Felix Gall darf vor der Schlusswoche der Vuelta noch vom Sprung auf das Podest träumen.
Der Osttiroler hat sich im Mittelteil der Spanien-Radrundfahrt bravourös im Spitzenfeld gehalten, sein Rückstand auf das Podium beträgt an der fünften Stelle weniger als eine Minute. "Ich bin sehr, sehr zufrieden mit der zweiten Woche. Das Podium wäre natürlich ein Wahnsinn, aber auch ein fünfter Platz wäre sehr gut", sagte Gall am letzten Ruhetag.
Sollte der 27-Jährige die unmittelbar vor ihm liegenden Jai Hindley und Thomas Pidcock noch abfangen und auch seine Verfolger in Schach halten können, wäre er der erst zweite Österreicher auf einem Grand-Tour-Podest.
Die Top-3 im Blick
Als bisher einziger hatte das vor 68 Jahren Adolf Christian als Dritter der Tour de France geschafft. Gall selbst stellte erst im Juli mit seinem fünften Platz bei der Tour die zweitbeste rot-weiß-rote Gesamtwertungsmarke von Max Bulla (Vuelta 1935), Peter Luttenberger (Tour 1996) und Georg Totschnig (Giro d'Italia 2003) ein.
Zwei Monate danach hält er in Spanien wieder mit den ganz Großen mit, nur Topfavorit Jonas Vingegaard und Joao Almeida sind außer Reichweite. Der viertplatzierte Ex-Giro-Sieger Jai Hindley liegt hingegen nur 20 Sekunden vor ihm, und auch auf den bei großen Rundfahrten noch nie perfekt durchgekommenen Thomas Pidcock sind es nur 52.
"Die Abstände sind nicht zu groß, aber Jai schaut sehr stark aus und Pidcock hat auch nicht wirklich Schwächen gezeigt", sagte Gall und umschrieb seine Gefühlslage so: "Es entspannt mich zu wissen, dass ich nach hinten Luft habe, nach vorne ist es auf jeden Fall ein Ansporn."
Zwei Bergankünfte und Zeitfahren als Knackpunkte
Zu Beginn der Schlusswoche am Dienstag steht gleich eine harte Etappe mit fast 3.500 Höhenmetern auf dem Programm. Danach wartet mit dem Alto de El Morredero (1.750 m) die vorletzte Bergankunft. Der finale Schlagabtausch wird am Bola del Mundo (2.250 m) am Samstag ausgetragen.
"Am Mittwoch ist eine sehr schwere Bergankunft, wo es vielleicht weniger um die Teamkollegen, sondern die Beine geht. Der Samstag ist einer der wenigen Tage, wo Pidcock Probleme haben könnte. Ansonsten wird es schon schwierig, und das Zeitfahren kommt natürlich auch noch", sagte Gall und sprach damit seine Achillesferse an.
Der 27 km lange Kampf gegen die Uhr sei eigentlich seine einzige Sorge in der letzten Woche. "Das Zeitfahren wird eine Herausforderung. Ich muss und werde das Beste daraus machen. Ich bin nicht unbedingt bekannt dafür, ein Zeitfahrer zu sein", so Gall.
Er sei aber überzeugt, dass er im Vergleich mit seinen direkten Konkurrenten nicht viel Zeit verlieren werde.
Gall will Risiko vermeiden
In den Bergen will er sich zurückhalten und kein großes Risiko eingehen. "Ich werde eher abwarten", sagte Gall. Schließlich seien Vingegaard und Almeida kaum zu knacken. "Sie sind schon einen Ticken besser als der Rest. Zu Vingegaard ist der Abstand aber ein bisschen geringer als bei der Tour, aber sie sind doch konstant ein bisschen besser."
Das liegt auch an den starken Teamkollegen des Topduos. Gall hat sich bisher mithilfe seiner Decathlon-Helfer um den 2026 zum Vingegaard-Rennstall Visma wechselnden Bruno Armirail aber gut behauptet.
Vor allem UAE mit bereits sieben Etappensiegen ist jedoch dominant. "UAE ist extrem stark, das ist beeindruckend", sagte Gall, der sich aus dem Topteam von Felix Großschartner immer wieder Tipps holt. "Man hilft sich schon aus unter Landsleuten."
Seltsame Stimmung durch Protestaktionen
Mulmig wurde Gall mehrfach bei den andauernden Protestaktionen von Pro-Palästina-Demonstranten.
"Der Radsport ist extrem beliebt im Baskenland, aber mit den Protesten hat es ein bisschen eine komische Stimmung bekommen. Die Polizei versucht alles, um die Sicherheit aufrechtzuerhalten, aber man hat manchmal ein bisschen ein komisches Gefühl", sagte Gall und bedauerte, dass die Proteste auch schon zu Stürzen geführt haben.