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Austria Wien: Verrückte erste Kilometer unter Werner

Es war eine ereignisreiche, verrückte Saison, die die Violetten durchlebt haben. Die Analyse zur ersten Spielzeit unter Investor Jürgen Werner:

Austria Wien: Verrückte erste Kilometer unter Werner Foto: © GEPA

Am Ende war der ganz große Jubel. Ehrenrunde, Umarmungen, herumgereichte Bierflaschen.

Auf den letzten Drücker hat die Austria ihr sportliches Minimalziel erreicht, via Playoffs den neuerlichen Einzug in den Europacup fixiert. Der 5:0-Heimerfolg gegen Austria Lustenau war der Abschluss einer violetten Saison, die elf Monate zuvor mit einem 7:0-Cupsieg gegen den FC Wels begonnen hatte.

Die nackten Zahlen – 45 Spiele, 14 Siege, 13 Remis, 18 Niederlagen – werden der Saison 2022/23 des FAK nicht einmal annähernd gerecht. Es war eine ereignisreiche, verrückte Saison, die die Violetten durchlebt haben.

"Ich bin einfach nur glücklich, dass wir das geschafft haben und stolz auf die Mannschaft, die sich für diese lange, aufregende Saison belohnt hat", sagt Michael Wimmer.

Wandel im Sinne Jürgen Werners

Der Trainer ist sinnbildlich für den sportlichen Wandel der Austria im Laufe der Spielzeit. Es war der Wandel im Sinne Jürgen Werners.

Das Gesicht der im Jänner 2022 eingestiegenen Investoren hat sich in dieser Saison endgültig zum starken Mann am Verteilerkreis aufgeschwungen, dem Ende seiner Funktionssperre im vergangenen Sommer sei Dank. Seit Februar 2023 hat er als Sportvorstand auch einen offiziellen Posten.

Bereits im August, da war die Saison erst wenige Wochen alt, zitierte Werner in einer Medienrunde seinen Sportdirektor Manuel Ortlechner: "Der Orti hat es so ausgedrückt: 'Wir trainieren in der Ersten Abfahrt, bei den Violets Riesentorlauf und in der Akademie Slalom.' Wir müssen am Ende des Tages alle eine Disziplin ausüben."

Ein kommunikationstechnisches Desaster

Auf den Tag genau vier Monate später saß Werner im Presseraum der Generali Arena und gab genau diesen Satz erneut zum Besten. Zwei Tage vor Weihnachten stellte sich die violette Führungsriege der Journalistenschar, um sich für die Trennung von Trainer Manfred Schmid zu rechtfertigen.

Es war in den Tagen davor und danach ein kommunikationstechnisches Desaster. Es sollte erst Monate später gelingen, das Ende der Ära Schmid einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen.

Teils faktisch nicht nachvollziehbare Argumente der Klubspitze gepaart mit der extremen Beliebtheit Schmids in Fan- und Spieler-Kreisen zogen praktisch alle auf die Seite Schmids. Dass sich der Coach in den Monaten zuvor immer mehr von Ortlechner und Co. entfremdet hatte, ein Derbysieg einen Horror-Oktober mit sieglosen Spielen gegen Villarreal (2x), Salzburg, LASK, Lech Posen und den Wiener Sport-Club (Cup-Aus) gerade so retten konnte, zählte da nicht viel.

Foto: © GEPA

Doch der Austria kam zugute, dass sich korrupte FIFA-Funktionäre 2010 davon überzeugen ließen, dass es eine schlaue Idee sei, im Dezember 2022 eine Weltmeisterschaft in Katar auszutragen.

Werner und Co. hatten viel Zeit für die Trainersuche, bei der sie sich so manche Absage einfingen, und der Unmut der Anhängerschaft verrauchte im Laufe der langen Winterpause. Die entwaffnend offene, authentische Art von Schmid-Nachfolger Wimmer tat dann ihr übriges. Im Frühjahr durfte sich die Austria wieder voller Unterstützung erfreuen, die Fantribüne war in jedem Spiel ausverkauft.

Trotz der Bürde von drei Minus-Punkten, die der verspäteten Abgabe von Finanzunterlagen an die Bundesliga in der Vorsaison geschuldet war, gelang Wimmer mit einem Derbysieg am letzten Spieltag noch das Erreichen der Meisterrunde.

Die Stimmung war stets Bestens

Und dort lief es dann gar nicht mal so gut. Nur eines von zehn Spielen wurde gewonnen. Stümperhafte Abwehrfehler und das Kunststück, in fast jedem Spiel in den Schlussminuten noch Punkte herzuschenken, ließen den FAK tabellarisch nie so recht vom Fleck kommen.

Dennoch geschah etwas Erstaunliches: Die Stimmung war stets bestens. Ein Phänomen, das schon im Herbst – nur zwei Punkte aus acht Europacupspielen – zu beobachten war. Das ständige Wandeln am finanziellen Abgrund hat die violette Familie scheinbar enger zusammenrücken lassen, man ist genügsamer geworden, der gute Wille zählt, auch wenn die Ergebnisse (abgesehen von den Derbys) nicht passen. Mit über 6.100 Klub-Mitgliedern gibt es einen neuen Rekord.

Der scheidende Kapitän Lukas Mühl lobt: "Solche Fans habe ich noch nie erlebt, sie sind auch in schwierigen Zeiten komplett hinter uns gestanden."

In diesem Zusammenhang darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Fanszene des FAK im Frühjahr durch die Auflösung der "Fanatics", jahrelang die führende Ultra-Gruppierung, disruptive Veränderungen erlebt hat. Doch die "KAI2000" sind ihrem Führungsanspruch bislang bravourös gerecht geworden und haben die Lücke nahtlos geschlossen.

Wimmer jedenfalls ließ jenen aktiven Pressing-Fußball praktizieren, den sich Werner schon von Schmid wünschte. Inklusive Dreierkette.

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Foto: © GEPA

Diese moderne Spielanlage sollte nicht zuletzt helfen, FAK-Spieler für den Markt attraktiver zu machen. Im Winter wurde in diesem Zusammenhang von Ortlechner und Co. stets das Beispiel Matthias Braunöder bemüht.

Allerdings stand besagter Braunöder im Saisonfinish nur in drei von acht Spielen in der Startelf. Werner sagt dazu: "Der Trainer stellt die Elf auf, von der er glaubt, dass sie gewinnt. Wenn er das Gefühl hätte, Braunöder ist besser drauf, würde er ihn einsetzen. Braunöder ist jung, hat jetzt eine kleine Delle. Er wird wie Phönix aus der Asche wiederkommen und es zurück ins Team schaffen."

Haris on fire und viele Dramen

Ein anderer hat seinen Aufstieg schon im Frühjahr erlebt: Haris Tabakovic. Der im Sommer als Schützenkönig der 2. Liga von Austria Lustenau in die Hauptstadt gewechselte Stürmer sah im Herbst unter Schmid kein Land, blühte unter Wimmer auf und beendete die Saison mit 19 Pflichtspieltoren.

Doch es gab auch jede Menge persönliche Dramen. Talent Ziad El Sheiwi erlitt nach jenem in der Vorsaison diesmal gleich zwei weitere Kreuzbandrisse. Florian Wustinger riss sich ebenfalls das Kreuzband, Leihspieler Doron Leidner auch. Und Muharem Huskovic sorgte im Herbst mit einem schweren Autounfall für den Schockmoment schlechthin. Ganz zu schweigen von Neuzugang Marko Raguz, der ein Jahr lang nicht einmal in die Nähe eines Mannschaftstrainings kam.

"Brutal, was die Mannschaft wegstecken musste", stöhnt Manfred Fischer in der Retrospektive.

Ein neuer Boss

Und damit meint er nicht einmal die Unruhe außerhalb der Kabine. Erneut wurde die Lizenz in erster Instanz verweigert. Vorstand Gerhard Krisch sah sich ständiger Kritik ausgesetzt und wurde nun sogar vorzeitig seines Amtes enthoben.

Die violetten Mitglieder verweigerten einem Verwaltungsrat mit Andreas Rudas die Zustimmung und gewannen diesen Machtkampf schließlich. Auch jenen mit dem unbeliebten Klub-Präsident Frank Hensel hätten sie gewonnen, wäre dieser seiner Abwahl nicht mit einem Rücktritt zuvorgekommen. Mit Kurt Gollowitzer gibt es nun einen neuen Klub-Boss, dem zuzutrauen ist, es besser zu machen.

"Wir waren intern immer ruhig, haben uns nie aus dem Konzept bringen lassen. Die hohe Widerstandsfähigkeit dieser Mannschaft ist eine ganz große Stärke", sagt Mühl.

Der violetten Führungsringe gefiel der jüngst bemühte Vergleich, dass die Entwicklung und Umsetzung einer Spielidee kein Sprint, sondern ein Marathon sei.

Auf die Entwicklung des gesamten Klubs umgemünzt, kann nach dieser Saison bescheinigt werden, dass nach den ersten Kilometern unter Investor Jürgen Werner zumindest einmal ein ökonomischer Laufstil gefunden wurde, der es möglich macht, über die volle Distanz zu gehen.

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