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Wie Marc Marquez wieder zum MotoGP-Dominator wurde

Zwischen Karriereende und Comeback: Nach schweren Verletzungen, der Trennung von Honda und großen Opfern fährt der spanische Superstar wieder allen davon.

Wie Marc Marquez wieder zum MotoGP-Dominator wurde Foto: © GEPA

August 2022, Schauplatz Spielberg.

Marc Marquez lud die Medien zu einer gesonderten Pressekonferenz in der "Energy Station" seines damaligen Sponsors ein. Es war sein erster öffentlicher Auftritt nach dem vierten operativen Eingriff an seinem schwer gezeichneten Oberarm.

Rund drei Monate zuvor musste der achtfache Weltmeister eine wegweisende Entscheidung treffen: Operation oder Karriereende. Marquez entschied sich für erstere Option, es folgte die nächste monatelange Pause.

"Die letzten zwei Jahre waren ein Albtraum", gestand der sichtlich ausgelaugte Spanier. Er blickte auf die schwierigste Zeit seiner Karriere zurück, der Weg zum Comeback sei die "härteste Herausforderung" seines Lebens.

Ein Sturz veränderte alles

Über viele Jahre hinweg wirkte der Superstar unzerstörbar und fuhr die Konkurrenz in Grund und Boden. Marquez lieferte sich legendäre Duelle mit seinem einstigen Idol Valentino Rossi oder Landsmann Jorge Lorenzo und räumte mit Honda unzählige Titel ab.

Doch 2020 nahm die Karriere durch den folgenschweren Sturz in Jerez eine 180-Grad-Wendung. Zurückstecken? Dieses Wort findet im Wortschatz des 96-fachen Grand-Prix-Siegers keinen Gebrauch.

Der Oberarm machte lange zu schaffen
Foto: © GEPA

Zu früh kehrte er auf "seine" Honda zurück, verletzte sich wieder und wieder. Das Motorrad war mittlerweile klar unterlegen, damit er konkurrenzfähig blieb, schritt Marquez ein ums andere Mal über seine eigenen Grenzen - und die des Bikes.

Die Folge: Schwere Stürze, wiederkehrende Probleme mit dem Oberarm, sogar Sehstörungen. Der Körper war schwer gezeichnet, der Kopf ebenfalls.

Trennung von Honda

Marquez verlor den Spaß am Motorradfahren, 2023 folgten die nächsten Verletzungen nach Landungen im Kiesbett.

Im Oktober desselben Jahres hatte der 32-Jährige genug gesehen. Er einigte sich mit Honda auf eine vorzeitige Auflösung des Vierjahresvertrags, nach elf gemeinsamen Jahren war die Beziehung zu Ende gegangen.

Marquez schrieb damals: "Ich weiß nicht, ob ich das Richtige oder das Falsche tue. Ich weiß nicht, was in der Zukunft passieren wird. Ich weiß nicht, ob sich das alles zum Guten wenden wird. Aber was ich weiß, ist, was wir gemeinsam erreicht haben."

Er sprach von der "schwierigsten Entscheidung meines Lebens, die von meinem Kopf und meinem Mut geleitet wurde, NICHT von meinem Herzen." Sein Herz werde immer Honda gehören - doch er wolle wieder der beste Fahrer der Welt werden.

Finanzielle Opfer

Deshalb tätigte der Mann aus Cervera ein Investment in die eigene Zukunft.

"Ich will nur das Bike."

Marc Marquez zu Nadia Padovani

Marquez wechselte zu seinem jüngeren Bruder Alex ins Gresini-Team und damit auf eine Ducati, den seit Jahren dominierenden Hersteller in der Königsklasse. Er unterschrieb einen Einjahresvertrag und verzichtete gänzlich auf Gehaltszahlungen des Kundenteams.

"Ich will nur das Bike", sagte Marquez zu Nadia Padovani, der Teamchefin von Gresini. Bei Honda streifte er immerhin 10 bis 15 Millionen Euro pro Jahr ein, nun bezog er ausschließlich die Erfolgsprämien seiner privaten Sponsoren.

All das nur, um das Lächeln wiederzufinden. Und die alte Dominanz zurückzuerlangen.

Sportliche Wiedergeburt mit Liebe...

Aus seinem physischen und mentalen Loch half ihm neben der Strecke seine Lebensgefährtin Gemma Pinto.

2023 trat das Paar erstmals gemeinsam bei der Fashionweek in Madrid auf, seither weicht sie ihm nicht mehr von der Seite. Nicht nur in den sozialen Medien posieren sie gemeinsam, auch an den Grand-Prix-Wochenenden ist Pinto stets in Marquez' Box zu sehen.

Marc Marquez und Gemma Pinto bei den Laureus Awards 2024
Foto: © getty

Die 28-Jährige, selbst als Model und Influencerin tätig und mit einem abgeschlossenen Studium in Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing ausgestattet, erdete den Spanier. Pinto ist mitunter das Erfolgsgeheimnis auf dem Weg zurück an die Weltspitze.

...und familiärem Rückhalt

Neben seiner Partnerin spielte auch die Familie eine entscheidende Rolle – allen voran Bruder Alex.

Die beiden sind nicht nur Brüder, sondern genauso beste Freunde. Sie verbringen jede freie Minute auf und abseits der Strecke miteinander und genießen es regelrecht, wenn sie gemeinsam am Podium stehen dürfen.

Umso besonderer war es, dass sie nun endlich für dasselbe Team starten konnten – ein Szenario, das schon 2020 geplant war, hätte sich Marc nicht schwer verletzt.

Mit der ein Jahr alten Ducati fand sich Marquez schnell zurecht: Sein erster Podestplatz gelang ausgerechnet am Unglücksort Jerez. Für den ersten Sieg musste er bis Aragon warten, ehe auch in Misano und Phillip Island Triumphe folgten.

Erfolgreich investiert

Zu diesem Zeitpunkt stand bereits fest, dass sich die Investition ausgezahlt hatte.

Durch Jorge Martins Abschied zu Aprilia war Marquez' Weg ins Ducati-Werksteam geebnet. Die "Roten" ließen sich diese Chance nicht entgehen und beförderten ihn mittels Zweijahresvertrag ab 2025 an die Seite von Francesco Bagnaia.

Damit war klar: Der unbestritten beste Fahrer der aktuellen MotoGP bekommt das beste Motorrad zur Verfügung gestellt - die (hausinterne) Konkurrenz war gewarnt. Für diese Saison gehen allerdings die Superlative aus.

"Dann hast du Marc Marquez: Einen unglaublich talentierten Fahrer, der wohl härter als alle anderen arbeitet. Diese Kombination macht es extrem schwer, ihn zu bezwingen."

MotoGP-Legende Casey Stoner über Marc Marquez

Marquez hat 21 von 26 Rennen (Sprint + Grand Prix, Anm.) gewonnen, sieben Mal die Pole-Position erobert und nach 13 von 22 GP-Wochenenden bereits mehr Punkte gesammelt als im gesamten Jahr 2024.

Bei 142 Punkten Vorsprung auf Bruder Alex, der sich im Schatten des Bruders zu einem Spitzenfahrer mauserte, kann ihn nur mehr ein massiver Selbstfaller davon abhalten, die für ihn bereitliegende WM-Krone abzuholen.

Nicht aufzuhalten?

Geht es nach der australischen MotoGP-Legende Casey Stoner, wird Marquez in den nächsten Jahren ebenfalls nur schwer zu stoppen sein.

"Normalerweise kann harte Arbeit Talent bezwingen - bis das Talent beginnt, hart zu arbeiten. Und dann hast du Marc Marquez: Einen unglaublich talentierten Fahrer, der wohl härter als alle anderen arbeitet. Diese Kombination macht es extrem schwer, ihn zu bezwingen."

Auch dann, wenn sich der Superstar wie in Spielberg selbst ein Bein stellt. Etwas übereifrig rutschte er im Qualifying aus, statt Bestzeit gab es nur Rang vier.

Das hinderte ihn jedoch nicht daran, mit dem richtigen Maß an Risiko sowohl im Sprint als auch Grand Prix zum Sieg zu fahren und somit einen der ganz wenigen weißen Flecken auf seiner Landkarte zu tilgen.

Es zählt das große Ganze

Die Erleichterung, endlich am Red Bull Ring gewonnen zu haben, war deutlich spürbar. So wie auch das Gefühl, dass Siege zwar im Vordergrund stehen - doch der finale Antrieb die WM ist.

Diese Einsicht ist die größte Lehre der letzten fünf Jahre und zeigt, welchen Wandel auch der Mensch Marc Marquez vollzogen hat. Wie heißt es so schön: Aus Niederlagen lernt man am meisten.

So auch der in wenigen Wochen neunfache Motorrad-Weltmeister, der 2022 in Spielberg noch klargestellt hat: "Ich will zurück an die Spitze." Dort ist er eindrucksvoll wieder angelangt.



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