NEWS

Suljovic: "Wenn du nicht gut spielst, ist die Existenz in Gefahr"

Der beste österreichische Darter spricht im Interview über seine emotionalsten Momente, ein potenzielles Karriereende und die heimische Dart-Szene.

Bis heute ist er der einzige deutschsprachige Darts-Spieler, der einen Major-Titel gewinnen konnte.

Neben dem Erfolg bei der Champions League of Darts sorgte Mensur Suljvoic in seiner Karriere für zahlreiche große Momente. Von seinem sensationellen WM-Debüt über das legendäre World-Matchplay-Finale bis hin zu zwei Endspielen beim World Cup.

Im Interview mit LAOLA1 spricht Österreichs bester Dartspieler über seine besten Momente, seine WM-Flaute, die österreichische Dart-Szene und ein (eher nicht) mögliches Karriereende.

LAOLA1: Servus Mensur, gleich zum Start: Wie läuft dein Jahr 2025 bisher?

Suljovic: Da muss ich mich nicht beschweren. Es hätte schlimmer sein können. Es läuft, das Jahr hat gut gestartet, zuletzt habe ich vielleicht ein bisschen nachgelassen. Jetzt muss ich wieder den Fokus auf die WM nehmen. Es schaut sehr gut aus, dass ich mich qualifiziere. Leider hatte ich gesundheitlich auch Probleme, ein bisschen Müdigkeit. Aber schön langsam geht's. Ich hoffe, für 2026 bin ich topfit.

LAOLA1: Im Vergleich zu den letzten Jahren ist ja schon eine Steigerung da, gerade bei der Pro Tour schneidest du gut ab.

Suljovic: Ja, auf jeden Fall. Dort bin ich gut unterwegs, aber leider muss ich mich für die European Tour (Anm., Teil der Pro Tour) qualifizieren, die ist sehr wichtig. Dadurch kannst du dich auch für die großen Turniere qualifizieren. Das fehlt noch, aber ich hoffe, nächstes Jahr.

test
Bei der WM 2024 durfte er zwar kurz jubeln, am Ende war das Turnier für Suljovic aber schon nach dem Auftakt vorbei.
Foto: ©GETTY

LAOLA1: Du bist gut dabei in Sachen WM-Qualifikation mit in etwa Platz 20 auf der Pro-Tour-Rangliste. Wie ist deine Gefühlslage vor der WM? Kommt es nur mir so vor, oder hast du heuer ein bisschen weniger Druck?

Suljovic: Ich sag' immer, ich hab weniger Druck. Aber der Druck ist immer riesengroß und leider ist es bei der WM nicht mein Pflaster, wie man sagt. Ich spiele wirklich nicht so gut, verstehe nicht wieso. Bis zur WM habe ich null Angst oder Nervosität - gar nichts. Sobald ich in London bin, beginnt aber alles von vorne. Wie ein Anfänger - leider. Ich hoffe, dieses Mal habe ich wirklich nichts zu verlieren und auch nichts zu verteidigen. Jeder spielt nur für die WM, damit er sich dafür qualifiziert. Es schaut sehr gut und es sind eh nicht mehr so viele Turniere. Und ich glaube, dass ich drinnen bleibe.

LAOLA1: Realistisch gesehen ist es so.

Suljovic: Aber es kann immer etwas passieren. Und dann eine richtige Vorbereitung. Ich hoffe, es klappt.

"Bei der ersten WM hatte ich nichts zu verlieren, ich war froh dort zu sein. Und jetzt kommt es mir auch so vor: Ich bin froh, dass ich bei der WM dabei bin."

Mensur Suljovic über Erwartungsdruck bei der WM.

LAOLA1: Kannst du dir erklären, wieso deine erste WM eine deiner besten war?

Suljovic: Das war alles neu, du hast nichts zu verlieren. Und wenn du einen großen Namen schlägst, ist das ein riesengroßer Vorteil. Die Emotionen sind hoch. Es ist jetzt aber auch keine Erwartung mehr da. Vor ein paar Jahren war ich in den Top-16. Da sind die Erwartungen riesengroß, der Druck ist größer, die Medien wollen dich im Finale sehen - aber es ist wirklich sehr, sehr schwierig dort. Das liegt immer an der Tagesverfassung, wie du drauf bist, fokussiert bist, geschlafen hast. Das alles spielt eine Rolle. Bei der ersten WM hatte ich nichts zu verlieren, ich war froh dort zu sein. Und jetzt kommt es mir auch so vor: Ich bin froh, dass ich bei der WM dabei bin. Weil was in letzter Zeit passiert ist, da muss ich wirklich froh sein.

Darts-WM: Wenn nicht in England, wo dann?

LAOLA1: Bleiben wir beim Thema WM: Die findet heuer nochmal im Ally Pally statt. Es hat immer wieder Gerüchte gegeben, die WM könnte nach Saudi-Arabien gehen. Wie stehst du zu dem Thema? Bist du's schon Leid, das zu hören?

Suljovic: Ich hoffe es nicht. Da muss ich ehrlich sein. Vielleicht woanders hin in England. Ich habe Premier League gespielt: Es gibt so viele schöne Orte, wo wir spielen. Und Saudi-Arabien: Ich habe nichts dagegen. Aber traditionell wäre es in England, vielleicht in einer größeren Halle. Weil ins Ally Pally passen ja glaube ich nur 3.000 Zuschauer. Und das ist zu wenig. Viele Freunde von mir möchten zur WM und bekommen keine Tickets. Die sind verkauft innerhalb von einem Monat und sonst bekommst du sie nur irgendwo im letzten Eck - und das will ja keiner. Besser wäre also ein größerer Spielort, aber nicht woanders hin.

LAOLA1: Wenn die WM weg aus England gehen würde, wohin sollte sie gehen?

Suljovic: Nach Deutschland. Da gibt es ein riesengroßes Potenzial. Sie haben wirklich viel getan für den Dartsport. Das muss man zugeben. Ohne Deutschland, ohne Werner Molke, Phil Taylor und auch ohne Barry Hearn - das ist der wichtigste Mann - wäre Dart heute nicht so groß. Aber gerade Werner hat wirklich viel getan für den deutschen und österreichischen Dartsport, eigentlich für den gesamt-europäischen. Deutschland wäre ein gutes Pflaster für die WM.

LAOLA1: Um noch einmal auf die WM zu blicken: Einen Favoritenkreis zu benennen ist aktuell ein bisschen früh. Aber wer gehört für dich aktuell zu den Top-Fünf-Spielern der Welt? Und wer hat das Potenzial, dort bald reinzustechen? Nicht nur von den Rankings, sondern vom reinen Können?

Suljovic: Die Rankings sind auch sehr wichtig, allein wegen der Setzliste. Littler ist ein Favorit für mich, van Gerwen auch immer. Da können sie sagen, was sie wollen. Jetzt hat er familiäre Probleme, aber das wird ja irgendwann vorbei sein. Price auf jeden Fall, Luke Humphries. Aspinal spielt sehr gut. Aber für die großen Siege glaube ich: Littler, Humphries, Price, van Gerwen - die vier. Und wenn noch ein fünfter, dann nehme ich Jonny Clayton.

© getty
Mensur Suljovic in Action

LAOLA1: Wie siehst du die österreichische Darts-Szene aktuell?

Suljovic: Leider liegt bei uns das Problem meistens bei den Sponsoren. Wir haben viele gute Dartspieler, aber sie trauen sich diesen Weg nicht zu machen. Das ist ein riesiger Schritt, Darts ist dann Arbeit - da gibt es nichts anderes. Und wenn du nicht gut spielst, ist leider deine Existenz in Gefahr. Das ist für viele das Problem.

LAOLA1: Diesen finanziellen Druck meinst du?

Suljovic: Ganz genau. Wir haben die Sponsoren nicht. Ich habe selbst die meisten Sponsoren aus Deutschland. Jetzt habe ich, Gott sei Dank, einen aus Österreich, aus dem Burgenland. Aber leider sehen die Darts noch immer nicht als so richtige Sportart, wie Fußball, Basketball oder Boxen. Dort wollen sie drin sein, aber nicht beim Dart. Ich sage immer: Es kann nicht jeder Fußballer, Basketballer oder Skifahrer werden. Beim Skifahren sind wir sehr gut, aber in den letzten Jahren auch nicht mehr - leider. Und dort sind wir eigentlich die besten. Das lässt überall nach. Es ist wichtig für die Kinder einen Sport zu finden, zwei Sportarten ist noch besser. Wieso nicht Dart oder Schach? Viele haben Angst, weil Dart meistens in den Kaffeehäusern ist. Und dann sagen sie: Finger weg.

LAOLA1: Was muss sich ändern, damit sich im heimischen Darts etwas ändert? Sind es nur die Sponsoren oder kann man da auch infrastrukturell etwas machen? Eine Darts-Akademie ist ja bei dir auch ein Thema ...

Suljovic: Auf jeden Fall. Das möchte ich unbedingt machen, wenn ich zum Darten aufhöre. Wobei aufhören werde ich nie. Aber wenn ich nicht mehr professionell spiele, dann werde ich garantiert eine Akademie machen. Das ist mein Ziel, das ist mein Traum. Viel wichtiger wäre aber, viele Turniere in Österreich zu veranstalten. Wir haben ja in Schwechat gesehen, dass wir das Potenzial haben, es ist alles ausverkauft. Wieso nicht wie in Deutschland?

LAOLA1: Also einfach mehr große PDC-Veranstaltungen in Österreich, die dann auch die Leute interessieren?

test
Das European-Tour-Event der PDC in Graz ist seit Jahren ein Highlight für viele österreichische Fans.
Foto: ©GEPA

Suljovic: Ganz genau, PDC. Oder auch von unserem anderen Verband, dem WDV (Anm. Wiener Darts Verband). Sie machen mit WDF oder BDO Turniere und sind auch gut unterwegs. Aber sie haben halt die Preisgelder nicht. Deshalb kommen die guten Spieler auch nicht. Denn Preisgeld ist leider das Wichtigste. Gute Spieler aus England denken sich dann: 'Wenn ich nichts gewinnen kann, wer soll meine Reise dann decken?' Das ist ein großes Problem. Dieser Zusammenhalt zwischen Sponsoren und uns Spielern wäre sehr wichtig. Dann hätten wir auch, wie die Deutschen, riesengroßes Potenzial und Riesen-Veranstaltungen.

LAOLA1: Gibt es gerade österreichische Darter, die an der PDC anklopfen oder sehr viel Potenzial haben?

Suljovic: Rusty-Jake Rodriguez und sein Bruder Rowby-John sind gut. Tringler Patrick tut viel, Christian Kallinger ist gut. Ich empfehle da jedem, diese Next Gen zu spielen und die Q-School zu versuchen. Es gibt so viel Potenzial, so viele Spieler - und die sollen es probieren. Wenn die es auch schaffen und unter Vertrag genommen werden, dann haben sie nicht viele Kosten. Aber sie müssen sich trauen. Es ist das wichtigste, jedes Turnier zu spielen. Nicht nur zu Hause.

LAOLA1: Du wurdest ja gerade in deiner Topzeit immer als Arbeiter charakterisiert, ein wenig ein Spätstarter für die heutige Zeit zumindest. Ist es jetzt noch möglich, dass ein Spieler wie Mensur Suljovic in die Top-Fünf der PDC kommt?

Suljovic: Ich glaube, ich nicht mehr. Ich bin schon zu alt dafür. Aber unser Nachwuchs auf jeden Fall.

LAOLA1: Ich meine generell die "Spielerkategorie" Mensur Suljovic, der viel über Kampf und Big-Game-Moments kommt.

Suljovic: Top-Ten ist möglich, aber Top-Fünf ist schon sehr schwierig.

"Für mich war das eine große Niederlage."

Suljovic über das verlorene WM-Spiel gegen Fallon Sherrock.

LAOLA1: Noch einmal kurz zurück zur WM: Da gab es ja deine bittere Niederlage gegen Fallon Sherrock. Bei der Jugend-WM hat vor einigen Wochen erst Luke Littler gegen Beau Greaves verloren. Und die Reaktionen waren ganz andere. Zeigt das auch, wie sich Frauen im Dartsport weiterentwickelt haben?

Suljovic: Für mich war das eine große Niederlage. Aber ich habe wirklich mein Bestes gegeben. Sie hat super gespielt, das muss man akzeptieren. Für eine Dame zu diesem Zeitpunkt war das der absolute Wahsninn. Leider hatte ich meine Nerven nicht unter Kontrolle, das Publikum war gegen mich. Jetzt sehen Luke Littler und alle, was ist, wenn das Publikum gegen dich ist. Dann hast du nämlich ein riesengroßes Problem. Aber die Damen: Das ist ganz normal. Ob du zwölf Jahre oder 60 Jahre bist, männlich oder weiblich: Es kann jeder spielen. Wichtig ist Training und Konzentration.

test
Beim World Cup spielten Suljovic und Rusty-Jake Rodriguez erstmals auf PDC-Level als Doppel zusammen.
Foto: ©Jenny Segers/PDC Europe

LAOLA1: Wie hast du die Situation um Rusty-Jake Rodriguez mitbekommen? Er bekam ja eine Dopingsperre, darf mittlerweile wieder an Turnieren teilnehmen. Hattest du in der Phase Kontakt mit ihm?

Suljovic: Auf jeden Fall. Ich habe ihn aber nicht einmal angerufen und gefragt, wieso. Wir kennen uns und ich weiß, es war sicher ein kleiner Fehler. Aber mein Vorwurf geht an die PDC: Wieso testen wir nicht die Top-32 oder Top-16? Wieso muss man das mit dem 128. der Welt machen, der arbeiten geht und vielleicht irgendwann auf einer Party einen Fehler gemacht hat. Ich habe ihm gleich gesagt: 'Mach gleich eine Beschwerde, das ist zufällig passiert. Ich kenne dich seit Jahren. Du bist nicht von dieser Welt'. Und Gott sei Dank hat er den Einspruch gemacht. Meine Meinung ist: Top-16 bei jedem Turnier testen, dann schauen wir einmal. Aber nicht den 250. der Welt - das macht keinen Sinn.

"Was soll ich dann arbeiten?"

Meint der 53-Jährige schmunzelnd, was er denn nach einem Karriereende tun soll.

LAOLA1: Du hast vorher schon gesagt, du wirst niemals aufhören und es immer wieder probieren, solltest du die Tourcard verlieren. Ist es tatsächlich so? Hast du kein Datum im Kopf, wo du sagst: Ab dann ist es für mich in der PDC vorbei?

Suljovic: Wenn ich die Tourcard verlieren sollte und die Q-School nicht schaffe, vielleicht stecke ich dann ein bisschen zurück. Aber dass ich aufhöre mit Dart? Niemals. Was soll ich dann arbeiten? (lacht)

LAOLA1: Die Darts-Akademie eben?

Suljovic: Genau, aber das ist nicht viel. Man muss viel mehr tun.

Die emotionalsten Momente seiner Karriere

LAOLA1: Zum Abschluss: Wir haben über WMs geredet, aber deine größten Erfolge waren bei anderen Turnieren. Was würdest du sagen, sind bis jetzt die drei emotionalsten Momente in deiner Karriere?

Suljovic: Einer der schönsten und besten Momente war die erste WM. Da habe ich, glaube ich, gegen Andy Smith gewonnen und dann gegen James Wade. Das war für mich eine Sensation. Auf jeden Fall muss man die Champions League of Darts auch erwähnen. Das waren die Top-Acht-Spieler der Welt. Und wenn du da gewinnst, ist das schon Wahnsinn.

LAOLA1: Trauerst du darum, dass die Champions League nicht lange danach eingestellt wurde?

Suljovic: Ich verstehe nicht, wieso. Es war ein Top-Turnier, hat nicht für die Rangliste gezählt. Ich finde es für mich voll super. Es ist besser als die World Series.

"Da war ich einen Tag vor dem Match sogar im Spital, weil ich die ganze Nacht nicht schlafen konnte, wegen des Drucks."

Suljovic über seinen Zustand im Vorfeld des Matchplay-Finals 2018.

LAOLA1: Und der dritte emotionalste Moment deiner Laufbahn?

Suljovic: Blackpool, gegen Gary Anderson. Da war ich einen Tag vor dem Match sogar im Spital, weil ich die ganze Nacht nicht schlafen konnte, wegen des Drucks. Ich habe mir gedacht, nicht einmal ein Leg werde ich gewinnen. Und dann war ich froh, habe gesehen es läuft und mich gefragt: Wow, wie geht das?

LAOLA1: Genau dieses Match hat mich damals zum Dartsport gebracht.

Suljovic: Dann muss ich es noch einmal wiederholen (lacht).

LAOLA1: Auf jeden Fall. Danke fürs Gespräch!

Suljovic: Danke auch.


Das Interview in voller Länge:

Kommentare