auch Bright Edomwonyi.

Ogris: Es ist trotzdem etwas anderes, bei der Austria zu spielen. Natürlich ist Sturm auch ein Traditionsverein, aber die Austria hat trotzdem immer noch einen anderen Namen als Sturm. Die Austria steht – im Normalfall – für technisch hochwertiges, offensives Fußballspiel. Viele Neuzugänge glauben, wenn sie bei der Austria spielen, müssen sie auf einmal anfangen, technisch Fußball zu spielen. Aber das ist nicht der Fall! Jimmy Jeggo haben wir geholt, damit er auf der Sechser-Position zusammenräumt – hinter den Offensiven. Wenn er dann aber versucht, von hinten raus das Spiel zu machen, gelingt das nicht. Jimmy müsste in Wahrheit das spielen, was er kann – dann hilft er der Austria. Aber manche Spieler glauben eben, sie müssen jetzt technische Sachen zeigen, die sie einfach nicht können. Das verfolgt uns in den letzten zwei, drei Transferperioden. Was wir da geholt haben, bringt uns in Wahrheit nicht weiter. Sie sind mit Sicherheit nicht so schlecht, wie sie es im Herbst gezeigt haben. Aber eben auch nicht so gut, dass wir den Anspruch stellen könnten, hinter Salzburg die Nummer zwei oder drei zu sein. Dafür ist der Kader nicht gut genug.

LAOLA1: Aber den Anspruch Top 6 muss Austria Wien stellen…

Ogris: Darüber brauchen wir ja gar nicht zu diskutieren. Wenn wir nicht unter die Top 6 kommen, und im Moment schaut es danach aus, ist das eine sportliche Katastrophe für die Austria. Dann müssen sich die Entscheidungsträger, die all diese Sachen gemacht und all diese Transfers getätigt haben, selbst bei der Nase nehmen und sich eingestehen, dass sie sehr viele Sachen falsch gemacht haben. Gott sei Dank haben wir jetzt Peter Stöger als Sport-Vorstand. Ich hoffe, dass es mit ihm besser wird. Nichtsdestotrotz gehen wir finanziell am Stock und werden nichts Großartiges kaufen können.

LAOLA1: Was kann Stöger kurz- und mittelfristig bewegen, wenn ihm finanziell die Hände gebunden sind?

Ogris: Aus der Ferne ist es schwer zu beurteilen, aber ich hoffe, dass trotzdem der eine oder andere Sponsor an Bord zu holen ist. Da lastet viel auf Peters Schultern. Die Austrianer hoffen sehr darauf, dass er vielleicht den einen oder anderen Sponsor lukrieren kann und dadurch Geld zum Verein kommt, mit dem man den einen oder anderen Spieler holen könnte. Einen, der uns hilft! Das ist das Wichtigste. Wir brauchen nicht irgendwelche Panikkäufe – das bringt nichts! Die haben wir eh die letzten zwei Jahre gemacht. Jetzt müssen wir am Markt schauen, was gut ist und uns wirklich hilft.

LAOLA1: Der Lichtblick im Herbst war Christoph Monschein. Sie waren ja auch Stürmer: Wenn man  in einer nicht funktionierenden Mannschaft glänzt und trifft, kann man sich trotzdem freuen?

Ogris: Er steht bei 13 Toren, war im Herbst sicher eine der wenigen positiven Erscheinungen der Austria. Für ihn persönlich ist das natürlich gut. Trotzdem glaube ich, dass er sich am Ende des Tages nicht freuen kann, wenn die Ergebnisse nicht stimmen. Wenn ich zwei Tore gemacht habe und die Partie trotzdem verloren ging, waren mir die beiden Tore nur mehr die Hälfte wert. Ich drücke die Daumen, dass Christoph Monschein bei uns bleibt. Wir wissen ja noch nicht, was im Winter alles passiert.

"Meiner Meinung nach ist Monschein top vorbereitet und könnte überall im Ausland spielen."

LAOLA1: Die Austria könnte die Einnahmen eines etwaigen Transfers gut gebrauchen.

Ogris: Es ist wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, zu Geld zu kommen. Denn sonst wüsste ich bei der Austria im Moment keinen, an dem ein anderer Verein Interesse hätte und auch Ablöse bezahlt.

LAOLA1: Ist Monschein reif für eine Topliga?

Ogris: Glaube ich schon. In den letzten eineinhalb Jahren waren auch für ihn schwierige Situationen dabei, die er gemeistert hat. Am Ende des Tages hat er im Herbst gut performt. Seine Tore kann ihm keiner mehr wegnehmen. Er ist zudem ein Stürmer, der in der Defensive extrem viel für die Mannschaft arbeitet. Die sucht man international. Daher könnte es für ihn gut sein, wenn er ins Ausland geht. Meiner Meinung nach ist er top vorbereitet und könnte überall spielen.

LAOLA1: Die Austria gehört zu jenen Vereinen mit einer Zweitvertretung in der 2. Liga. Ist der Zulauf an jungen Spielern noch so groß wie früher, oder gehen die Jungen inzwischen bevorzugt zu Salzburg oder ins Ausland?

Ogris: Also prinzipiell haben wir noch immer genug junge Spieler, das muss man schon ehrlich sagen. Aber – auch klar – die Topspieler aus den jeweiligen Nachwuchs-Ligen gehen nicht mehr zur Austria oder zu Rapid, sondern zu Salzburg. Vielleicht ist es zudem so, dass man sich bei der Austria in den letzten Jahren ein bisschen zu sicher war und nicht über den Tellerrand geschaut hat. Denn auch in den Regionalligen oder sogar darunter laufen genügend Fußballer herum, die mit entsprechender Weiterentwicklung etwas werden könnten. Man darf nicht vergessen: Es gibt auch in St. Pölten eine Akademie, auch die Admira hat über Jahre sehr gute Nachwuchsarbeit geleistet. Bei der Admira sieht man es am besten: Sie entwickeln ihre eigenen Leute weiter, die kommen in die Kampfmannschaft, performen dort gut, werden weiterverkauft und trotzdem kommt immer etwas Neues aus der Akademie und dem eigenen Nachwuchs nach.

"Stephan Zwierschitz hat mit Sicherheit fußballerische Qualität. Aber für mich ist unverständlich, dass ich einen 28-Jährigen als Backup für Flo Klein hole, wenn ich Alternativen aus dem eigenen Nachwuchs habe."

LAOLA1: Bei der Austria wird oben derzeit wenig weggekauft. Erzeugt auch das einen Stau nach unten?

Ogris: Es wäre angesagt, dass man aus dem eigenen Nachwuchs mehr Leute in die Kampfmannschaft bringt und sie dort weiterentwickelt. Viele, die in den letzten Jahren geholt wurden, sind nicht so gut, dass man sagen könnte, man kann nicht auf sie verzichten. Ein Beispiel: Stephan Zwierschitz hat mit Sicherheit fußballerische Qualität. Aber für mich ist unverständlich, dass ich einen 28-Jährigen als Backup für Flo Klein hole, wenn ich Alternativen aus dem eigenen Nachwuchs habe. Michael Blauensteiner wurde nach Litauen verliehen, obwohl er in Hartberg von Markus Schopp ein gutes Zeugnis ausgestellt bekommen hat. Petar Gluhakovic war drei Jahre U21-Teamspieler, den geben wir zu Lok Zagreb. Das verstehe ich nicht, ohne Zwierschitz zu nahe treten zu wollen. Aber wenn ich Blauensteiner und Gluhakovic weiterentwickelt hätte, bringen sie mir dasselbe. Dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn unsere Nachwuchsspieler vielleicht darüber nachdenken, ob sie überhaupt bei der Austria bleiben sollen…

LAOLA1: Im Herbst-Finish wurden einige jüngere Spieler zu den Profis beordert. Hatten Sie als Violets-Coach das Gefühl, dass die eigenen Talente früh genug von oben angefordert wurden oder hätten manche den Sprung früher schaffen können?

Ogris: Jeder Trainer hat eine andere Philosophie, jeder Trainer hat sein eigenes System, jeder Trainer sieht einen Spieler anders. Wenn ich einen Spieler wie Dominik Fitz sehe, kann der technisch alles. Fußballerisch brauchst du dem nichts mehr beibringen, körperlich musst du ihn weiterentwickeln. Er muss viel standhafter und in den Zweikämpfen viel präsenter werden. Aber fußballerisch ist das in Ordnung, um in der Kampfmannschaft Fuß zu fassen. In meinen Augen gibt es viele junge Talente bei der Austria, von denen sich der eine oder andere ein bisschen früher eine Chance verdient hätte. Gegen Ende der Herbst-Saison hat Christian Ilzer auf ein 4-2-3-1 umgestellt, was für Manprit Sarkararia, Benedikt Pichler und Fitz sehr gut war. In weiterer Folge hat auch Patrick Wimmer ein gutes Debüt gemacht. Die Qualitäten von Fitz kommen auf der Zehner-Position am besten zum Tragen. Mit Sarkaria und Pichler hast du Außenspieler, die die Seiten aufarbeiten und sich auch nicht scheuen, ins Eins gegen Eins zu gehen. Beide entlasten auch die Außenverteidiger. Das System war am Schluss in Ordnung. Ob auch im Frühjahr so gespielt wird, weiß nur Christian Ilzer.

"Auffällig ist: Die großen Talente sind fast alle auf derselben Position. Was wir in den letzten Jahren aus der Akademie ganz wenig herausgebracht haben, sind Stürmer. Da sollten wir den Hebel ansetzen, denn der letzte Stürmer ist mit Marko Kvasina schon fünf, sechs Jahre her. Jetzt rennt er in Mattersburg herum."

LAOLA1: Ist es nicht auch eine Philosophie-Frage, dass genau solch ein Output wie in den letzten Runden gewährleistet sein sollte, wenn man sich eine zweite Mannschaft in der 2. Liga leistet?

Ogris: Es ist extrem schwierig. Bei den Young Violets hast du diese jungen Menschen, und aus der Akademie drängen schon wieder die nächsten nach. Auffällig ist: Die großen Talente sind fast alle auf derselben Position. Was wir in den letzten Jahren aus der Akademie ganz wenig herausgebracht haben, sind Stürmer. Da sollten wir den Hebel ansetzen, denn der letzte Stürmer ist mit Marko Kvasina schon fünf, sechs Jahre her. Jetzt rennt er in Mattersburg herum. Wir bringen irrsinnig viele Mittelfeldspieler heraus, vor allem auf der Sechser- und Achter-Position, alle technisch begabt.

LAOLA1: Die Young Violets haben auch keinen einfachen Herbst hinter sich. Warum?

Ogris: Ich habe den Entscheidungsträgern jahrelang gesagt: Bei einem Aufstieg in die zweithöchste Spielklasse brauchen wir trotzdem den einen oder anderen Routinier. In dieser Saison haben sie es am Anfang nur mit den Jungen probiert. Das geht einfach nicht! In den ersten sechs Runden sind sie gleich in Niederlagen gerannt. Einige Leute wissen einfach nicht, was dann im Kopf eines Spielers vorgeht. Da gibt es dann auch keine Weiterentwicklung bei den Jungen. Am Ende der Herbst-Saison sind sie draufgekommen, dass sie den einen oder anderen routinierten Spieler bei den Young Violets spielen lassen sollten. Dann haben sie teilweise die Ergebnisse eingefahren und sind wenigstens noch über den Strich gekommen. Aber sie werden gegen den Abstieg kämpfen, und ein Abstieg darf nicht passieren! Sie müssen einfach oben bleiben, weil diese Plattform für die Jungen extrem wichtig ist. Die Schere geht ein klein wenig zu, der Schritt ist nicht mehr so groß wie aus der Regionalliga in die Bundesliga.

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