"Ich wusste gar nicht, wie klebrig das Harz auf den Bällen ist! Die ersten Würfe sind bereits vor der Torlinie aufgesprungen."
Marco Rossi hat gerade einen Dreh mit Handball-Star Mykola Bilyk in Graz hinter sich, als er sich Montagmittag mit LAOLA1 trifft.
Den Handball hält er noch in seiner Hand. Nicht, weil er ihn nicht mehr los bekommt. Er war ein Souvenir.
"Wir warten daweil draußen", sagt Papa Michael Rossi zu seinem Sohn, der sich gut gelaunt zeigt. Keine Spur von der Vertragsstreiterei mit Minnesota, die sein Manager Ian Pulver in Nordamerika austrägt.
Kids-Camps und tiefe Einblicke
Österreichs Eishockey-Aushängeschild wartet weiter auf ein unterschriftsreifes Vertragsangebot. Es ist Anfang August, eigentlich sollte es Ende des Monats zurück nach Saint Paul gehen, wo die Wild ansässig sind.
Ob der 23-Jährige dann tatsächlich in den Flieger steigt, ist zum aktuellen Zeitpunkt jedoch zweifelhaft.
Davon lässt sich der Feldkircher nicht beirren, sucht stattdessen die Nähe zur Familie und den nächsten heimischen Eishockey-Stars. In seinem Heimatort hielt er ein inzwischen zur Tradition gewordenes fünftägiges Trainingscamp für Kinder bis 15 Jahre ab.
Am vergangenen Wochenende durften die Zöglinge aus Graz und Umgebung dem Vorarlberger nicht nur auf Kufen und Schläger blicken, sondern ihm auch knallharte Fragen stellen. Etwa, wie das Leben in der NHL ist.
Nicht nur darüber hat sich LAOLA1 mit Rossi unterhalten, sondern vor allem die Zukunft des Centers stand im Vordergrund des Gesprächs.
Dabei gewährte er tiefe Einblicke in seine Gefühlswelt.
LAOLA1: Du hast gerade im Vorgespräch erzählt, dass das Kindercamp in Graz binnen weniger Stunden ausverkauft war. Was macht es mit dir, wenn all diese Kind zu dir aufschauen?
Marco Rossi: Sehr viel! Ich bin mit sehr viel Leidenschaft dabei. Ich liebe es, mit Kindern zu arbeiten und war einmal in der gleichen Position wie sie. Ich durfte auch einmal mit NHL-Spielern trainieren, das war das Größte für mich. Ich weiß heute noch, wie unglaublich dieses Gefühl war. Dieses Gefühl und die Erfahrung, die ich mittlerweile habe, versuche ich weiterzugeben. In Österreich Eishockey zu spielen, ist immer noch schwierig. Man hört immer, dass man es nicht schaffen wird. Ich habe das auch gehört. Ich war zu mir selbst immer sehr hart, habe an mich geglaubt und es war mir egal, was die anderen gesagt haben. So probiere ich es den Kindern auch mitzuteilen: Ihr könnt es schaffen, ihr müsst nur an euch glauben, egal was andere sagen.
LAOLA1: Was sind die häufigsten Fragen, die dir die Kinder stellen?
Rossi: Wie es ist, in der NHL zu spielen. (lacht) Aber natürlich auch Eishockey-spezifische Sachen: Wie können sie besser schießen oder eislaufen, was sollen sie machen, wie oft sollen sie trainieren usw. Von A bis Z gibt es alle möglichen Fragen.
"Ganz ehrlich, es ist gar nicht wie erwartet. Du stellst es dir unglaublich vor, das ist es auch. Doch wenn du dort bist, lehnst du dich nicht zurück und sagst: Ich habe es geschafft."
LAOLA1: Wie ist es denn, in der NHL zu spielen? Jetzt hast du schon zwei Jahre verbracht. Ist alles, wie du es erwartet hattest?
Rossi: Ganz ehrlich, es ist gar nicht wie erwartet. Du stellst es dir unglaublich vor, das ist es auch. Doch wenn du dort bist, lehnst du dich nicht zurück und sagst: Ich habe es geschafft. Du musst immer konsequent weiterarbeiten. Ab und zu vergisst man es einmal zu genießen, wo man wirklich steht. Man hat konstant Druck, muss immer abliefern. Nach der Saison kommt man mal runter und dann realisiert man erst, was man geleistet hat.
LAOLA1: Das hört sich nach immens hohen Stress an.
Rossi: Die Saison ist brutal hart! Ich hatte das Glück, dass ich mich bisher nicht gröber verletzt habe und konnte in den letzten zwei Saisonen alle 82 Spiele plus Playoffs absolvieren. Am Ende einer Saison merkt man schon, wie hart die Spiele wirklich sind. Da ist der Körper wirklich schon sehr müde. Man muss gut auf den Körper hören und auf die Basics achten: Schlafen, Essen, Vitamine zu sich nehmen. Das hört sich normal an, ist am Ende aber tatsächlich der Schlüssel, dass man - so gut, wie es geht - alle Spiele bestreitet.
LAOLA1: Es geht also um die richtigen Routinen. Um ein paar Wehwechen kommt man trotzdem nicht herum.
Rossi: Blaue Flecken, Prellungen oder angebrochene Rippen - irgendetwas hat man immer. Ich probiere trotzdem, jedes Spiel zu spielen. Außer wenn es wirklich nicht geht, dann bist du auch nicht dumm und spielst trotzdem. Ich hatte zum Glück noch nicht so eine Situation, dass ich wirklich ein Spiel aussetzen musste.
LAOLA1: In der letzten Saison hast du durch einige Verletzungen im Lineup viel Verantwortung übernommen und dein Scoring stark verbessert. Du hattest die meisten Powerplay- und Overtime-Tore im Team. Wie blickst du mit etwas Abstand auf das Jahr zurück?
Rossi: Die Saison war sehr gut! Ich habe im Vergleich zum Vorjahr einen enorm großen Schritt gemacht, eben auch viel Verantwortung übernommen, als Kirill Kaprizov oder Mats Zuccarello verletzt waren. Ich bin stolz auf mich selbst.
LAOLA1: Du hast einen Sprung von 40 auf 60 Scorerpunkte gemacht. Nimmst du für die nächste Saison die Marke von 80 Punkten ins Visier?
Rossi: Spieler haben natürlich immer Ziele vor Augen. Die behalte ich für mich - aber letztes Jahr waren 60 Punkte mein Ziel. Daher war es geil, dass ich sie erreicht habe.

LAOLA1: Ich nehme an, du siehst in dir selbst das Potenzial, die Ausbeute weiter zu steigern?
Rossi: Auf jeden Fall!
LAOLA1: Woran arbeitest du diesen Sommer konkret, um dich weiter zu verbessern?
Rossi: Ich schaue immer, die Schwächen zu verbessern und die Stärken noch mehr zu stärken. Ich bin schon kräftig gewesen, aber ich bin nochmal sehr viel kräftiger geworden und habe in der Hinsicht einen brutalen Sprung gemacht. Ich wollte noch schneller werden, denn man kann nie schnell genug sein. Das war ein großer Punkt. Mit Mathias Graf (Ex-Skicrosser, Anm.) habe ich einen tollen Personalcoach, mit dem ich wirklich gut zusammenarbeite. Ich fühle mich so gut wie noch nie.
LAOLA1: Ich habe in den sozialen Medien einige Fotos und Videos gesehen, wie ihr zum Beispiel in den Bergen trainiert. Es gibt gerade im Sommer kein Erbarmen.
Rossi: Natürlich macht man nach der Saison zwei, drei Wochen gar nichts. Dann schaltet man einmal komplett runter, ich war in Marbella auf Urlaub. Es ist für den Kopf wichtig, von der Halle und generell vom Eishockey auch einmal wegzukommen.
LAOLA1: Für dich und deine Spielweise ist es essenziell, so kräftig wie nur möglich zu sein.
Rossi: Wenn man nicht der Größte ist, muss man etwas anderes bringen. Ich bin vielleicht nicht der größte Spieler (1,76 Meter, Anm.), aber enorm kräftig. Ich zähle mit meinem Körpergewicht von 89 kg zu den schwereren Spielern. Dennoch fühle ich mich sehr gut und wohl. Man muss auch schneller und wendiger sein und mehr als ein größerer Spieler machen.
LAOLA1: Es gibt Stimmen, die meinen, du wärst zu klein für eine große Rolle in der NHL, überhaupt wenn es in die Playoffs geht. Kannst du das nachvollziehen?
Rossi: Egal wo du bist, es gibt immer Kritikpunkte. Wer mich in den letzten zwei Jahren intensiver verfolgt hat, weiß aber, dass ich dorthin gehe, wo es weh tut. Fast alle Tore, die ich gemacht habe, waren von einer Position vor dem Tor. Es gibt noch viel kleinere Spieler, die nicht einmal 1,70 Meter groß sind. Was die anderen sagen, ist mir seit Tag eins egal.
LAOLA1: Du hast im Sommer auch in Davos trainiert, gemeinsam mit NHL-Legende Joe Thornton. Wie war das?
Rossi: Richtig geil! Da haben wir spezifisch nur Bullys trainiert, weil das ein weiterer Punkt war, in dem ich mich noch verbessern will. Er hat so viele Jahre in der NHL verbracht und war ein Top-Center, vor allem bei den Bullys hat er enorme Erfahrung. Ich habe wirklich coole Tipps von ihm erhalten.
LAOLA1: Hattet ihr zuvor schon irgendwelche Berührungspunkte?
Rossi: Ich habe einmal gegen ihn gespielt, damals noch mit den ZSC Lions gegen Davos (30. Oktober 2020, 6:3-Sieg mit Tor von Rossi, Anm.). Das war mein einziges Liga-Spiel, danach ist die Sache mit dem Herz passiert. Zustande gekommen ist das Training durch meinen Skills Coach, der in Davos ist und Joe Thornton ganz gut kennt. Dann sind wir einmal ins Reden gekommen und haben es ausgemacht.
"Ich will ihnen vertrauen - und ich will, dass mir vertraut wird."
LAOLA1: Ich komme wieder auf die vergangene Saison zurück, im Speziellen die Playoffs. Es wurde bereits viel über deine Degradierung in die vierte Linie gesagt, du hast dich selbst schon mehrfach dazu geäußert. Mich würde trotzdem interessieren, wie dir diese Maßnahme kommuniziert wurde und wie deine erste Reaktion darauf ausgefallen ist?
Rossi: Kommuniziert wurde sie mir gar nicht. Ich habe das als Spieler natürlich professionell aufgenommen, das muss ich auch tun. Eishockey ist eine Mannschaftssportart, die Mannschaft steht immer im Vordergrund und ich habe probiert, das Beste daraus zu machen. Das Positive war, dass ich weiter Tore und Assists gemacht und versucht habe, der Mannschaft zu helfen. Als wir dann ausgeschieden sind, hatte ich natürlich das Recht zu sagen, dass es nicht in Ordnung war. Ich möchte mich allerdings nicht so reinsteigern und freue mich bereits auf die nächste Saison.
LAOLA1: Ich muss trotzdem etwas nachhaken. Wenn du sagst, die Entscheidung wurde dir nicht kommuniziert - wie hast du es dann erfahren? Bist du eines Tages in die Kabine gekommen und auf einer Tafel stand dein Name plötzlich in der vierten Linie?
Rossi: Genau so war es.
LAOLA1: Das stelle ich mir sehr unangenehm vor. Dadurch konntest du ja auch keine Begründung erhalten - hast du nach der Saison eine bekommen?
Rossi: Auch nicht. Ich verstehe gewisse Situationen natürlich auch nicht, warum sie so getroffen worden sind. Ich musste diese Situation einfach annehmen und das Beste daraus machen.
LAOLA1: Es spricht für dich, dass du dich damit abgefunden und weiterhin performt hast. Ist es nicht trotzdem ein Zeichen von fehlender Wertschätzung der Franchise dir gegenüber, auch wenn man sich die Vertragsangebote vor Augen hält, die du mutmaßlich bekommen haben sollst?
Rossi: Die Wertschätzung ist ein sehr großer Punkt! Ich will ihnen vertrauen - und ich will, dass mir vertraut wird. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass da ein Zusammenspiel herrscht. Was in den Playoffs passiert ist; da will ich als Spieler natürlich auch Vertrauen haben, weil ich wirklich alles getan habe, was sie von mir wollten. Ich habe sogar noch mehr gemacht. Daher willst du als Spieler natürlich auch ein gewisses Maß an Wertschätzung erfahren. Die Vertragsverhandlungen laufen, ich bin eigentlich relativ im Hintergrund, lasse meinen Agenten machen und bekomme immer wieder mal Updates, wenn etwas passiert. Aber momentan herrscht Funkstille.
LAOLA1: Inwieweit muss das Verhältnis zwischen dem Vertrag bzw. dem Gehalt, welches du später erhalten wirst, und der entgegengebrachten Wertschätzung stimmen?
Rossi: Ich glaube, das ist alles ein Thema. Das Geld bringt eine gewisse Wertschätzung. Jeder Spieler weiß ungefähr, in welchem Fenster er sich befindet. Das Geld ist natürlich nicht das A und O, aber du willst als Spieler wertgeschätzt werden. Du willst spielen. Ich bin ein Top-6-Spieler, einer für die erste und zweite Linie. Da will ich auch die Bestätigung dafür bekommen. Die Spielzeit steht immer an erster Stelle.
"Ich habe gesagt, was ich gefühlt habe. Und das war, dass ich nicht gewusst habe, ob ich ihnen vertrauen kann."
LAOLA1: Würdest du dir als Absicherung lieber einen Langzeitvertrag wünschen? Einfach um zu wissen, später nicht beliebig von einer Franchise zur anderen geschoben werden zu können?
Rossi: Ehrlich gesagt, bin ich bei der Vertragslänge offen. Ich habe kein Problem mit einem Vertrag über zwei oder drei Jahre, es muss einfach die Wertschätzung da sein und ein gutes Zusammenspiel herrschen. Schlussendlich muss es aus meiner und Minnesotas Sicht fair sein.
LAOLA1: Du hast nach deinen Exit Meetings von einem "ehrlichen Gesprächen" und einer "Diskussion unter Männern" erzählt. Kannst du einen Einblick geben, was gesagt wurde?
Rossi: Es war wirklich ein Gespräch zwischen Mann und Mann. Vor allem in diesem Business muss man ehrlich zueinander sein. Ich habe gesagt, was ich gefühlt habe. Und das war, dass ich nicht gewusst habe, ob ich ihnen vertrauen kann. Das habe ich ihnen offen und ehrlich kommuniziert. Sie haben dann ihre Seite erläutert und wir haben es ausdiskutiert.
LAOLA1: In etwas mehr als einem Monat geht das Trainingscamp los. Solltest du bis dorthin keinen Vertrag unterzeichnet haben, könntest du nicht daran teilnehmen. Wie geht es dir in Anbetracht der aktuellen Situation, inwieweit kreisen die Gedanken in deinem Kopf?
Rossi: Wenn ich sagen würde, dass es mir egal wäre, würde ich lügen. Momentan bin ich allerdings noch sehr locker. Ich habe eine super Saison gespielt und weiß, dass ich aktuell keinen Druck habe. Es gab in der Vergangenheit unzählige Spieler, die in derselben Situation waren. Letztes Jahr waren es zum Beispiel Moritz Seider und Lucas Raymond in Detroit, die erst nach dem 15. September unterschrieben haben. Ich weiß, dass es noch länger dauern kann. Es ist erst Anfang August, deshalb habe ich aktuell absolut keinen Stress.
LAOLA1: Das Worst-Case-Szenario wäre, dass du nach dem 1. Dezember immer noch keinen Vertrag hast und in der kommenden Saison gar nicht spielen darfst. Das ist in der NHL-Geschichte zwar so gut wie noch nie vorgekommen, aber hast du dich damit trotzdem schon einmal auseinandergesetzt?
Rossi: Nein, gar nicht. Ich bin sehr positiv gestimmt. Es ist noch zu früh, darüber nachzudenken.
LAOLA1: Dein konkreter Wunsch lautet weiterhin, in Minnesota zu bleiben?
Rossi: Minnesota hat die Rechte an mir. Ich will natürlich, dass wir eine Lösung mit ihnen finden.
LAOLA1: Kannst du einschätzen, zu wieviel Prozent das passieren wird?
Rossi: Überhaupt nicht, ich lese auch gar nichts in den Medien. Es wird überall so viel geschrieben - ich würde mich damit nur narrisch machen und ich habe mir vor einigen Jahren angewöhnt, nichts mehr zu lesen. Da wärst du ja ein Depp und würdest dir selbst nur Druck machen. Ich bin wirklich entspannt.
LAOLA1: Wann war ursprünglich geplant, dass du wieder nach Minnesota reist?
Rossi: Eigentlich war Ende August geplant, dass ich rüberfliege. Ich gehe aber natürlich erst dann rüber, wenn ich weiß, wann ich unterschreibe. Wahrscheinlich fliege ich Anfang, Mitte September.
LAOLA1: Im Sinne aller heimischen Eishockey-Fans hoffe ich, dass diese Causa ein Happy End nimmt und bedanke mich für deine Zeit!
Rossi: Danke!
VIDEO: Marco Kasper im LAOLA1-Interview