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LAOLA1-Scout analysiert Raffls Vertrag

Bernd Freimüller erklärt, was die Vertragsverlängerung seinem Verein sowie Raffl bringt:

LAOLA1-Scout analysiert Raffls Vertrag Foto: © getty

Die Vertragsverlängerung von NHL-Legionär Michael Raffl bei den Philadelphia Flyers (Alle Infos) war so nicht unbedingt zu erwarten. Der 30-jährige Villacher bleibt zwei weitere Jahre bei dem Verein, bei dem für ihn das Abenteuer NHL vor sechs Jahren begann.

Doch was bringt Raffls Vertragsverlängerung den beiden Parteien eigentlich?

Nachdem Charlie O'Connor von der US-Sportwebsite "The Athtletic" den Deal genauer unter die Lupe nahm, gibt LAOLA1-Experte Bernd Freimüller seine Meinung zur Situation ab und erklärt, weshalb der Einschnitt in Raffls zukünftigem Gehalt durchaus nachvollziehbar ist.

Die Zahlen:

Zwei Jahre zu 3, 2 Millionen US-Dollar insgesamt, davon im ersten Jahr 1, 8 Millionen. One-Way, keine No-Trade oder No-Move-Clause. Keine Performance- oder Signing-Boni. Raffls Durchschnitts-Jahresgehalt von 1, 6 Mio. ist ein Paycut gegenüber dem Jahresgehalt seines derzeitigen Dreijahres-Vertrags mit je 2, 35 Millionen Dollar.

Warum das niedrigere Gehalt im zweiten Jahr:

So etwas weist oft auf Deals hin, wo ein eventueller Trade im Hinterkopf steht. Das neue Team müsste – etwa zur Trading Deadline – dann nur den aliquoten Teil der 1, 4 Millionen bezahlen.

Bezüglich der Salary Cap – entweder bei einem Trade oder einem Abschieben ins Farmteam – spielt das absinkende Gehalt keine Rolle. Der Cap Hit beträgt für beide Saisonen 1, 6 Millionen. Sollte Raffl in die AHL geschickt werden, ist der Deal bezüglich des Cap Hits sehr angenehm. Den Flyers – oder einem anderen Team – würden nur 525.000 Dollar bezüglich der Salary Cap angerechnet werden, mehr als eine Million würde verschwinden (Raffl selbst bekäme natürlich das komplette Gehalt).

Verträge, die umgekehrt aufgezäumt sind – sprich mit einem Gehaltsanstieg in den späteren Jahren – sind schwerer zu traden und dienen so als eine verkappte NTC.

Was bringt dieser Deal den Flyers?

Zwei weitere Jahre Planungssicherheit in einer Organisation und Stadt, die er sehr gut kennt. Ungewiss, was ihn am Free-Agent-Markt erwartet hätten. Nach meinem Dafürhalten sicher einige Angebote, ein Wettbieten hätte er nach der heurigen Saison nicht ausgelöst. Ich kann nicht abschätzen, welche Vertragsdauer und –höhe er bekommen hätte – jetzt braucht er sich darüber keinen großen Kopf zu machen.

Das Gehalt für die nächsten zwei Jahre ist ihm sicher, bei Vertragsende käme er dann  auf acht NHL-Saisonen mit einer Gesamteinkunft (brutto) von über 13 Millionen Dollar. Dazu kämen dann noch eventuelle weitere NHL-Jahre oder, wenn nicht, die Chance auf weiteres gutes Geld in europäischen Qualitätsligen. Wie bei der letzten WM gesehen – Raffl kann in Europa auch in einem schwächeren Team offensive Akzente setzen, er stach vom ersten Spiel an heraus.

Natürlich gibt es auch Egos, die eine Gehaltskürzung zu diesem Zeitpunkt nicht akzeptiert und auf die Free Agency gesetzt hätten. Auch nichts Verwerfliches dabei, aber der Villacher hat sich früh entschieden und der neue Deal sollte beiden Seiten zufriedenstellen.

Vergleichbare Deals?

NHL-Agenten leben davon, für ihre Klienten das Beste herauszuholen, NHL-GMs natürlich dasselbe für ihre Teams. Um das zu tun, ziehen sie stets „Comparables“ heran, Spieler, die ähnlich performt haben. Die Agenten natürlich Spieler, die im Verglich größere Gehälter bekamen, die GMs lieben zum Vergleich eher unterbezahlte Cracks.

Ähnliches gilt auch für Stats: Durchaus möglich, dass Raffl-Berater Jerry Buckley darauf hingewiesen hat, dass Raffls 1, 42 Punkte pro 60 Minuten Eiszeit ein sehr guter Wert sind. Fletcher – respektive sein „Contract-Guy“ – könnte wiederum darauf hingewiesen haben, dass seine Primary Points (also ohne zweite Assists) 0, 85 pro 60 Minuten betrugen und dies sein schlechtester Wert in den letzten vier Jahren war.

Vielleicht zogen sich die Verhandlungen aufgrund solcher Argumente über Wochen, vielleicht sagte aber auch Fletcher einfach zu Buckley: „Du, wir wollen Michael behalten, aber er muss etwas runter und Rentenvertrag wird es auch keiner. Können wir darüber reden oder will er unbedingt in die Free Agency?“. Danach noch etwas Hin und Her mit Zahlenaustäuschen, doch viel Zeit nahm dieser Deal nicht in Anspruch.

Wie es war, kann ich zur Stunde nicht sagen, ist auch eigentlich egal. Die Vergleiche mit anderen Spielern unter Zwei-Jahres-Verträgen, wie sie O’Connor anstellte, sind eine hübsche Spielerei. NHL-Deals entstehen selten in einem Vakuum, aber hat eine der beiden Seiten wirklich Comparables wie Tim Schaller (Vancouver, 1, 90 Mio pro Jahr) oder den Franzosen Pierre-Edouard Bellemare (Vegas, 1, 45 Mio) aus dem Computer herausgezogen?

Ich kenne zufällig beide Spieler sehr gut, Schaller fiel mir vor Jahren bei einem AHL-Trip auf, Bellemare sah ich öfters in Schweden und bei WMs. Natürlich gibt es Parallelen – beides sind Bottom-6-Spieler mit überschaubarer Offensive, das Alter (27 bzw. 31) auch ähnlich. Für mich ist Raffl mit mehr Offensive als Schaller ausgestattet, Bellemare ist auch kein High-Scorer, aber nie verletzt und sehr konstant. Natürlich sind sie eher Comparables als Patrik Laine oder Alex Ovechkin – ob sie aber wirklich in den Gesprächen eine Rolle spielten?

Fazit:

Michael Raffl ist – und da bemühe ich mich objektiv zu sein – derzeit ein  unterdurchschnittlicher NHL-Spieler. Bevor ich der Nestbeschmutzung bezichtigt wäre – das heißt für mich, dass es auf der Welt einige Hundert bessere Spieler, dagegen aber Hunderttausende von schlechteren gibt. Wer das von sich in seinem Beruf sagen kann, ist sicher eine Koryphäe auf seinem Gebiet.

Ein durchschnittliches NHL-Gehalt dürfte in der nächsten Saison (Cap bei 83 Mio erwartet) bei fast 3, 5 Mio. Dollar liegen – da liegt Raffl dann klar darunter und das ist wohl auch leistungsadäquat. Zu seinen bisherigen sechs NHL-Saisonen kommen aber mindestens noch zwei dazu und sorgen dafür, dass Österreich (neben Michi Grabner, dessen Vertrag auch noch zwei Jahre läuft) weiter in der besten Liga der Welt aufscheint.

Im Gegensatz zu anderen Ländern, wo Dutzende Cracks in der NHL vertreten sind und Vertragsverlängerungen daher oft nur eine Randnotiz sind, war daher der gestrige Tag durchaus ein Grund zur Freude.

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