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Marco Rossis Entwicklung im Rückblick

Wie hat sich die Scout-Einschätzung des NHL-Hoffnungsträgers entwickelt?

Marco Rossis Entwicklung im Rückblick Foto: © GEPA

Der NHL-Draft soll in zwei Monaten ,am 9. und 10. Oktober steigen. In der Nacht auf heute erfolgte die Draft Lottery mit dem Sieger New York Rangers. Jetzt stehen also auch die Positionen fest, gut möglich, dass die Scouts einige der Spitzen-Cracks sogar nochmals unter die Lupe nehmen können.

Nach einer ewigen Off-Season sicher ein Bonus, allerdings: Große Änderungen in den Einschätzungen sollten diese Spiele dann nicht mehr verursachen.

Am Beispiel von Österreichs Super-Talent Marco Rossi: Wie weit können Reports zurückgehen und welche Aspekte seines Spiels veränderten sich bzw. blieben gleich? LAOLA1-Experte Bernd Freimüller mit einem Report:

Insgesamt finden sich sechs Reports in meiner Database wieder – im großen Unterschied zur NHL-Scouting-Szene allerdings keine aus den letzten beiden Jahren. In diesem Zeitraum stand er den Nationalteams (U18 bzw. U20) aus verschiedensten Gründen nicht mehr zur Verfügung, die Absage zur letzten U20-WM fand nicht bei allen NHL-Scouts Verständnis.

Zum ersten Mal habe ich den gebürtigen Feldkircher im März 2016 bei einem - sowohl für ihn persönlich als auch für das Team - äußerst gelungenem U16-Turnier in Dresden gesehen. Wie fast immer spielte er dort schon "hinauf", sprich er war einer der jüngsten Spieler im Kader. Im kleinen Österreich sind die wenigen Ausnahme-Talente natürlich früh bekannt, Rossi und der knapp ein Jahr ältere Benjamin Baumgartner waren immer schon mit Abstand die dominantesten Offensiv-Hoffnungen.

Meine ersten Eindrücke von vor vier Jahren: "Ausgezeichneter Hockey Sense, versteht das Spiel sehr gut. Dominiert im Cycling Game, kann Puck unter Druck lange halten, um diesen dann im richtigen Moment weiterzuleiten. Playmaker. Scorte öfters aus kurzer Distanz, Finish und Schuss sind aber Fragezeichen, genauso wie seine Körpergröße."

Nachdem Rossi eben selbst in der U16 noch ein Underager war, reichte das vorläufig, es war klar, dass ich ihn noch öfters sehen würde. Bei Underagern konzentriere ich mich vor allem auf die Positiva, hebe vielleicht das eine oder andere Verbesserungspotenzial heraus, große Detailzeichnungen sind noch nicht notwendig.

Foto: © GEPA

Im Sommer darauf folgten zwei weitere Viewings – eines beim ÖEHV-Nachwuchscamp, das nächste bei einem U16-Turnier in Innsbruck Wochen später.

Da legte ich mich schon etwas mehr fest: "Bester 2001er-Prospekt und da könnte man auch die Jahrgänge zuvor einschließen. Überragendes Spielverständnis gepaart mit samtenen Händen. Großartige Übersicht, findet seine Mitspieler im richtigen Moment. Saucer-Pässe genau aufs Tape. Trägt Scheibe in den Verkehr und wieder hinaus. Etwas besserer Passgeber als Abschluss-Spieler, sollte auf jedem Level Offensiv-Produzent sein. Beine sind ok, braucht aber sicher mehr Explosivität."

Als er das Team alleine trug

Ich gehe eher selten in Spieldetails, an eine Szene aus dem Turnier in Innsbruck erinnere ich mich aber heute noch.

Nach einer klaren Auftakt-Niederlage gegen Deutschland sah es auch gegen die Schweiz (spielte mit zwei Teams) nach einem Drittel zappenduster aus. Rossi erzielte jedoch bald den Anschlusstreffer zum 1:3 und blieb danach auf dem Eis. Die Schweiz beim Anschluss-Faceoff noch geistig weggetreten, Rossi trug die Scheibe ins Angriffsdrittel, servierte sie einem völlig frei stehenden Mitspieler genau auf den Stock, der wischte aber völlig ohne Druck über diesen wohltemperierten Pass.

Rossi schnallte sich das Team trotzdem auf den Rücken und drehte das Spiel noch, diese Szene war aber ein weiterer Beweis für die gravierenden Leistungsunterschiede im österreichischen Eishockey – die wenigen Ausnahme-Talente müssen oft mit selbst im Nachwuchsalter limitierten Spielern gepaart werden.

Erste NHL-Tauglichkeit im Auge

Die nächsten und für mich bis heute letzten Reports basierten auf "echten" Turnieren: U18-C-WMs in Bled (2017) und Kiew (2018) sowie die U20 in Meribel (Dezember 2017). Auch hier war Rossi wieder ein Underager, bei der U20-WM war er sogar der zweitjüngste Spieler des Turniers.

In Bremerhaven billigte ich ihm auch das erste Mal NHL-Niveau zu – ein Label, das ich zwei Jahre vor dem Draft nicht oft und überhaupt sparsam verwende, zu sehr kann man sich da blamieren. Die Positiva wiederholten sich, wenn auch in anderen Worten: "Großer Hockey IQ, hat Aktionen, von denen andere nur träumen können. Gute Geduld gegen Forechecker und Shotblocker. Sieht Spielentwicklungen und Laufwege voraus."

Fortschritte sah ich bei diesen Turnieren bei seinem Schuss: "Verfügt nun über einen harten und schnellen Wristshot. Härtester Schuss im Team."

Er erzielte bei U18-Weltmeisterschaften auch Tore durch Abfälscher und Schüsse aus schlechten Winkeln, was mich zu dieser Korrektur zu seinem Abschlussvermögen bewog: "Wird sowohl Passgeber als auch Torschütze werden."

Rossi arbeitet am Eislaufen

Die Körpermaße beunruhigten mich immer weniger, auch wenn er gegen zwei bis drei Jahre ältere Spieler natürlich immer kleiner wirkte: "Sollte Durchschnittsgröße erreichen."

Ein Aspekt seines Spiels dagegen bereite mir mehr Sorgen, vor allem eben in Verbindung mit seiner Größe – das Eislaufen. Einige Bemerkungen dazu: "Muss an seiner Explosivität und ersten Schritten arbeiten." "Luft nach oben in seinem Separation Speed, konnte sich ab und zu nicht vom Gegner absetzen."

Foto: © GEPA

Dieser Defizite in der Quickness und Agilität war sich Rossi auch bewusst, arbeitete in den letzten Off-Season auch hart daran. Im Gegensatz zu den NHL-Scouts, die ihn in den letzten Jahren in der OHL beobachtet haben, kann ich aber nicht abschätzen, wie groß seine Fortschritte waren – auf Streams kann und will ich mich hier nicht verlassen.

Daher kann ich ihn auch mit Spielern wie Quinton Byfield oder Alexander Holtz nicht abschließend vergleichen – bei ihnen habe ich nicht die Scouting History wie bei Rossi, dafür habe ich sie in ihrem Draftjahr live gesehen.  

Es erinnert an Tavares

Nochmals zum Eislaufen: Auch ein John Tavares kam mit dem Label "Durchschnittlicher Eisläufer" in die NHL, verbesserte sich aber Jahr für Jahr durch sommerliche Camps. Ein Weg, den auch Rossi schon seit Jahren einschlägt.

Er verfügt auch über einen Vorteil: Ein "low center of gravity", sprich ein tiefes Fahrgestell mit muskulösen Beinen, von denen er vor allem in den Ecken und entlang der Banden profitiert.

Aber in Gesprächen mit NHL-Scouts bzw. -Führungskräften habe ich auch das Eislaufen weiterhin als einziges Fragezeichen herausgehört. Niemand diskutiert ernsthaft seine Einstellung, Skills oder Hockey Sense. In der Frage, wie sehr er sich in der NHL gegen körperlich starke Spieler eisläuferisch absetzen kann, ist die Community noch etwas gespalten, auch wenn man ihm aufgrund seines überragenden Hockey Senses Startvorteile zutraut.

Soweit also meine mehrjährige Scouting History für Österreichs größtes Eishockey-Talent seit Thomas Vanek. Alles andere als ein Top-8-Platz beim Draft würde mich negativ überraschen, für eine Beurteilung seines möglichen Impacts in der NHL fehlen mir aber aktuellere Beobachtungen. Die haben die NHL-Scouts dagegen zur Genüge, der Draft könnte für sie ruhig schon morgen kommen…

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