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Thimo Nickl: Seine Entwicklung im Rückblick

Bernd Freimüller offenbart Rückblick auf Scouting-Reports der NHL-Hoffnung:

Thimo Nickl: Seine Entwicklung im Rückblick Foto: © GEPA

Thimo Nickl spielte sich vor allem in der zweiten Hälfte der letzten Saison und nach der Rückkehr von der Junioren-WM in den Scouting-Charts aufwärts.

Was mit einem relativ hohen Pick beim Draft enden könnte, ist das Produkt einer jahrelangen linearen Entwicklung. Ein Blick auf meine Berichte der letzten Jahre:

Im Gegensatz zu Marco Rossi weist meine Database mehr und aktuellere Reports auf. Einerseits, weil ich Nickl beim KAC in den verschiedensten Altersstufen (bis hin zur AlpsHL und einem EBEL-Testspiel) sehen konnte, andrerseits war er auch bei den letzten Junioren-WMs mit von der Partie.

Das bedeutet neun Berichte seit Sommer 2016 und noch weitere Viewings, da ich Turnierspiele (und die Testspiele davor) immer in einem Report zusammenfasse.

2016 waren meine ersten Berichte von einem ÖEHV-Camp bzw. Sommerturnier noch kurz: "Gute Mobilität, löst sich gut mit und ohne Scheibe, kann im Powerplay spielen, findet dort freie Mitspieler." Ein Einstiegsreport also, nichts Besonderes.

Die nächsten Berichte bis 2017 waren meist KAC-Reports, mit einem Nationalteamreport dazwischen. Nickl formte an der Seite von Alexander Moser ein seltsames Paar - der Rechtsschütze (Nickl) links, der Linksschütze Moser rechts. Etwas, was einen Mike Babcock nach dem Riechsalzfläschchen greifen ließe. Als ich ihn Jahre später darauf ansprach, meinte Nickl nur lapidar: "Wir haben darüber gar nicht groß nachgedacht, waren vor allem auf One-Timer aus."

Gewisse Aspekte, die ihn heute auszeichnen, waren damals schon sichtbar. Ein genauer und schneller Schuss, die Fähigkeit, das Powerplay vom Point zu dirigieren, gute Aufbaupässe sowie das Mitgehen in den Angriff ("jumped into plays"). Einige defensive Fehler fielen auf, aber ohne dass "Red Flags" bezüglich seines Hockey Senses auftauchten. Mein Fazit nach diesen Spielen: "Könnte im Seniorenbereich Powerplay spielen."

U18-WM gestaltet sich zur Coming-Out-Party

Die Nachwuchs-Spreu vom Weizen sondert sich dann immer bei den Weltmeisterschaften, in der Saison 17/18 war Nickl schon sowohl bei der U18 als auch der U20 mit von der Partie.  Bei letzterer sogar als zweifacher "Underager", vom Draft-Standpunkt her (als später 01er Jahrgang war er letzte Saison noch nicht in der Auswahl) sogar dreifach. Überhaupt kann Nickl, wenn er auch heuer noch für die U20 antritt, auf vier WMs dieser Altersstufe kommen, etwas, das nur wenige Spieler vorweisen können.

Mein Bericht von der U18-WM, wo er auch noch zu den jüngeren Spielern gehörte: "Schlanker Körpertyp mit guten Beinen, kann Scheibe unter Druck weiterleiten. Kein absoluter Pointgetter aber mit offensivem Upside. Kaum physisches Spiel." Eine bessere Bewertung verhinderte sein Ranking in der defensiven Depth Chart - die Entscheidung zu Beginn des Turniers, dass nicht er, sondern der Villacher Peter Sivec im Powerplay zum Einsatz kam, war schon damals höchst suspekt und lässt mir noch Jahre später die Galle hochgehen.

(Text wird unter dem Video fortgesetzt)

Die Saison 18/19 war dann seine Coming Out Party, vor allem die U18-WM. Für das U20-Turnier in Füssen war er nach einem langwierigen Leistenproblem erst knapp vor dem Turnier fitgeworden. Mein Bericht fiel dann auch eher so-so aus: "Im vierten Paar an der Seite von Piff, aber mit PP- und PK-Zeit. Muss körperlich zulegen, was ihn wohl auch mit mehr Selbstvertrauen ausstatten würde. Guter Puckmover, gute Lösungen unter Druck. Schüsse müssen stärker werden, Beine noch dynamischer."

In "seiner" Altersstufe und mit mehr Spielpraxis sollte es dann anders aussehen, die U18-WM in Szekesfehervar gestaltete er dominant. Er war der beste Defender des Turniers, an ihm lag es nicht, dass das Team wie im Vorjahr den Aufstieg in die B-Gruppe verpasste. Erstmals verfasste ich über ihn auch einen Bericht für "Red Line Report", was ich bei einer C-WM sonst kaum mache: "Bester ÖEHV-Spieler und Top-D im Turnier. Ruhig, keinerlei Panik, findet Outlets gegen Forechecker. Bewegt sich gut in alle Richtungen. Kein großer Banger, kann aber Gegner entlang der Bande fixieren. Wischte über einige Schüsse, aber wenn sie kamen, dann hart und genau."

NHL wurde erst in vergangenen beiden Jahre Thema

Aufgrund dieses Turniers leitete ich seinen Namen (nur zur Sicherheit) auch an NHL-Central Scouting weiter, wo er die Saison auch als C-Prospekt startete, sich im Verlauf der Saison aber nach oben spielte.

Die U20-WM in Minsk war mein letztes Viewing von Nickl. Die Scouts, die größtenteils zu Beginn des Turniers dort waren, sahen ein durchwachsenes erstes und ein weit besseres zweites Spiel von ihm. Ich blieb dort für vier Spiele, wie das ganze Team wurde er immer besser und selbstbewusster, was sich dann im unerwarteten Aufstieg niederschlug.

Mein Bericht: "Kann die Scheibe passen und tragen, gute Beinarbeit in allen vier Richtungen, mit noch mehr Kraft wird er noch effektiver und kann sich von den Gegnern besser absetzen. Kann im Powerplay vom Point und der linken Halfwall agieren. Spielstarker Defender mit gutem Timing und einem Körper, in den er mehr und mehr hineinwächst. Könnte solider Two-Way D mit PP-Fähigkeiten werden."

Dem Vernehmen nach präsentierte er sich in der zweiten Saisonhälfte bei Drummondville noch besser als in Minsk, die Absage der U18-WM spielte für ihn als 01-er Jahrgang keine Rolle. Dass er schon früh zu einem Topverteidiger für die ÖEHV-Teams werden würde, war bald klar, mit der NHL habe ich ihn erst die letzten beiden Saisonen in Verbindung gebracht.

Hört Nickl seinen Namen bereits in Runde drei?

Nickls Leistungsanstieg war über die Jahre graduell, bis auf die eine Verletzung ohne größere Rückschläge. Der Move in die QMJHL war für ihn absolut richtig, ich kann mir nicht vorstellen, dass er beim übervollen KAC in der Ersten einen Stammplatz bekommen hätte und die AlpsHL war für ihn nur eine Zeitlang eine gute Variante.

Ich glaube, dass sein Name um die dritte Draftrunde herum aufgerufen wird. Sollte die Q, wie geplant, im Oktober beginnen, könnte er sich sogar noch vor den Augen der Scouts (zumindest per Stream) gegenüber der zur Inaktivität gezwungenen Konkurrenz nach oben spielen. Seine Abreise nach Übersee erwartet der 18-jährige derzeit auf gepackten Koffern.

Bezüglich einer NHL-Karriere lege ich mich noch nicht fest, er braucht sicher noch Entwicklungszeit in der AHL, die er nach einem Vertragsabschluss im Sommer 2021 wohl bekommen wird. Wenn seine Leistungskurve weiter nach so nach oben zeigt wie zuletzt, traue ich ihm alles zu, sein Spielertyp (mehr spielerisch als physisch) ist überall sehr gefragt...

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