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Trotz Sieg: Erhobener Zeigefinger bei Ferrari

Sainz jubelt, Leclerc hinterfragt Entscheidungen. Teamchef Binotto reagiert:

Trotz Sieg: Erhobener Zeigefinger bei Ferrari Foto: © getty

150 Rennen lang hat es gedauert, nun darf sich Carlos Sainz endlich auch Grand-Prix-Sieger nennen. 

Einen Tag nach seiner ersten Pole Position hat der Ferrari-Pilot in Silverstone auch seinen ersten Sieg unter Dach und Fach gebracht. Der Spanier setzt sich am Sonntag nach einem außergewöhnlichen Großen Preis von Großbritannien vor Sergio Perez im Red Bull und Mercedes-Star Lewis Hamilton durch (Rennbericht >>>).

"Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Das ist unglaublich. Ein sehr besonderer Tag, den ich nicht vergessen werde", freut sich Sainz. "Mein erster Rennsieg nach 150 Rennen mit Ferrari in Silverstone, mehr hätte ich nicht erwarten können."

Sainz: Plötzliche Chance durchs Safety Car

Dabei war Sainz zwischenzeitlich schon fast raus aus dem Kampf um den Sieg. Ferrari tauschte in der 31. Runde die Plätze, da Charles Leclerc schneller als sein Teamkollege war. Nach Hamiltons eher langsamem Stopp führte der Monegasse vor Sainz den Grand Prix an. Eine Safety-Car-Phase kurz vor Rennende machte es noch spannender, zumal Sainz und Hamilton sich im Gegensatz zu Leclerc frische Soft-Reifen abholten.

Nach dem Restart zehn Runden vor Schluss überholte Sainz Leclerc, der sich mit seiner angefahrenen Hard-Mischung verteidigen musste. Perez ging an Hamilton und später auch an Leclerc vorbei. Der Monegasse kämpfte dann mehrere Runden mit Hamilton, zog aber den Kürzeren und fiel vom Podest.

"Mir hat das Safety-Car plötzlich die Chance gegeben, wieder reinzukommen", schildert Sainz. "Es war nicht einfach. Ich hatte ein bisschen Probleme mit der Balance", erklärt der 27-Jährige. 

In den finalen Runden des Rennens habe er dem Sieg bereits entgegengefiebert. "Wenn du über die Linie fährtst, hast du so einen Energieschub, so gute Vibes, dass man es kaum beschreiben kann", sagt Sainz im Interview bei "ServusTV". "Den ersten Sieg schreibst du dir in die Geschichtsbücher, davon träumt jeder."

Leclerc hinterfragt Ferrari-Entscheidungen

Man muss an dieser Stelle aber wohl auch festhalten: Sainz war an diesem Rennsonntag nicht unbedingt der schnellste Mann auf der Strecke. 

Teamkollege Leclerc war trotz beschädigtem Frontflügel über weite Strecken mit einer besseren Pace als der Spanier unterwegs. Dem Monegassen kostete einmal mehr die Ferrari-Taktik den Sieg. Mit seinen alten Reifen hatte Leclerc im Finish keine Chance mehr gegen Sainz, Perez und Hamilton. 

"Ich denke, es wäre mehr drin gewesen", sagt der Viertplatzierte gegenüber "ServusTV". "Wir müssen uns anschauen, welche Entscheidungen getroffen wurden und ob diese richtig waren."

Erhobener Zeigefinger von Binotto

Viel mehr wollte - oder durfte - der sichtlich frustrierte Leclerc nicht sagen. Gleich nach Rennende zeigten die TV-Bilder ein Gespräch zwischen dem Monegassen und Ferrari-Teamchef Mattia Binotto, in dem der Italiener mit erhobenem Zeigefinger auf seinen Piloten einredete. 

Auf die Szene angesprochen beschwichtigt Leclerc: "Er wollte mich aufheitern, mehr nicht."

Welche Worte zwischen den beiden auch immer gefallen sind, Fakt ist: Die Scuderia hat sich strategisch erneut nicht mit Ruhm bekleckert. 

Warum Ferrari Leclerc nicht an die Box holte

Warum Ferrari Leclerc während der Safety-Car-Phase nicht auch zum Reifenwechsel an die Box geholt hat? "Wir mussten einen Fahrer wählen. Wenn beide gestoppt hätten, hätte Carlos Positionen gegen die anderen verloren", erklärt Binotto bei "Canal+". 

Man habe gehofft, dass Sainz Leclerc nach seinem Stopp auf den frischeren Reifen hätte "beschützen" können und die weichen Reifen der anderen Piloten am Ende abbauen. "Das war aber nicht der Fall", gesteht Binotto.

Leclerc gibt sich diplomatisch. Er werde die neuerliche Enttäuschung "schon verkraften". 

"Ich möchte nicht, dass der Fokus auf meinem enttäuschenden Rennen liegt, sondern auf seinem unglaublichen Sieg", sagt er über Sainz. "Es ist toll für das Team, toll für Carlos. Ich freue mich für ihn, aber ich bin enttäuscht für mich selbst. Es sind gemischte Gefühle."

In der WM liegt Leclerc knapp vor der Saison-Halbzeit 43 Punkte hinter Max Verstappen auf Rang drei. Angesichts der Probleme des Niederländers hätte der Monegasse einiges an Boden gutmachen können. WM-Stand >>>

"Das war eine Möglichkeit, bei der es gut gewesen wäre, sie zu nutzen. Wir hätten richtig viele Punkte sammeln können, wir haben es aber nicht", sagt Leclerc - wieder einmal. 



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