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Melzer: "Situation könnte für Thiem ganz angenehm sein"

Davis-Cup-Kapitän Jürgen Melzer sieht Österreich im Davis-Cup-Länderkampf in Kroatien im LAOLA1-Interview in der Außenseiterrolle.

Melzer: Foto: © GEPA

Am kommenden Wochenende geht es für Tennis-Österreich um einen sporthistorischen Erfolg: Erstmals überhaupt könnte die ÖTV-Truppe die Qualifikation für das Finalturnier im Davis Cup schaffen.

Die Aufgabe ist allerdings keine einfache: Das Team von Kapitän Jürgen Melzer bekommt es mit Kroatien zu tun - der aktuellen Nummer 1 der Davis-Cup-Weltrangliste!

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"Wir sind Außenseiter", stellt Melzer, der seit dem letzten Jahr als Captain agiert, vor seinem dritten Länderkampf in dieser Funktion klar. Daran ändert auch der Ausfall der kroatischen Nummer eins, Marin Cilic, der sich einer Knie-Operation unterziehen musste, nichts.

Warum die Österreicher trotzdem zuversichtlich sein dürfen, worauf es in der Halle von Rijeka ankommen wird und was Melzer über die Zukunft des Bewerbs denkt, könnt ihr im LAOLA1-Interview (auch als Video >>>) lesen.

LAOLA1: Wie zufrieden bist du mit dem Los Kroatien und dem Spielort in Rijeka?

Jürgen Melzer: Kroatien ist sicher ein absolutes Hammerlos. Sie sind die Nummer 1 der Weltrangliste und haben in den letzten Jahren immer wieder bewiesen, dass sie ein starkes Team sind und auch in deutlich schwächerer Besetzung viel gewonnen haben, weil sie auch über ein starkes Doppel verfügen. Da sind wir schon krasser Außenseiter dort. Wenn wir mit dem stärksten Team anreisen, dann haben wir aber auf jeden Fall eine Chance - wenn auch nur eine Außenseiter-Chance.

LAOLA1: Kennst du die Halle in Rijeka?

Melzer: Nein, das ist völliges Neuland für mich. Ich war zwar schon mal in Rijeka, war aber noch nie in der Halle. Ich habe mit den Kroaten gesprochen und sie schätzen, dass etwa so 2.500 zuschauer kommen werden. In Kroatien ist bei Sportveranstaltungen immer eine gute Stimmung. Die Zuschauer unterstützen dort immer stark ihr eigenes Team. Auf diese Stimmung freue ich mich aber auch schon. Das ist das, was den Davis Cup ausmacht. Auch wenn die Leute nicht auf unserer Seite stehen werden. Nichtsdestotrotz gibt es dort eine gute Stimmung und das hilft auch den Spielern.

LAOLA1: Erstmals seit seiner Verletzung ist auch Dominic Thiem wieder im Davis Cup mit dabei. Wie beurteilst du seine aktuelle Form? Du hast in Australien ja auch seine Partie gegen Andrey Rublev gesehen.

Melzer: Mit Rublev hat Domi in Australien leider ein sehr schwieriges Los erwischt. Gegen den hatte er schon vor der Verletzung keine positive Bilanz. Das Spiel war bis zu seiner Verletzung relativ offen. Im ersten Satz war er voll dabei. Wenn du jeden Ball voll spielen musst und keine freien Punkte dabei hast, ist es natürlich relativ schwierig. Ich glaube aber, dass er okay in Form ist. Was ihm natürlich fehlt, sind die Match-Siege. Ich hoffe, dass er sich die beim Davis Cup holt.

Hier könnt ihr euch das Interview mit Jürgen Melzer auf Video ansehen:

Ich bin davon überzeugt, dass er sehr motiviert ist für den Länderkampf und sich sehr darauf freut. Das hat er mir von Anfang an signalisiert. Ich glaube auch, dass er auf die Herausforderung heiß ist.

Melzer über Dominic Thiem

LAOLA1: Wie schätzt du seinen aktuellen Gemützustand ein?

Melzer: Ich bin davon überzeugt, dass er sehr motiviert ist für den Länderkampf und sich sehr darauf freut. Das hat er mir von Anfang an signalisiert. Ich glaube auch, dass er auf die Herausforderung heiß ist. Wir treten dort wie gesagt als Außenseiter an. Das ist eine Situation, die für ihn vielleicht sogar einmal ganz angenehm ist in der jetzigen Situation. Ich glaube, dass er einen guten Länderkampf spielen wird und uns gut weiterhelfen kann.

LAOLA1: Bedeutend besser verlief der Saisonstart für Dennis Novak, der gleich in der ersten Woche einen Challenger-Titel gewinnen konnte und ein Challenger-Halbfinale nachlegte. Ist er der Favorit auf den zweiten Startplatz im Einzel?

Melzer: Dennis hat einen super Saisonstart und eine sehr gute Saisonvorbereitung hingelegt. Man hat gesehen, dass er deutlich an Gewicht verloren hat und sehr austrainiert wirkt. Zudem ist er mit dem nötigen Selbstvertrauen ausgestattet. Ob er jetzt Favorit auf den zweiten Startplatz ist? In diese Karten lasse ich mir noch nicht schauen. Wir werden erst vor Ort entscheiden, wer spielen wird. Es schadet aber nicht, wenn jemand mit einer 8:1-Bilanz zum Davis Cup kommt.

LAOLA1: Nicht so gut lief der Saisonstart für Jurij Rodionov, der sich dafür in den Monaten davor trotzdem in eine gute Ausgangsposition gebracht hat, um in Bälde erstmals in die Top 100 der Weltrangliste einziehen zu können. Wie beurteilst du seine aktuelle Form?

Melzer: Der Saisonstart war nicht prickelnd. Jeweils das Auftaktmatch gewonnen und dann wieder verloren. Wenn sich Jurij wohl fühlt und die Bedingungen liegen ihm, dann ist er einfach extrem gefährlich. Es freut mich, dass er an den Top 100 dran ist - dort gehört er auch hin. Wenn er es schafft, konstant seine Leistungen zu bringen, sollten nicht nur die ersten 100 drin sein, sondern vielleicht sogar ein bisschen mehr.

LAOLA1: Filip Misolic hat es knapp nicht in den Kader geschafft. Für ihn wäre es aufgrund seiner kroatischen Wurzeln wohl ein ganz besonderer Länderkampf geworden. Wird er vielleicht als Sparringpartner vorbeischauen bzw. mitkommen?

Melzer: Wir haben das überlegt, wenn man nur einen Trainingsplatz hat, ist das aber sehr, sehr schwierig. Er wird also nicht mitkommen. Für ihn wäre es sicher ein spezielles Duell geworden, ich kann aber leider nur drei Einzel-Spieler mitnehmen und diese drei haben nicht nur den besseren Saisonstart hingelegt, sie fühlen sich auch auf Hardcourt wohler. Deshalb fiel die Entscheidung auch auf diese drei. 

LAOLA1: Mit Alexander Erler und Lucas Miedler verfügt Österreich über ein sehr gut eingespieltes Doppel, das sich vor allem im letzten Jahr mit dem Sieg bei den Erste Bank Open in der Wiener Stadthalle in Szene setzen konnte. Was erwartest du dir von den beiden in Kroatien?

Melzer: Die beiden haben wahrscheinlich die schwierigste Aufgabe von allen. Sie müssen mit Mektic/Pavic gegen eines der besten Doppel-Duos auf der Welt ran. In Auckland haben sie zu Saisonstart schon gegen die beiden spielen dürfen und dabei nur knapp verloren. Auch in der ersten Australian Open-Runde haben sie wirklich ordentlich gespielt und in der ersten Runde mit Edmund/Bopanna ein starkes Team geschlagen. Die beiden kommen mit Selbstvertrauen. Mektic/Pavic sind zwar zu favorisieren, trotzdem ist da alles drin für die beiden. Erler/Miedler müssen sich nicht verstecken. Den beiden taugt der Davis Cup auch. Bei den letzten Malen waren sie dabei und da hat man gemerkt, dass sie für diesen Bewerb so richtig brennen und über sich hinauswachsen können. In diesem Match sind wir zwar die größten Außenseiter, trotzdem glaube ich, dass die beiden für eine Überraschung sorgen können.

LAOLA1: Du bist selbst zweifacher Grand-Slam-Sieger im Doppel. Was zeichnet die beiden als Doppel-Duo aus?

Melzer: Die beiden ergänzen sich super. Beide sind super Tennis-Spieler, die auch sehr gut Einzel spielen. Das hilft schon mal viel. Die beiden haben sich einfach gut eingespielt. Luci ist vielleicht ein bisschen stärker am Netz, Alex serviert dafür etwas besser. Es passt einfach gut zusammen und sie verstehen sich auch abseits des Platzes gut. Sie sind mittlerweile richtig gut eingespielt und ich trau denen jetzt einiges zu. Sie können die 1000er-Turniere spielen und ich sehe keinen Grund, warum sie es nicht in die Top 20 schaffen sollten.

LAOLA1: Als ÖTV-Kapitän ist es zudem wohl eine feine Sache, nicht nur zwei starke Doppel-Spieler, sondern gleich ein eingespieltes Doppel-Duo zu haben, oder?

Melzer: Absolut. Das war in der Vergangenheit nicht immer so, obwohl wir starke Doppel-Spieler hatten. Da hilft es natürlich ein eingespieltes Team zu haben, denn die stellen sich, wenn sie gut drauf sind, dann quasi von alleine auf. Außerdem ist es praktisch, wenn sie sich in der Davis-Cup-Woche nicht mehr zusammenfinden, sondern nur mehr an ein paar Kleinigkeiten feilen müssen.

LAOLA1: Das letzte Davis-Cup-Duell gegen Kroatien liegt 17 Jahre zurück. Du wirst an Graz 2006 wahrscheinlich nicht die besten Erinnerungen haben, oder?

Melzer: Stimmt, das war ein eher bitteres Wochenende. Obwohl ich damals echt gut Tennis gespielt habe. Ich bin an den ersten beiden Tagen über neun Stunden am Platz gestanden und habe leider beide Male eine 2:0-Satz-Führung verspielt. Einmal im Einzel, einmal im Doppel - das tut schon weh. Die Stimmung war unglaublich, aber das war damals natürlich extrem bitter für mich. 

LAOLA1: Damals hat auch ein junger Kroate namens Marin Cilic sein Davis-Cup-Debüt gefeiert. Er hat als 17-Jähriger im letzten Einzel gegen Stefan Koubek verloren.

Melzer: An diese Partie hätte ich mich jetzt gar nicht mehr erinnert. Die muss ich wohl irgendwie ausgeblendet haben. Aber eine coole Sache, schließlich wäre er diesmal auch fast wieder dabei gewesen, wenn er sich nicht verletzt hätte. Ich kann mich noch erinnern, dass im Jahr 2001 Mario Ancic gegen Clemens Trimmel debütiert hat. Die Guten fangen also scheinbar alle gegen Österreich an.

LAOLA1: Cilic wird in Rijeka wegen seiner Knieverletzung nicht dabei sein können. Wie sehr schmerzt die Kroaten sein Ausfall?

Melzer: Die Kroaten schmerzt es natürlich sehr, als Kapitän bin ich happy, dass er nicht dabei ist, auch wenn man natürlich niemandem eine Verletzung wünscht. Er ist der Anführer des Teams, der extrem viel Erfahrung mitbringt. Dass ihn die Kroaten nicht zur Verfügung haben, ist natürlich ein kleiner Vorteil für uns.

LAOLA1: Die neue Nummer eins bei den Kroaten ist somit Borna Coric. Was gilt es gegen ihn zu beachten?

Melzer: Er war schon einmal ganz nah an den Top 10 dran. Er hat alles, was ein Tennis-Spieler braucht, er bewegt sich extrem gut. Hin und wieder hat er auf der Vorhand Probleme, wenn es schnell wird. Das werden wir versuchen auszunützen. Aber eines muss man auch sagen: Wenn man auf dem sehr zügigen Platz in Cincinnati spielen und das Turnier gewinnen kann, dann wird man auch in der Halle auf einem Hardcourt ganz gut dastehen.

LAOLA1: Die Aufgabe gegen Kroatien ist schwierig, dafür ist die Chance möglicherweise historisch. Denn so wie es scheint, könnte es heuer bereits zum letzten Mal ein großes Finalturnier im Davis Cup zu Jahresende geben, da die ITF den Vertrag mit der Veranstalterfirma Cosmos vorzeitig aufgelöst hat. Wie siehst du die Zukunft des Davis Cups?

Melzer: Ich kann mir gut vorstellen, dass es das Finalturnier heuer zum letzten Mal geben wird. Der Davis Cup ist wieder zurück in den Händen der ITF. Es gab in den letzten Jahren sicherlich einige Nationen, die mit dem Format nicht zufrieden waren. Wie es weitergehen wird, ist ganz schwierig zu sagen. Viele sprechen davon, dass der Davis Cup nur mehr alle zwei jahre stattfinden soll. So wie es vor der Formatänderung war, wurde es auf jeden Fall nicht mehr angenommen. Da gab es zu viele Matches für die Spieler. Vielleicht ist alle zwei Jahre eine Lösung. Im Jahr der Olympischen Spiele sollte er definitiv nicht gespielt werden, weil sonst der Kalender einfach zu dicht ist. Für mich als Davis-Cup-Kapitän wäre es natürlich schön, wenn wir jedes Jahr spielen könnten - aber das ist auch kein Wunschkonzert. Die ATP muss sich gemeinsam mit der ITF zusammensetzen und den Davis Cup so gut in den Kalender integrieren, dass die Top-Spieler auch wieder mit dabei sind. Denn wenn das nicht der Fall ist, macht es auch keinen Sinn.

LAOLA1: Das ist wahrscheinlich schwierig, weil der Heimvorteil in der Vergangenheit ein wichtiger Bestandteil des Davis Cups war, auf der anderen Seite bietet sich aufgrund der Kalender-Problematik natürlich ein Finalturnier an. Welche Variante favorisierst du?

Melzer: Es ist schwierig zu sagen. Durch das Finalturnier sind natürlich gleich acht Nationen involviert. Es sind also mehr Spieler, die ganz spät in die Saison reinspielen. Bei einem normalen Finale würde das nur zwei Länder betreffen. Und für ein Davis-Cup-Finale opfert wahrscheinlich jeder gerne eine Woche. Die problematischen Zeiten sind eher zu Saisonbeginn wie zum Beispiel der Termin gleich nach den Australien Open. Da müsste man eine Lösung finden. Ad hoc fällt mir da aber auch nichts ein. Wenn es so leicht wäre, hätten sie das auch schon gemacht. Es gibt eben keine perfekte Lösung. Es müssen Kompromisse eingegangen werden. Zudem wird es immer Spieler geben, die sich bevozugt auf sich selbst konzentrieren und den Davis Cup lieber auslassen. 

LAOLA1: War es trotzdem gut, dass man eine Formatänderung ausprobiert hat?

Melzer: Das war definitiv gut. Ich glaube, dass so ein Finalturnier angenommen werden kann. Es ist nur nicht so leicht, das Ganze zu vermarkten. Wenn Belgien gegen Italien in Spanien spielt, dann interessiert das leider nicht soviele Leute. Das ist das Hauptproblem. Diese Heim- und Auswärtsstimmung hat den Davis Cup immer ausgemacht.

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