Es wird ernst für das österreichische Davis Cup Team.
Am 12./13. September geht es für Österreichs Herren-Nationalmannschaft in Debrecen in der zweiten Qualifikationsrunde gegen Ungarn um ein Ticket für die Davis Cup Final 8 (18. bis 23. November in Bologna), wo lediglich die besten acht Nationen der Welt aufschlagen.
Seit Montagabend bereiten sich Filip Misolic, Jurij Rodionov, Lukas Neumayer und die Doppelasse Lucas Miedler und Alexander Erler vor Ort vor – unter der Leitung von Jürgen Melzer.
Der ÖTV-Sportdirektor und -Davis-Cup-Kapitän erklärt, warum ein Sieg im Nachbarland für ihn heuer einem der größten Erfolge für Österreich im Davis Cup gleichkäme und er keine Angst vor einem Hexenkessel in der Fönix Arena hat.
Frage: Jürgen, ihr habt nun schon einige Trainings in der Fönix Arena absolviert. Wie sehen die ersten Eindrücke von der Anlage aus?
Jürgen Melzer: Gut! Es ist ein unglaubliches Stadion – eine wirklich schöne Arena, die alle Stücke spielt. Sollte sie voll werden (fast 6000 Plätze sind vorhanden; Anmerkung), wird das von der Atmosphäre her unglaublich.
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Frage: Wie nahe sitzen denn die Zuschauer:innen am Geschehen dran? Ist dort ein richtiger Hexenkessel zu erwarten?
Melzer: In den untersten Reihen sitzt man nur ca. vier Meter vom Platz weg. Das ist schon sehr cool. Und wenn es ein richtiger Hexenkessel werden sollte, muss man das positiv sehen und einfach diese Atmosphäre aufnehmen. Natürlich wird diese nicht für uns sein, aber ich denke, jeder aus unserem Team ist erfahren genug, um damit umzugehen. Und es ist immer besser vor so vielen Leuten zu spielen als vor zwölf Mann.
Frage: Wie gut kommen unsere Spieler mit dem Belag bisher zurecht?
Melzer: Der Platz ist schon auf der zügigeren Seite, mit einem relativ flachen Absprung. Aber bis jetzt sind alle Trainings echt ordentlich gewesen. Alle haben sich wirklich von der ersten Einheit an wohlgefühlt, hatten keine Timing- oder sonstige Probleme. Es passt alles gut.
Nichtsdestotrotz wird sich Ungarn diese Spielbedingungen aus guten Gründen selbst so ausgesucht haben.
Frage: Wie groß ist ihr Vorteil unter diesen Bedingungen?
Melzer: Natürlich kommen sie den Ungarn trotzdem entgegen. Das sind einfach Spieler, die sich bei flachem Ballabsprung sehr wohlfühlen – vor allem Márton Fucsovics, wie man schon bei Rasenturnieren oder zuletzt seinem Turniersieg in Winston-Salem gesehen hat. Und auch Fábián Marozsán mit seiner aggressiven Spielwiese liegen diese Bedingungen.
Frage: Wie ist die Stimmung im ÖTV-Team? Wie vertreibt ihr euch abseits des Platzes die Zeit?
Melzer: Es herrscht eine wirklich gute Stimmung im Team. Ich glaube, dass sich jeder schon auf dieses Wochenende freut. Am Montagabend haben wir ein paar Billardmatches gespielt, aber ansonsten ist der Tag schon ganz gut durchgetaktet und wird über weite Strecken in der Halle verbracht. Es ist jetzt nicht großartig die Möglichkeit zu Ausflügen da, aber wir sitzen am Abend dann meist gemütlich beisammen und machen im Hotel noch was, zum Beispiel Dartsspielen oder eben Billard.
Frage: In der Einzelweltrangliste haben Filip Misolic und Jurij Rodionov derzeit teamintern die Nase vorn. Steht hiermit schon fest, wer die Singles bestreiten wird?
Melzer: Ich habe es noch nicht entschieden. Ich schaue mal, wie sich alle hier wohlfühlen – und die Zwei, die den besten Eindruck machen, werden dann auch spielen.
Frage: Filip war kürzlich nach seiner USA-Reise auf Mallorca erkrankt. Muss man sich denn um ihn noch Sorgen machen?
Melzer: Nein, es ist alles wieder gut. Er war zwei, drei Tage außer Gefecht, danach hat er schon wieder ordentlich trainiert. Er ist voll fit, trainiert auch gut, mit einer super Intensität.
Frage: Keine Sorgen musst du dir wohl auch um die Form von Jurij machen. Er hat zuletzt auf Challenger-Ebene wieder sehr starke Leistungen geboten.
Melzer: Ja, absolut. Jurij hat sich in den letzten Wochen erfreulicherweise in Superform gezeigt. Aber auch „Neumi“ (Lukas Neumayer; Anmerkung) hat sich hier bis jetzt gut präsentiert.
Frage: Welche Aufschlüsse hat das Training bei den Ungarn gebracht?
Melzer: Es waren keine großen Überraschungen dabei. Fábián Marozsán und Márton Fucsovics kenne ich ohnehin. Máté Valkusz, der vor ca. zwei Jahren um ATP-Rang 200 gestanden ist, hat als fünfter Mann mittrainiert, das war die einzige Neuigkeit. Aber alles andere als Marozsán und Fucsovics im Einzel würde sehr überraschen und könnte höchstens Verletzungen oder Erkrankungen geschuldet sein. Beide sind wieder unter den Top 60 der Welt, die Favoritenrolle ist also sicherlich vergeben.
Frage: Österreich könnte mit einem Sieg in Ungarn zum fünften Mal in der Open Era unter die besten acht Nationen der Welt einziehen, zuletzt war das 2012 unter anderen mit dir gelungen. Wenn man bedenkt, dass es 2025 bis in den Juli keinen rot-weiß-roten ATP-Top-100-Spieler gab: Wäre es heuer die historisch größte Leistung, das zu schaffen?
Melzer: Es wäre auf jeden Fall einer unserer größten Erfolge im Davis Cup. Man kann das jetzige Team sicher nicht mit jenem im Jahr 2012 oder aus Thomas-Muster-Zeiten vergleichen. Damals hatten wir immer Spieler in den oder um die Top 20. Heuer haben wir ohne Top-100-Spieler gegen Finnland gewonnen, welches 2023 das Halbfinale und auch 2024 das Finalturnier erreicht hatte. Jetzt haben wir mit Filip einen Spieler knapp in den Top 100, also es wäre schon eine tolle Leistung. Aber das alles zeigt: Wenn alle zusammenhalten, die Chemie im Team stimmt, alle sich wirklich auf das Wochenende freuen und letztlich ihre Leistung bringen, dann kann man auch vermeintlich bessere Teams schlagen.
Frage: Fairerweise muss man zugeben, dass es auf der „Road to Bologna“ auch ungünstigere Lose gegeben hätte.
Melzer: Sicher. Das können wir nicht abstreiten. Wir hatten mit Finnland und haben mit Ungarn Gegner, die ein bisschen über uns zu stellen oder in Reichweite sind. Das sind Matches, die man gewinnen muss, wenn man zum Finalturnier will. Und jetzt muss man sehen, ob uns auch in Ungarn eine Überraschung gelingt. Das würde uns alle wahnsinnig freuen.
Frage: Sehr gefreut haben dich sicher auch die letztwöchigen Resultate der Österreicher:innen.
Melzer: Ja, das sind exakt die Tenniswochen, die einen Sportdirektor natürlich begeistern. Wenn ein Joel Schwärzler beim Tulln-Challenger ins Halbfinale kommt, den Doppeltitel mit Neil Oberleitner gewinnt, Sandro Kopp ins Viertelfinale kommt, Jurij Rodionov auf Hardcourt ein Halbfinale erreicht und im Doppel mit David Pichler gewinnt, wir mit Sinja Kraus, Lilli Tagger und Anna Pircher drei Damen im Semifinale eines ITF-Events in Österreich haben. Zum Drüberstreuen hat Sinja das Turnier gewonnen, Maxi Taucher bei den US Open gar das Double in den Rollstuhltennis-Juniorenbewerben gefeiert. Was will man da noch viel mehr? Eine perfekte Woche, muss man fast sagen. Da kann man nur zufrieden sein.