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Marco Rossi manifestiert seinen Draft-Status

Österreichs Ausnahmetalent geigt in Kanada auf. Scout Freimüller analysiert:

Marco Rossi manifestiert seinen Draft-Status Foto: © getty

Was für ein Auftritt, was für ein Ergebnis! Fünf Torvorlagen beim 5:4-Overtime-Sieg seiner Ottawa 67's - Marco Rossi ist im Eishockey verrückten Kanada längst ein Begriff.

Auch hierzulande freuen sich die Fans, dass das Ausnahmetalent nach seiner starken Rookie-Saison in Kanadas Hauptstadt in den letzten Wochen seinen Draft-Status weiter erhöht.

Österreichs Stürmerstar Thomas Vanek ist inzwischen in der Versenkung verschwunden, Marco Rossi könnte in knapp einem Jahr strahlend auf der Bildfläche der NHL auftauchen.

Etwas mehr als ein Monat ist in der Ontario Hockey League (OHL) gespielt, schön langsam kommt etwas Bewegung in die Einschätzungen für den Draft 2020. LAOLA1-Scout Bernd Freimüller sprach nach seinem Top-Spiel gegen Hamilton mit dem 18-Jährigen und wirft einen Blick auf die bisherige Saison des Feldkirchers auf und neben dem Eis:

DIE ZAHLEN

In sechs Spielen für die Ottawa 67's verbuchte Rossi aktuell vier Tore und elf Assists – 15 Punkte in sechs Spielen, eine Pace, der ihn bald zum Highscorer des Teams machen wird. Im Gegensatz zu Mitchell Hoelscher und Austen Keating, die teamintern noch vor ihm liegen, fehlen ihm fünf Spiele in der Statistik.

Besonders bemerkenswert war das bislang letztes Spiel von Marco Rossi: Beim 5:4-Overtime-Sieg gegen die Hamilton Builldogs in der Nacht auf Montag bereitete der Vorarlberger alle fünf Treffer vor, speziell die letzten drei Assists waren blattgenau und luden förmlich zum erfolgreichen Abschluss ein. Der Kanadier Noel Hoefenmayer profitierte von der Spiellaune Rossis und erzielte einen Hattrick.

"Es ist mir gut gelaufen", lautet Rossis (untertriebener) Kommentar zum Spiel. Diese Scoring Pace, kombiniert mit seiner ausgezeichneten Rookie-Saison im Vorjahr, manifestierte bzw. erhöhte seinen Draft-Status.

DIE SPERRE

Wieso fehlte der ÖEHV-Teamspieler in fünf Spielen? In der Saison-Eröffnungspartie gegen Guelph stieß er bei einem eigentlich vorbildlichen Backcheck Cedric Ralph in die Bande. Was im Spiel nur eine Zwei-Minuten-Strafe wert war, wurde im Nachhinein in eine Fünf-Spiele-Sperre umgewandelt. 

Rossi durfte allerdings tags darauf gegen Oshawa noch auf das Eis, ehe die Sperre ausgesprochen wurde.  Rossi meint dazu: "Es war eine eher unglückliche Aktion und meine erste Sperre überhaupt." Kuriose Parallele: Alexander Holtz, der 18-jährige Sniper von Djurgarden Stockholm und ebenfalls ein Kandidat für einen hohen Draftplatz, musste wegen eines Checks gegen den Kopf knapp später ebenfalls für drei Spiele pausieren. Wie Rossi ist auch Holtz ein Spieler, bei dem man sicher nicht an überharte Aktionen denkt. Sperren für Spitzenspieler im Draftjahr sind eher eine absolute Ausnahme.

DIE SAISON DER 67's

Im letzten Jahr dominierte das Team die Liga noch nach Belieben und wurde erst im Finale gestoppt, derzeit läuft es für die 67's nicht mehr so flüssig. 14 Punkte aus elf Spielen bedeuten Platz drei in der East Division. Ein Playoff-Platz ist allerdings nicht in Frage gestellt, 16 der 20 OHL-Teams qualifizieren sich für die Endrunde.

Die 67's verloren im Sommer einige Stützen und mussten diese durch jüngere Spieler ersetzen – der übliche Kreislauf in der CHL und der Leistungsabfall kam daher auch nicht überraschend. GM James Boyd ist auch weiter am Feilen. In einem Trade am letzten Wochenende kam Stürmer Joseph Gareffa aus Kitchener für Defender Lucas Peric – für Rossi auch nur logisch: "Wir hatten genug Verteidiger, ein zusätzlicher Angreifer tut uns aber gut." Gareffa, der als Overager (Jahrgang 1999) in sein fünftes OHL-Jahr geht, fand sich dann auch gleich an der Seite von Rossi wieder, der seine Linienkollegen so beschreibt: "Gareffa ist klein, aber sehr talentiert und ein ausgezeichneter Passgeber. Austin Keating steht für harte Arbeit und reißt dadurch Lücken."

ROSSIS ENTWICKLUNG

Nach seinem (ausgezeichneten) Einführungsjahr in der OHL ist der Vorarlberger nun endgültig ein absoluter Leistungsträger in Ottawa, was sich auch in der gesteigerten Eiszeit (von 18 auf 22 Minuten) gegenüber der Vorsaison widerspiegelt.

Rossi über seine neue Rolle: "Wir müssen natürlich jetzt immer gegen die Top-Spieler des Gegners ran, der Druck steigt, der Platz am Eis wird weniger." Welpenschutz gibt es keinen mehr, der Center ist in einer jungen Truppe ein absoluter Teamleader.

Körperlich ist Rossi für diese Aufgabe jedenfalls gerüstet: Er legte nochmals zu, bringt jetzt (bei 1, 77 m) 85 kg auf die Waage: "Ich kann mich jetzt noch besser durchsetzen, fühlte mich aber gleichzeitig beweglicher und schneller." Das größte Fragezeichen - sein Speed über größere Distanzen - sollte daher positiv beantwortet werden, an seinen Fähigkeiten sowohl als Playmaker als auch als Torschütze gab es ohnehin nie Zweifel. Bei Junioren-Spielern nicht alltäglich: Rossi ist in beide Richtungen verlässlich, muss also beim Übergang ins Profilager das Defensiv-Spiel nicht erst mühsam erlernen.  

INTERAKTIONEN MIT DEN NHL-SCOUTS

Nach ersten Schnupper-Gesprächen in der Vorsaison stehen natürlich jetzt ernsthaftere Gespräche mit den NHL-Scouts an. Die müssen erst über Coach Andre Tourigny angemeldet werden, um so nicht völliges Chaos einreißen zu lassen. Mit Buffalo hatte Rossi ein lockeres Gespräch, für ein anderes Team waren eher psychologische Fragen angesagt. Ein Beispiel dafür? "Du bist auf einer einsamen Insel mit einem anderen Mann und nur einer Wasserflasche – würdest du ihn im Kampf darum töten?" Wer mit solchen Fragen und Antworten glücklich wird…

In den nächsten Wochen stehen weitere Interviews an, sofern es Rossis Zeitplan hergibt. Der sieht nach früher Tagwache eine Videositzung um 7:30 Uhr vor, danach Eistraining, eventuelle eine Skill Session, Mittagessen und danach noch Krafttraining. Dienstende ist dann um 14 Uhr. Immerhin brachte der Wechsel der Gastfamilie – die neue wohnt nur fünf Minuten von der Arena entfernt – eine zusätzliche Schlafstunde und Tagwache um 6:15 Uhr statt um 5 Uhr.

DIE DRAFT-AUSSICHTEN

Rossi hat den Standardsatz für Spieler bereits eingelernt: "Mit dem Draft befasse ich mich gar nicht." Kennen wir, wissen wir und stimmt auch zu einem gewissen Teil: Solange die eigenen Leistungen stimmen, braucht ein Spieler wie Rossi nicht nach rechts und links zu schauen, kann die Performances der Konkurrenz ohnehin nicht beeinflussen.

Ende Oktober sind sich die Auguren noch nicht einmal klar, ob es ein guter oder durchschnittlicher Draft wird. Nach Alexis Lafreniere, dem ich einen Start-Ziel-Sieg zutraue (geht als Erster ins Draftjahr und behält diesen Status über die ganze Saison) ist dahinter alles möglich. Es dürfte aber ein Draft werden, der von Stürmern dominiert wird, ein Goalie (Yaroslav Askarov) als Joker mitmischt und sowohl Europa als auch die Major Juniors Top-Ten-Kandidaten aufweisen. Das US U18-Team ist dagegen mit dem im Vorjahr nicht mehr zu vergleichen, weist weit weniger Top-Kandidaten auf.

Als Hockey-Nerd weiß Rossi natürlich auch über den kometenhaften Aufstieg von Tim Stützle in Mannheim, der sich in die Top-10 spielen dürfte. Wäre der Draft morgen, könnte ich mir für Rossi einen Platz um 10 herum vorstellen, doch bis Juni ist noch viel Luft in beide Richtungen.

Nach Jahren als jüngerer Spieler in der Schweiz oder Ottawa ist der Feldkircher beim Draft auf einmal ein "älterer Herr" – sein Status als "später 2001er-Jahrgang" und sein Geburtsdatum 23. September (nur acht Tage nach dem Trenndatum 15. September) macht ihn zu einem der ältesten Spieler bei der Talenteziehung in Montreal.

DIE JUNIOREN-WM IN MINSK

Rossis Antwort auf die Frage, ob mit ihm bei der Junioren-WM in Minsk im Dezember zu rechnen wäre: "Ich habe das mit meinem Agenten noch nicht besprochen." Langjährige Erfahrung hat mich gelehrt, wie solche Äußerungen zu bewerten sind.  Eines ist klar: Bei einer eventuellen Nicht-Teilnahme in Minsk sind die einzigen europäischen Scouts, die sich am Ende der Saison für ihn einsetzen können, die, die ihn im Jänner bei CHL-All-Star-Game beobachten können. Alle anderen müssten sagen: "Fragt mich nicht, ich habe ihn seit zwei Jahren nicht mehr gesehen."

Der deutsche Defender Moritz Seider, noch dazu gerade von einer Schulterverletzung genesen, konnte sich bei der B-WM im Vorjahr jedenfalls vor Dutzenden von Scouts positiv in Szene setzen und so den Grundstein für den sechsten Platz beim Draft legen. Die Handvoll Spiele, die er parallel für Mannheim versäumte, spielten natürlich die weit geringere Rolle.

FAZIT

Bis auf die Sperre, die natürlich für Scouts kein Problem darstellt, hatte Rossi einen Start nach Maß, ist Leader und Scorer bei einer sehr guten OHL-Organisation und dürfte gegenüber dem Vorjahr noch eine Schippe drauflegen.

Noch ist es für Rechenspiele etwas zu früh, aber nur Verletzungen könnten für Österreichs größtes Eishockey-Talent seit vielen Jahren ein hohes Draft-Ranking verhindern…

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