Leichtathletinnen müssen sich einmalig einem SRY-Gentest unterziehen, um ihr biologisches Geschlecht nachzuweisen und an Bewerben wie der WM in Tokio teilnehmen zu dürfen.
Speerwerferin Victoria Hudson machte dies wie alle anderen Österreicherinnen mittels Bluttest. Dank bereits vorhandener Kooperation von Leistungssport Austria mit einem Partner war es technisch gesehen ein einfaches Prozedere. Ethisch hat Hudson zwiespältige Gefühle, ihre DNA jetzt "mit anderen zu teilen".
"Ich habe eigentlich da überhaupt keinen Aufwand gehabt, einfach nur ein Flascherl Blut abgenommen bekommen und das war es eigentlich", erzählte die Europameisterin von 2024 der APA.
"Schon ein Eingriff"
"Aber natürlich, wenn man halt näher drüber nachdenkt, ist es schon ein Eingriff und ich muss dann meine DNA teilen mit keine Ahnung wem." Sie vertraue dem Labor völlig, aber es sei am Ende trotzdem so, dass die Daten herumgeschickt werden. "Ich weiß nicht, wie viele Menschen da dieses Dokument sehen. Man muss einfach vertrauen."
In Österreich wandten sich Gregor Högler, auch Trainer von Hudson, und Stefan Grubhofer, beides Vorstände von Leistungssport Austria, nach der Mitteilung von World Athletics über die verpflichtenden Tests an Permedio, ihrem Partner für Genetik und Epigenetik.
Dieser lieferte eine "rasche und unkomplizierte Lösung", wie es in einer Aussendung heißt. "Sogar World Athletics wollte von uns wissen, wie es uns gelungen ist, die Atteste so schnell bereitzustellen", wird ÖLV-Sportdirektorin Beate Taylor zitiert. "Es war beruhigend für mich, dass ich Permedio schon von genetischen und epigenetischen Screenings kannte", sagte Hudson.
Riesiger Aufwand für wenig Ertrag?
"Ich habe so viele andere Sachen im Kopf, mit denen ich mich auseinandersetzen muss, damit ich bei der WM eben selbstbewusst dastehen kann", erklärte Hudson weiters. Für sie sei der Gentest in der WM-Vorbereitung ein Punkt gewesen, den sie aber rasch abhaken konnte.
Ob die Notwendigkeit für die Gentests gegeben sei, kann Hudson nicht beurteilen, da habe sie zu wenig Einblick. Bei den Speerwerferinnen sieht sie keinen Grenzfall. "Man macht solche Maßnahmen für so eine geringe Anzahl an Sportlerinnen. Aber ja, wenn da jetzt einer dabei ist, dann erwischt man halt den einen. Vielleicht ist es eine Person über die ganze Leichtathletik-WM. Aber das müssen eh die wissen. Es sind halt Kosten, die aufkommen."
SRY-Gentest laut Weltverband eine von mehreren Empfehlungen
Schon bisher waren etwa Transgenderfrauen von Frauenbewerben in der Leichtathletik ausgeschlossen, wenn sie die männliche Pubertät durchlaufen haben. Außerdem mussten einige Athletinnen für die Teilnahme den Testosteronspiegel künstlich für mindestens zwei Jahre senken. Die zweifache 800-m-Olympiasiegerin Caster Semenya beispielsweise lehnte dies aber ab.
Laut World Athletics sei eine Arbeitsgruppe zu dem Schluss gekommen, dass diese Regel ohnehin nicht streng genug sei. Ein Vorabtest für das SRY-Gen mittels Wangenabstrich oder Bluttests sei daher eine von mehreren Empfehlungen gewesen. Ende Juli wurde der verpflichtende Test verlautbart, um ab 1. September bei internationalen Meetings und Meisterschaften antreten zu dürfen.
Nur noch wenig bleibt persönlich
Es gäbe nur noch weniges, das sehr persönlich bleibe, sagte Hudson. Und sprach etwa den Ablauf der Dopingkontrollen an. "Ich muss vor einer Frau, die mir auf meine Vagina schaut, in einen Becher pinkeln, seit Jahren. Und man ist halt solchen Extremsituationen ausgeliefert, die man halt als Normaler nicht hat und muss da halt einfach mitziehen", meinte sie im APA-Gespräch.
Als Sportlerin sei sie es zudem gewöhnt, jeden Tag angeben zu müssen, wo sie sei. Das Anti-Doping Administration & Management System (ADAMS), in dem sie ihre Aufenthalts-Informationen aktuell halten muss, bescherte ihr bereits einmal schlaflose Nächte.
"Ich hatte auch schon einmal einen Missed Test, weil ich in der Saisonpause keine regelmäßigen Tätigkeiten eingetragen hatte, weil ich halt keine Massagen hatte. Danach hatte ich gefühlt jeden Tag Albträume und bin aufgewacht, weil ich geglaubt habe, dass da gerade jemand geläutet hat und hat aber gar nicht. Das sind schon Sachen, mit denen man halt irgendwie klarkommen muss. Es kann belastend sein, aber gehört halt leider dazu."