Diese Fußballer wechselten in den American Football
LAOLA1: Hallo Sandro! Die wichtigste Frage vorab: Wie geht es deinem Knöchel? Wie läuft der Genesungsprozess?
Sandro Platzgummer: Es läuft eigentlich so weit, so gut. Ich mache gerade den ganzen Reha-Prozess standardmäßig durch. Ich bin aber ein, zwei Wochen voraus, weil alles sehr gut verlaufen ist, obwohl ich jetzt nichts gepusht habe. Es war ein kleiner operativer Eingriff, und es war sehr gut, dass wir das gemacht haben. Ich bin mit meinem Arzt und dem ganzen Prozess sehr zufrieden. Hätten es die Frankfurt Galaxy in die Playoffs geschafft, hätte ich vielleicht im Halbfinale oder Finale noch spielen können. Jetzt hat sich das aber leider erledigt.
LAOLA1: Es ist jetzt knapp über zwei Jahre her, dass du deine Zelte in New York abgebrochen hast und nach Europa zurückgekehrt bist. Wie hat sich dein Leben seither verändert?
Platzgummer: Man lernt in der NFL viel fürs Leben. Es ist ein drastisches Business und man lernt, dass das Leben nicht immer fair ist. Der Übergang zu meinem Leben in Europa war gut. Ich habe mein Medizin-Studium relativ schnell fertig gemacht – unter Mindeststudienzeit. Aus Football-Sicht habe ich hier in Frankfurt auch noch einmal viele Erfahrungen gemacht. Man sieht die Dinge aus einem anderen Winkel, wenn man einmal höher gespielt hat. Natürlich ist es immer ein bisschen schade, wenn man zurückdenkt, denn es war schon eine coole Zeit in den USA.

LAOLA1: Bei den New York Giants standest du zweimal ganz knapp vor dem Sprung vom Practice Squad in den Kader. Trauerst du der verpassten Chance, in der NFL zu spielen, noch nach oder bist du damit im Reinen?
Platzgummer: Nach meinen Verletzungen könnte ich jetzt, glaube ich, gar nicht mehr auf dem Level spielen. Jetzt ist es zu spät. Daher bin ich damit im Reinen. Wenn ich jetzt die Pre-Season in der NFL verfolge, gibt es schon immer wieder Momente, in denen ich mir denke: Da sind Spieler dabei, die eigentlich eine Spur schlechter sind als ich. Aber die haben eben am College gespielt. Wenn ich die gleichen Chancen hätte haben wollen, hätte ich College-Football spielen müssen. Das war immer klar. Ich bin den unkonventionellen Weg gegangen, aber ich bin damit im Reinen. Bernhard Raimann zum Beispiel hat alles auf eine Karte gesetzt und ich freue mich extrem für ihn, dass es so aufgegangen ist und wünsche ihm nur das Beste, aber ich glaube, das wäre nicht mein Weg gewesen.
LAOLA1: Wie intensiv verfolgst du die Giants und die NFL noch? Bist du ab und zu noch im MetLife Stadium zu Gast und hast du noch Kontakt zu Spielern, Trainern oder dem Staff?
Platzgummer: Ich war letztes Jahr einen Monat in New York, war aber nicht beim Team. Beim Munich Game der Giants vergangene Saison war ich allerdings dabei. Ich bin mit vielen Spielern und Coaches noch in Kontakt, die meisten davon sind aber auch nicht mehr bei den Giants.
Wenn man keinen Plan B hat, geht man mit einer ganz anderen Nervosität an die Sache, weil man weiß, dass man arbeitslos ist, wenn man den Kader-Spot nicht schafft.
LAOLA1: Dein Karriereweg ist jetzt nicht der klassische. Inwieweit siehst du dich als Vorbild für andere Sportlerinnen und Sportler, die ihren Karriere-Plan-B abseits des Spielfeldes während der aktiven Zeit vorantreiben?
Platzgummer: Mir hat es immer sehr geholfen, weil ich dieses Mindset hatte, dass ich nichts zu verlieren habe. Fast alle Spieler haben keinen Plan abseits vom Football. Es gibt auch in Europa genug Spieler, die gerade einmal so viel verdienen, dass sie über die Runden kommen und sich dann irgendwann verletzen oder zu alt werden und sich etwas Neues suchen müssen. Ich habe auch in der NFL das Mindset gehabt, dass ich mein Bestes gebe und alles mache, um meine Chance zu kriegen. Aber es hat mir immer geholfen zu wissen, dass ich, wenn es nicht klappt, zurückgehe und eben Arzt werde. Wenn man keinen Plan B hat, geht man mit einer ganz anderen Nervosität an die Sache, weil man weiß, dass man arbeitslos ist, wenn man den Kader-Spot nicht schafft.
LAOLA1: Siehst du da auch die Vereine in der Pflicht, um für die Karriere nach der Karriere vorzusorgen oder muss diese Motivation von einem selbst kommen?
Platzgummer: Es gibt schon gewisse Wege, aber ich denke, dass es in den USA und der NFL generell eher verpönt ist. Da will keiner, dass jemand weiß, dass man einen Plan B hat und sich vielleicht nicht zu hundert Prozent auf den Sport fokussiert. Ich habe schon das Gefühl gehabt, es war kein Vorteil, dass alle wussten, dass ich später Arzt werden möchte und schon fast mit dem Studium fertig bin. Wenn sich jemand nebenher auf etwas anderes konzentriert, würden die Trainer eher denken, der möchte eigentlich nicht mehr Football spielen. In Europa denke ich aber schon, dass es eigentlich der Sinn der Sache ist. Man verdient auch nicht so viel, dass man später davon leben kann. Vielen Import-Spielern werden auch Deutschkurse gezahlt, damit sie später einmal in den Städten arbeiten können.

LAOLA1: Stimmt es, dass deine Leidenschaft für den Arzt-Beruf erstmals entfacht wurde, als du dich mit 13 Jahren beim Footballspielen am Sprunggelenk verletzt hast und die medizinische Behandlung selbst so spannend fandest?
Platzgummer: Das stimmt. Lustigerweise war meine erste Verletzung sogar die gleiche, die ich jetzt habe – nur nicht so ganz so schlimm. Ich habe natürlich bei mir selbst viel miterlebt, aber auch bei Teamkollegen und das hat mich immer schon sehr interessiert. Das war sicher ein Riesen-Grund, warum ich mich für das Studium entschieden habe und ich denke auch, dass mir das später noch sehr viel weiterhelfen wird.
LAOLA1: Welche Parallelen kannst du zwischen deiner Arbeit als Arzt bzw. dem Footballspielen ziehen?
Platzgummer: Auf jeden Fall der Aspekt Teamwork. Als Arzt muss man sich quasi mit den anderen Ärzten im Team koordinieren, so wie beim Football mit seinen Running-Back-Kollegen. Die Patienten sind so ein bisschen die Gamedays, man muss schauen, dass sie zufrieden sind – sprich man muss ein Spiel gewinnen (lacht). Man hat dann aber auch die Defense, die man nicht so ganz kontrollieren kann als Offense-Spieler. Das ist dann auf der Klinik die Pflege, mit der man auch zusammenarbeiten muss. Es gibt sehr viele Parallelen zwischen dem Beruf als Arzt und jenem als Footballspieler. Ich denke generell, dass Sport sehr underrated ist. Man lernt sehr viel Disziplin und Struktur, die für mich im Arztberuf zum Beispiel sehr wichtig ist.
Es ist nie leicht, in Pension zu gehen, für jeden, der seinen Job gern gemacht hat – gerade dann, wenn man noch nicht einmal 30 Jahre alt ist.
LAOLA1: Sehr schöne Metaphern. Du bist jetzt 28 Jahre, die Facharzt-Ausbildung steht vor der Tür und du hast in den letzten drei Saisons zwei "season ending injuries" hinter dir. Werden wir dich je wieder auf einem Football-Feld sehen?
Platzgummer: Eigentlich war mir fast bewusst, dass heuer die letzte Saison sein wird. Im Oktober möchte ich beim Nationalteam-Duell gegen Deutschland noch dabei sein. Das sollte sich ziemlich sicher ausgehen. Falls es dann vorbei ist, ist das in Ordnung für mich. Aber es ist nie leicht, in Pension zu gehen, für jeden, der seinen Job gern gemacht hat – gerade dann, wenn man noch nicht einmal 30 Jahre alt ist.

LAOLA1: Eine fixe Entscheidung hast du also noch nicht getroffen?
Platzgummer: Nein, ich möchte nichts überstürzen. Man kann es ja theoretisch auch machen wie Tom Brady und sagen, ich trete jetzt einmal zurück und falls es mir doch wieder taugt, fange ich wieder an. Ich denke aber, ich bin eher so, dass ich sage: Wenn ich retired bin, möchte ich retired sein. Da will ich nicht die Medien pushen (lacht). Es hängt aber auch ein bisschen davon ab, wie es um meine Jobmöglichkeiten als Arzt steht. Wenn ich aktuell nichts bekomme, muss ich es mir fast noch einmal überlegen. Aber ich lasse es auf mich zukommen und möchte nichts überstürzen.
LAOLA1: Dazu kommt ja noch, dass bei den Olympischen Spielen 2028 Flag Football erstmals im Programm sein wird. Es wird mit der Teilnahme zahlreicher NFL-Stars spekuliert. Österreich kämpft noch um die Qualifikation, aber falls diese gelingt, wäre das in irgendeiner Form ein Thema für dich?
Platzgummer: Das war eigentlich lange kein Thema für mich. Ich habe es immer so gesehen, dass ich Running Back bin und eigentlich kein Flag-Football-Spieler und mich das eigentlich nicht so interessiert. Aber ich muss schon sagen, dass das Verletzungsrisiko einfach viel geringer ist. Allein deshalb würde Flag Football in Zukunft mehr Sinn machen für mich als Tackle Football. Ich glaube auch, dass es mir sehr liegen würde. Ich bin immer vielseitig eingesetzt worden. Und gerade in der zweiten Hälfte meiner Karriere konnte ich viel mehr als Receiver agieren. Mein Skillset, mit meiner Schnelligkeit und meiner Beweglichkeit plus der Fähigkeit Bälle zu fangen, könnte man sehr gut translaten auf Flag Football. Es ist eine Überlegung wert. Bevor ich ernst mache, müsste ich, glaube ich, noch ein bisschen abnehmen (lacht).
LAOLA1: Und Olympia als Event wäre auch reizvoll für dich?
Platzgummer: Auf jeden Fall. Der Olympia-Faktor macht das Ganze schon noch einmal spannender. Gerade auch deshalb, weil dadurch das generelle Niveau des Flag Football auch höher werden sollte. Ich bin nämlich nicht so der Typ, der auf unterstem Niveau noch Bauernliga spielt, weil Football gerade noch Spaß macht. Ich glaube, das ärgert mich dann eher, wenn viele Dinge nicht mehr möglich sind, weil das Level einfach zu schlecht ist.
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LAOLA1: Du hast in der Pre-Season dein Debüt als Experte bei Servus TV mit Christopher De Ryan gegeben. Wie gefällt dir die Rolle und kannst du dir sowas in Zukunft öfter vorstellen?
Platzgummer: Durchaus. Es hat Spaß gemacht. Ich habe ja bei Puls 4 früher auch schon einmal kommentiert. Ich vergesse oft, dass ich durch die Jahre in der NFL, Football schon aus einem anderen Winkel sehe. Ich würde es schade finden, wenn ich alles, was ich über Football gelernt habe, in einer Kiste versperre und sage: Das war Football für mich (lacht). Ich würde mich freuen, wenn Regular-Season-Spiele wieder im TV in Österreich übertragen werden. Wenn alles hinhaut, könnte ich mir durchaus vorstellen, das öfter zu machen.
LAOLA1: Die neue NFL-Saison steht vor der Tür. Was traust du deinen "G-Men" mit Neo-Quarterback Russell Wilson zu?
Platzgummer: Ich glaube, sie werden es eher wieder schwierig haben. Aber man kann es nie wirklich einschätzen. 2022 hätte, glaube ich, auch niemand gedacht, dass wir bis in die zweite Runde der Playoffs kommen. Aber Washington und Philadelphia sehe ich schon klar über den Giants und als Dritter in der Division kommst du eigentlich nicht weiter.
LAOLA1: Und wer zählt für dich heuer zu den heißesten Anwärtern auf die Super Bowl?
Platzgummer: Die Eagles sind für mich der Favorit. Ich glaube, dass sie noch einmal stärker sein werden als letzte Saison. Die Chiefs muss man auch immer am Zettel haben, auch wenn ich glaube, dass Mahomes zwar immer noch ein Top-Quarterback ist, aber aktuell nicht so die Weapons zur Verfügung hat. Auch auf die Lions wird man wieder aufpassen müssen.