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Die One-Man-Show bei den Graz99ers

Präsident Herbert Jerich hat Head Coach Harry Lange auf eigene Faust vor die Tür gesetzt und damit Sportdirektor Philipp Pinter offen untergraben. Der Alleingang wirft ein grelles Licht auf die Strukturen in Graz.

Die One-Man-Show bei den Graz99ers Foto: © GEPA

Noch im August präsentierten sich die Graz99ers bei der Saisonstart-Pressekonferenz als geschlossene Einheit. Vom vielbeschworenen Zusammenhalt ist nichts mehr übrig.

Präsident Herbert Jerich hat Head Coach Harry Lange am Samstag auf eigene Faust vor die Tür gesetzt. "Es ist zu 100 Prozent meine persönliche Entscheidung, für die ich daher auch hundertprozentig die Verantwortung übernehme", sagt der Gönner.

Er hatte Lange um fünf Uhr in der Früh per Textnachricht mitgeteilt, dass er nicht mehr länger Trainer der Grazer sein werde. Am Vormittag folgte ein persönliches Gespräch und die endgültige Entlassung, die den Klagenfurter am falschen Fuß erwischt hat.

Ein Präsident im Alleingang

In elf von zwölf Spielen eroberten die 99ers Punkte, doch die 2:3-Niederlage nach Overtime am Freitag in Linz riss bei Jerich ein Trauma auf.

Die Erinnerung an die letzte Saison, in der Verlängerung gegen die Black Wings Linz zu verlieren, sei ausschlaggebend gewesen. "Das hat mir gereicht", stellt der Präsident gegenüber der "Kleinen Zeitung" klar und zog seine Konsequenzen.

Er ergänzt: "Du kannst nicht gegen den Letzten verlieren. Linz hat sich nicht verstärkt. Ich habe einen super Goalie, zwei super Center und einen tollen Flügel geholt."

Seine Worte wirken egozentrisch, schließlich hätte er aus seiner Sicht alles für den Erfolg getan, und noch mehr. "Ich bin all-in", betonte Jerich, der das Budget zur neuen Saison nochmal angehoben hat, zuletzt in einem Interview.

Die Effizienz als Langes einziges Manko

Dass Lange diesem Anspruch nicht mehr genügte, lässt sich sportlich nur schwer argumentieren. Graz liegt nach einem Viertel des Grunddurchgangs nur vier Zähler hinter der Tabellenspitze, besitzt das stärkste Penalty-Killing und das viertbeste Powerplay.

"Es tut sich keiner leicht, aber das Team findet sich. Wir sind zwar noch nicht in einen Lauf gekommen, aber es schmerzt, denn ich weiß, dass die Mannschaft die Ziele erreichen kann. Schade, dass ich da nicht dabei sein kann."

Ex-Coach Harry Lange

Dazu geben die 99ers im Schnitt die meisten Torschüsse pro Spiel ab, einzig die Effizienz war bislang ein Manko. Das lag weniger am Trainer als an der Chancenverwertung seiner Spieler, die nun ebenfalls in der Pflicht stehen.

Lange meint dazu: "Es tut sich keiner leicht, aber das Team findet sich. Wir sind zwar noch nicht in einen Lauf gekommen, aber es schmerzt, denn ich weiß, dass die Mannschaft die Ziele erreichen kann. Schade, dass ich da nicht dabei sein kann."

Pinter wurde untergraben

Sportdirektor Philipp Pinter, für solche Belange eigentlich hauptverantwortlich, wurde von der Entscheidung des Präsidenten ebenfalls überrumpelt. "Es ist überraschend, dass es zu diesem Zeitpunkt schon passiert", sagt er der "Kleinen Zeitung".

Der Villacher hatte offensichtlich nichts mitzureden und wurde in seiner Rolle offen untergraben. Das schadet nicht nur seiner Autorität, sondern auch seinem Standing innerhalb des Teams.

Warum sollten die Spieler auf jemanden hören, der bei solch grundlegenden Entscheidungen keinerlei Mitspracherecht hat? Trotzdem soll er das Team nun interimistisch betreuen, bis Jerich einen "echten Kapazunder" aus dem Hut gezaubert hat.

Eine Meisterschaft kann nicht erkauft werden

Der neue Mann, wohl handverlesen vom Präsidenten höchstpersönlich, soll der Mannschaft die "Wadln viererichten" und sie auf Kurs bringen. Das Saisonziel ist längst nicht nur die Qualifikation für die Champions Hockey League, Jerich hat den Meistertitel im Visier.

Dabei vergisst er jedoch auf grundlegende Tugenden. Nicht alles kann mit Geld gekauft werden, schon gar nicht erst eine Meisterschaft. Dafür braucht es neben den richtigen Charakteren im Team allen voran Ruhe, damit dieses zusammenwachsen und gemeinsam reifen kann.

Auch Erfahrungen wie die Niederlagen gegen Linz und Innsbruck können schon mal Gold wert sein und eine Mannschaft langfristig auf den richtigen Weg führen.

Aber wer braucht schon Ruhe und Gold? In Graz reicht offenbar ein pralles Budget - und ein Präsident, der glaubt, es allein richten zu können.

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