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Nickl: "Mentalität in Schweden eine ganz andere"

Österreichs Defender-Hoffnung über Station in Schweden, Anaheim und ÖEHV:

Nickl: Foto: © GEPA

Thimo Nickl steht nach dem Beat-Covid19-Turnier im Frühjahr zum zweiten Mal im Aufgebot des ÖEHV-Nationalteams und bestreitet das Vier-Nationen-Turnier in Jesenice (alle Spiele bei LAOLA1 im LIVE-Stream).

Der 19-Jährige ist Österreichs große Hoffnung in der Verteidigung, wurde als erst zweiter ÖEHV-Defender nach André Lakos 1999 im NHL-Draft ausgewählt - 2020 von den Anaheim Ducks an 104. Stelle.

Seinem Tagesgeschäft geht Nickl aber in Schweden nach: Bei AIK Stockholm in der Allsvenskan will sich der Klagenfurter beweisen, um überhaupt eine Chance in der NHL zu bekommen. Gut für das ÖEHV-Team, denn durch das Engagement in Europa steht er für das Nationalteam zur Verfügung.

Nickl im LAOLA1-Interview über Eishockey in Schweden, das abrupte Ende seines Kanada-Abenteuers und NHL-Chancen:

LAOLA1: Teamchef Roger Bader war in Schweden zu Besuch und ist von deiner Form sehr angetan. Wie gut tut so ein Lob?

Thimo Nickl: Allein dass er mich beobachtet hat, ist schon ein Lob - das zeigt, wie interessiert er ist. Er war auch einmal in Kanada, darum haben wir eine recht gute Beziehung zueinander. Wir waren zusammen Mittagessen. Es gab nach meinem Spiel schon ein kurzes Gespräch, da haben aber die Emotionen bei mir Überhand genommen, weil wir gerade gegen Xandi (Alexander Rauchenwald, bis vor kurzem bei Västeras, Anm.) verloren haben. Zu hören, dass er mit meinem Spiel sehr zufrieden war, ist das höchste Lob, das es momentan im österreichischen Eishockey gibt.

LAOLA1: Du konntest letzte Saison nur 20 Spiele absolvieren, musstest auch viel zwischen Teams springen. Wie schätzt du deine eigene Entwicklung in dieser Zeit ein?

Nickl: Es war irrsinnig schwer, aber ich glaube, dass wenige Spieler auf der ganzen Welt durchgehend gespielt haben. Wenige Ligen haben alle Spiele durchgebracht. Ich habe probiert, die Zeit zu nutzen, um an anderen Sachen zu arbeiten, an denen ich während des normalen Spielbetriebs nicht arbeiten hätte können. Darum habe ich mich auf individueller Ebene noch mehr weiterentwickelt, als ich es sonst gekonnt hätte. Natürlich war es an einigen Tagen sehr schwierig, das Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Aber man muss das große Bild sehen, aufstehen und arbeiten gehen. Am Ende hat es mir geholfen, weil ich in dieser Saison bereiter bin, als in jeder zuvor. Auch, wenn es eine sehr schwere Saison für mich war, war es eine sehr wichtige für mich.

LAOLA1: Wo siehst du selbst deine Stärken und Schwächen?

 

(Text wird unterhalb fortgesetzt)

Nickl: Ich glaube, dass ich ein sehr physisches Spiel habe, das ist sicher eine meiner Stärken. Jetzt in Schweden bin ich vielleicht manchmal ein bisschen zu aggressiv und musste ein wenig zurückschrauben. Mein Schuss ist auch eines der größten Skill-Assets in meinem Spiel. Dazu mein erster schneller Pass in der Verteidigungszone, und dass ich schnell in den Rush springen und Offensive kreieren kann.

LAOLA1: Eigentlich stehst du wie Marco Kasper bei Rögle in der SHL unter Vertrag, bist aber in die zweite Leistungsstufe, die Allsvenskan, zu AIK Stockholm verliehen. Kannst du dich damit zufriedengeben?

Nickl: Das ist ein Teil des Prozesses. Im Moment bin ich sehr zufrieden in der Allsvenskan, weil ich bei AIK sehr viel spiele. Ich kann so die Spielpraxis aufholen, die mir letztes Jahr gefehlt hat - auch mit extrem guten Spielern, die schon lange in dieser Liga sind. Bei Rögle kann ich mich immer melden, wenn ich etwas brauche. Ich mache aber das, was mir gesagt wird. Ich gehe jeden Tag mit dem Mindset in die Halle, bei AIK zu spielen, hier meine Rolle anzunehmen und sie bei diesem Team auszufüllen.

LAOLA1: Du bist einer von wenigen Legionären im Team. Wie wirkt sich das aus?

Nickl: Das Problem ist, dass in der Kabine nur schwedisch gesprochen wird. Durch mein zweites Jahr hier fange ich jetzt an, ein bisschen davon zu verstehen. Aber vom Sprechen bin ich noch weit entfernt. Es läuft so, dass du auf jemanden zugehst und auf Englisch fragst, worum es geht und was der Trainer will. Jeder Schwede spricht perfektes Englisch, weil im Fernsehen englische Filme schon immer mit schwedischen Untertiteln und Originalton liefen. Am Anfang kostet es Überwindung, auf jemanden zuzugehen. Aber dafür ist man im Ausland: Um neue Dinge zu probieren und aus der Komfortzone herauszukommen. Ansonsten haben wir ein super Teamgefüge, der Trainer macht das gut. Mir fiele es nicht auf, dass er die Schweden bevorzugen würde.

LAOLA1: Wo siehst du im täglichen Betrieb eines Eishockey-Spielers den größten Unterschied zu Österreich?

Nickl: Was besonders ist: Es gibt extrem vieles "freies Eis". Nach einem Training von eineinhalb Stunden ist das Eis immer noch eine dreiviertel Stunde frei verfügbar. 90 Prozent der Mannschaft bleiben am Eis, bis sie erst vom Eismeister heruntergejagt werden. Da sieht man, dass der Kampfgeist und die ganze Kultur des schwedischen Eishockeys anders aufgebaut ist als bei uns, die Mentalität eine ganz andere ist.

LAOLA1: Und wenn du deine "Kindesschritte" mit jenen deiner schwedischen Kollegen vergleichst: Wo ist der größte Aufholbedarf in Österreich?

Nickl: Die Schweden profitieren von der vielen Eiszeit. Auch mit der Schule ist es gut geregelt, dass die Kinder in der Früh eine Stunde am Eis sein können. Außerdem teilen die Trainer die Stürmer und Verteidiger früh auf. Das Training ist daher wirklich auf deine Position ausgelegt. Dazu trainieren alle ein Monat defensive Arbeit, dann einen Monat Mittelzone, dann einen Monat Angriffsdrittel. Es ist wirklich alles darauf ausgelegt, jeden Spieler individuell zu beobachten und besser zu machen. In Österreich hatte ich in meiner Nachwuchszeit nur einmal die Chance, in der Früh auf das Eis zu gehen, statt in der Schule zu sitzen. Das war für mich und meine Kollegen wirklich Spitzenklasse, in Schweden ist das etwas ganz normales!

"Es hat extrem viel mit der Einstellung zu tun. Nicht nur in Österreich, auch in Schweden: Jene, die Erfolg haben, zeigen extrem großen Kampfgeist und geben jeden Tag alles. In Österreich ist das Mindset, Profi zu werden, noch ein bisschen weit weg."

LAOLA1: Du hast in der kanadischen QMJHL bei den Drummondville Voltigeurs eine starke Saison 2019/20 gespielt (10 Tore, 29 Assists in 58 Spielen, Anm.), die dich erst so richtig auf das Draft-Radar gebracht hat. Dass du dort nicht weitermachen konntest, hatte Corona-Gründe, du durftest nicht einreisen. Wie "bitter" ist das in der Nachbetrachtung?

Nickl: Natürlich wollte ich unbedingt nach Kanada zurück, ich habe im ersten Jahr irrsinnig viele Freunde gefunden und mir hat das Spiel dort so gut gefallen. Meine Gastfamilie war irrsinnig nett, ich habe immer noch Kontakt mit ihnen. Umso härter war es, nicht rüberzukönnen. Leider wurde es ein Zittern über das ganze Jahr, weil ich von November weg bis Jänner, Anfang Februar noch gedacht habe, dass ich doch noch nach kanada kommen werde. Deswegen war es umso schwieriger, als es endgültig hieß, dass es nicht mehr zustande kommt. Jetzt ist die kanadische Reise einmal vorüber. Aber ich habe mich gefreut, Schweden als neues Kapitel anzusehen und war mehr als happy zu hören, noch ein Jahr bleiben zu können, eine neue Mannschaft und neue Freunde hier kennenzulernen. Ich glaube, dass es mir irrsinnig hilft. Ich hatte das kanadische Eishockey schon in meinem Blut, das schwedische lerne ich jetzt auch immer besser. Und das hilft mir, am Ende des Tages ein besserer Eishockey-Spieler zu werden.

LAOLA1: Wie unterscheiden sich Kanada und Schweden?

Nickl: Das Eishockey war in Kanada durch die kleinere Fläche einfach schneller und körperbetonter. In Schweden ist alles auf die Einzelfähigkeiten ausgerichtet. In Kanada war das Motto: Ich gebe dir den Puck und fahre nach. In Schweden ist es: Gib mir den Puck, ich regle das und zeige dir, was ich kann. Auch in der NHL zeigt sich, dass schwedische Spieler extrem viel probieren. Das wird ihnen im Training auch gesagt. Wenn ein Fehler gemacht wird, sagen die Trainer nicht: Hör auf damit, dumpe ihn einfach rein und komm nach. Sondern: Probier es das nächste Mal wieder, bis es funktioniert.

LAOLA1: Andere österreichische NHL-Kandidaten haben es früher als du im Ausland probiert. Wo bräuchte es mehr Förderung als Österreicher, der lange "daheim" bleibt, um doch in den Dunstkreis zu kommen?

Nickl: Es hat extrem viel mit der Einstellung zu tun. Nicht nur in Österreich, auch in Schweden: Die, die Erfolg haben, haben extrem großen Kampfgeist, geben jeden Tag alles. In Österreich ist das Mindset, Profi zu werden, noch ein bisschen weit weg. Die Kinder, die aufwachsen, wollen Profi werden, aber so wirklich daran glauben tun nicht viele. Dann ist es schwierig. Es ist in den letzten Jahre besser geworden. In der ICE nehmen immer mehr junge Spieler wichtige Rollen an. Ich glaube, dass Österreich schon Schritte in die richtige Richtung macht.

LAOLA1: Die Anaheim Ducks haben auch zwei Jahre mehr Zeit, dich zu beobachten, ehe sie die Rechte an dir verlieren. Ist das negativ oder denkst du, es ist als Mittelrunden-Draftpick sogar ein Vorteil, weil du jetzt eine Leistungsexplosion hinlegen und dich besonders interessant machen kannst?

Nickl: Ich sehe es positiv. Natürlich – es ist aktuell ein gewisses Warten auf die Klarheit, ob es einen Vertrag geben wird. Aber da ich das letzte Jahr fast verloren habe, um zu zeigen, was ich kann, finde ich es gut, zwei Jahre dafür dazubekommen zu haben. Ich bin im ständigen Kontakt mit dem Staff von Anaheim. Deswegen brauche ich mir dieses Jahr nicht so viel Druck zu machen, kann schauen, mich so zu entwickeln, wie das die Ducks gern hätten.

LAOLA1: Wie läuft die Kommunikation ab? Wie viel Anaheim "steckt" momentan in deiner Karriere?

Nickl: Vor allem, bevor ich den Vertrag in Schweden unterschrieben habe, gab es viel Kommunikation zwischen meinem Übersee-Agenten und Anaheim, ob es eine gute Idee und der richtige Weg ist. Da war schon viel Gesprächsstoff. Momentan spricht der nordamerikanische Scout fast jede Woche mit Anaheim. Vielleicht ist es nicht so viel Kommunikation, wie mit einem Top-10-Draftpick passieren würde. Aber sie schauen fast alle Spiele von mir und geben in gewissen Zeitabständen Feedbacks. Dadurch weiß ich immer, woran ich mehr arbeiten sollte.

LAOLA1: Woran willst du in nächster Zeit arbeiten?

"Ich probiere, nicht zuviel in die Zukunft zu schauen. Sonst fange ich an, zu viel zu denken. Es ist für jeden wichtig, nicht zu weit in die Zukunft zu schauen, weil man auf die Schnelle eh nichts ausrichten kann, um in der Zukunft etwas besser zu machen."

Nickl: Auf jeden Fall, in meinen Rhythmus wieder reinzufallen und Spielpraxis zu bekommen. Das Wichtigste im Moment ist, die Konstanz aufrechtzuerhalten. Natürlich ist das auch Tagesverfassung, aber ebenso eine Frage des Fokus. Jeden Tag zu kämpfen. Natürlich kann der Puck nicht immer so springen, wie man das will, aber wenn man hart arbeitet und kämpft, ist das trotzdem schon die halbe Miete.

LAOLA1: Die Defensive war in den letzten Jahren nicht das österreichische Prunkstück. Warum bist du überhaupt Verteidiger geworden?

Nickl: Ich war in der U13, habe in die U14 raufgespielt. Dann hatten wir aber zu viele Stürmer. Ich wurde im U14-Team zum Verteidiger gemacht - das hat mir zu diesem Zeitpunkt nicht gut gefallen, aber ich habe es eben gespielt. Der ehemalige U13-Trainer, hat das beobachtet und meinte: Thimo, du spielst jetzt auch bei uns Verteidiger. Ich habe die Eishockey-Karriere schon an meinen Augen vorbeifahren sehen: "Super, jetzt bin ich Verteidiger, es ist eh vorbei". Aber es hat gut gepasst und ich habe mich da weiterentwickelt.

LAOLA1: Denkst du, dass du als Stürmer auch so weit gekommen wärst?

Nickl: So, wie ich mich heute sehe, weiß ich nicht, ob das mit der Profi-Karriere als Stürmer was geworden wäre.

LAOLA1: Als hoffnungsvollster Verteidiger des Landes sind schon Erwartungen in dich gesetzt. Was kann deine Rolle im Nationalteam sein?

Nickl: Es ist die größte Ehre, die man als Eishockey-Spieler haben kann, für sein Land zu spielen. Ich sehe das nicht als Druck, ich fahre mit Freunden nach Slowenien, lerne wieder ein paar neue Spieler kennen, wir werden am Eis zusammen Spaß haben, kämpfen und schauen, drei gute Spiele hinzulegen. Schon im Nachwuchs war jedes Turnier eine neue Erfahrung. Man kann immer neue Sachen mitnehmen. Obwohl das Team sehr jung ist, sind trotzdem viele Spieler im Aufgebot, die jetzt schon mehrere Jahre in der ICE gespielt haben, und von denen ich als Neuling etwas mitnehmen kann.

LAOLA1: Mit der U20 warst du sehr erfolgreich, der Umstieg in das Erwachsenen-Eishockey ist manchmal ein grober. Wie hast du diesen wahrgenommen?

Nickl: Dadurch, dass praktisch ein Jahr Pause zwischen meinen U20-Spielen und meinen ersten Partien im A-Nationalteam war, konnte ich schon eine Weile mit Profis in Rögle trainieren. Der Sprung war für mich nicht so schwierig.

LAOLA1: Hast du einen ungefähren Zukunftsplan?

Nickl: Ich probiere, nicht zuviel in die Zukunft zu schauen. Sonst fange ich an, zu viel zu denken. Es ist für jeden wichtig, nicht zu weit in die Zukunft zu schauen, weil man auf die Schnelle eh nichts ausrichten kann, um in der Zukunft etwas besser zu machen.

Vier-Nationen-Turnier in Jesenice im LIVE-Stream:

11. November (15:30 Uhr): Österreich - Weißrussland

12. November (15:30 Uhr): Österreich - Slowenien

13. November (15:30 Uhr): Österreich - Frankreich

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