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Fall Liensberger: "Sowas habe ich noch nie erlebt"

ÖSV-Hoffnung droht nach Material-Wechsel Sperre. Zeit läuft, Schaden ist angerichtet:

Fall Liensberger: Foto: © GEPA

Katharina Liensberger läuft die Zeit davon.

Am 26.Oktober beginnt in Sölden die neue Ski-Weltcup-Saison. Stand jetzt dürfte die 22-jährige Vorarlbergerin, eine der größten ÖSV-Hoffnungen in den technischen Disziplinen, nicht starten.

Denn Liensberger steht aktuell ohne gültigen Ausrüster-Vertrag mit einem Skischuh-Hersteller, der dem Austria Ski Pool angehört, da. Ein solcher Vertrag ist jedoch Voraussetzung, um im Weltcup starten zu dürfen, andernfalls gibt es eine Sperre von Seiten des ÖSV – so wie sie Liensberger droht.

„Ich bin jetzt seit über 30 Jahren im Austria Ski Pool dabei, aber so einen Fall habe ich überhaupt noch nie erlebt“, sagt Reinhold Zitz, Geschäftsführer des Austria Ski Pool, im Gespräch mit LAOLA1. „Es ist ganz verfahren.“

Wie konnte es zu dieser verfahrenen Situation kommen?

Der Reihe nach: Liensberger entschloss sich nach der abgelaufenen Weltcup-Saison zu einem Ski-Wechsel von Rossignol zu Kästle.

Kästle selbst produziert jedoch keine eigenen Skischuhe, weshalb ein anderer, dem Austria Ski Pool zugehöriger, Skischuh-Ausstatter gefunden werden muss bzw. schon längst hätte gefunden werden müssen.

Das Sommer-Trainingslager in Neuseeland absolvierte Liensberger bereits auf Kästle-Skiern und wie bisher auch mit Skischuhen des Herstellers Lange. Lange gehört jedoch zum selben Konzern wie Rossignol, also jener Ausrüsterfirma, der Liensberger skitechnisch den Rücken gekehrt hat. Rossignol möchte die seit ihrer Jugend ausgerüstete Athletin nach deren Weggang nun nicht mehr nur mit den zum Konzern gehörenden Lange-Schuhen ausrüsten. Liensbeger steht aktuell also ohne Skischuhe da.

Austria Ski Pool-Geschäftsführer Reinhold Zitz
Foto: © GEPA

Ein Szenario, das sich laut Reinhold Zitz bereits im Sommer abgezeichnet hat. „Präsident Peter Schröcksnadel, Toni Giger (ÖSV-Sportdirektor, Anm.), ich – wir alle haben Katharina schon BEVOR sie den Kästle-Vertrag unterschrieben hat gesagt, dass sie die Skischuh-Situation abklären muss“, erklärt Zitz.

Hat sich Liensberger in dieser Hinsicht zu sehr auf Kästle verlassen? Hat die Traditionsmarke, die nach 22 Jahren Pause in den Ausrüster-Pool zurückgekehrt ist, die Situation vielleicht etwas falsch eingeschätzt? Beide Seiten haben sich wohl darauf verlassen, dass es ausreicht, wenn Kästle Skischuhe eines Anbieters bereitstellt, der dem Austria Ski Pool angehört.

Zitz bezeichnet Liensbergers Vorgehen als "ungeschickt". „Die Frist (für den Materialwechsel, Anm.) ist am 15. August abgelaufen. Man muss sich dann schon auch mal einen Plan B und Plan C überlegen, aber sie hat sich da verrannt. Jetzt sind die Abzweigemöglichkeiten immer weniger geworden.“

Welche Optionen hat Liensberger noch?

Nachdem der Skischuh-Hersteller Dalbello nach anfänglichen Verhandlungen doch wieder zurückgezogen hat (Alle Infos), bleibt Liensberger praktisch nur noch eine Option: Ihren Vertrag mit Kästle aufzulösen und zu Rossignol zurückzukehren. Andernfalls wird sie für die kommende Weltcup-Saison gesperrt.  

Rossignol würde sie zum jetzigen Zeitpunkt immer noch nehmen, was enorm tolerant ist. Die könnten auch sagen, die haben genug und lassen sich das nicht mehr bieten“, so Zitz.

Von Seiten des Austria Ski Pool wäre eine Rückkehr zu Rossignol ohne Probleme möglich. Für Liensberger wohl leichter gesagt als getan, müsste sie doch ihren Vertrag mit Kästle auflösen, was wiederum finanzielle Konsequenzen nachziehen könnte.

Die andere Frage ist, ob die Betreuung der Olympia- und WM-Silbernen im Team bei Rossignol nach einer Last-Minute-Rückkehr noch genauso individuell wäre wie vor ihrer Abkehr von der Marke.

"Wenn sie das jetzt noch weiter hinauszögert, dann wird es so sein, dass sie in Sölden nicht starten kann."

So oder so: Eine Entscheidung muss her. „Wenn sie das jetzt noch weiter hinauszögert, dann wird es so sein, dass sie in Sölden nicht starten kann“, stellt Zitz nochmals mit Nachdruck klar. Eine Ausnahme werde es für Liensberger keinesfalls geben.

„Wir haben über 300 Athleten im Austria Ski Pool, die wir ausstatten. Wir kämpfen dafür, dass wir die beste Ausrüstung für unsere Athleten bekommen. Aber das geht nur, wenn sich alle an die Regeln halten. Wenn da nur einer ausschert, dann kann das ein Präzedenzfall werden und dann bricht uns das System zusammen. Das wollen wir nicht“, sagt Zitz. „Wir sind ja da, um unseren Athleten zu helfen. Aber wenn man sich nicht an die Regeln hält, dann können wir nicht mehr helfen. Deshalb sollte man da unserer Ansicht nach jetzt nicht so stur sein und Verständnis dafür zeigen“, hofft er auf Einsicht Liensbergers.

Der "Schaden" ist schon angerichtet

Die Vorarlbergerin, die nur wenige Minuten vom Kästle-Firmensitz entfernt zu Hause ist und auf den neuen Skiern laut eigenen Aussagen "richtig schnell unterwegs" ist, hoffte Ende September, „dass es schnellstmöglich zu einer ösv-konformen Lösung kommt“.  

Ein persönliches Gespräch mit den ÖSV-Verantwortlichen und dem Austria Ski Pool habe es bis dato nicht gegeben. „Sie sollte jetzt schon mal kommen uns sagen: ‚Lieber Skiverband, lieber Zitz, wir sollten mal reden“, erwartet sich der Geschäftsführer eine Reaktion.

Diese sollte möglichst bald erfolgen, will Liensberger beim Weltcup-Auftakt in Sölden am Start stehen. Der "Schaden" ist ohnehin schon angerichtet. Liensberger konnte aufgrund der Material-Problematik nicht an den letzten ÖSV-Trainingskursen teilnehmen. Sollte sie sich für eine Rückkehr zu Rossignol entscheiden, würden noch jede Menge Material-Tests auf die 22-Jährige warten. Eine Arbeit, die ihre Konkurrentinnen bereits im Sommer erledigt haben. Ein Rückstand, den Liensberger wohl nur schwer aufholen wird können. 

Und die Uhr tickt weiter…

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