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Ferrari: Wie das Pferd aus der Asche sprang

Rot ist wieder Modefarbe! Und dafür gibt es klare Gründe:

Ferrari: Wie das Pferd aus der Asche sprang Foto: © getty

Die Scuderia Ferrari ist - vorerst - wieder da, wo sie sich selbst sieht: An der Spitze der Formel 1.

Charles Leclerc kam als klarer WM-Leader zum Heimspiel nach Imola, wo an diesem Wochenende der Grand Prix der Emilia-Romagna steigt (alle Sessions im LIVE-Ticker>>>). Beste Voraussetzungen für eine Ferrari-Party.

Der Wiederaufstieg der Scuderia kommt aber nicht von ungefähr. Für Maranello wurde das neue Reglement zum Volltreffer. Und das liegt sogar in den vergangenen zwei schwachen Jahren ohne einen einzigen Sieg mitbegründet.

LAOLA1 hat die Gründe für den Höhenflug des springenden Pferdes ausgemacht:

Der F1-75: Schön, radikal und schnell

Foto: © GEPA

Ferrari gehörte die Aufmerksamkeit schon nach den Auto-Präsentationen. Der "F1-75" gewann nicht nur einen Schönheitspreis, sondern sorgte mit einem Konzept für Aufsehen, das sich deutlich von der Konkurrenz abhebte.

Zweifel, ob die Kreation auch schnell sein würde, räumten schon die ersten Tests aus.

Das Auto funktioniert im Vergleich zur Konkurrenz in verschiedenartigen Kurven gleichbleibend gut, hat keine eklatanten Schwächen in schnellen oder langsamen Passagen. Nur mit dem "Porpoising" kämpft die Scuderia noch vergleichsweise stark.

Die Ferrari-Ingenieure haben also hoch gepokert und gewonnen. Angesichts der Mercedes-Schwierigkeiten, bei denen sich der bisherige Klassenprimus mit einem anders ausgerichteten, aber ebenso radikalen Ansatz selbst weg von der Spitze manövrierte, keine Selbstverständlichkeit.

Das neue Reglement mag viele Möglichkeiten offenlassen - der aktuell vielversprechendste Weg wurde in Maranello eingeschlagen.

Den Skandal zum Neuaufbau genutzt

Es war der Aufreger 2019: Ferrari fand ein Schlupfloch im Motoren-Reglement, mit dem die Zufluss-Begrenzung von 100 Kilogramm pro Stunde umgangen werden konnte.

Die FIA besserte im Reglement nach und bestrafte Ferrari zudem für 2020, als die Motoren aus Maranello dem Vernehmen nach weniger Benzin als die Konkurrenz verbrauchen durften. Die Folge: Ferrari-angetriebene Teams fielen hoffnungslos zurück, das Aggregat war mit Abstand das schwächste im Feld.

Ferrari musste die Power Unit umkrempeln und fand auf "konventionellem Weg" bis Anfang 2022 Lösungen, die den Anschluss an die Konkurrenz brachten.

Der Nachteil der vergangenen beiden Jahre ist weg, was neben den Topspeed-Messungen der ersten drei Rennen auch die guten Performances der Kundenteams Alfa Romeo und Haas untermauern. 25 PS habe Ferrari mit dem letzten Update vor Saisonstart aufgeholt, verrät Teamchef Mattia Binotto.

Wer sich im Bereich des Motors einen Vorteil erarbeiten konnte bzw. noch kann, hat ihn lange inne. Seit 1. März sind Verbrennungsmotor, MGU-H, Auspuff und Öl sowie Benzin-System eingefroren, ab 1. September gilt die Maßnahme auch für MGU-K, Batterie und Steuerelektronik. Und das bis zum Start des neuen Motorenreglements 2026 - um Kosten einzusparen.

Auch die Zuverlässigkeit stimmt

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"To finish first, you first have to finish."

Eine Weisheit von Ron Dennis, die nicht nur 15 Jahre danach Gültigkeit besitzt - sondern wohl in alle Ewigkeit. Und zum Refrain eines leidigen Liedes wurde, das bei Red Bull Racing momentan angestimmt wird.

Das einzige Team, das es in Sachen Pace zustande brachte, mit Ferrari mitzukämpfen, hat nämlich ausgerechnet in diesem Bereich herbe Probleme. Max Verstappen sah in Bahrain und Australien das Ziel technisch bedingt nicht - beide Male im Kampf um den Sieg. Der Großteil der satten 46 WM-Punkte Rückstand geht auf das Konto des streikenden RB18.

Bei Ferrari ist Zuverlässigkeit hingegen ein Schlüsselelement. Hier gibt es keine Risiken. "Sie ist ein Teil der Performance. Wir legen auch beim Setup für das Rennen einen Schwerpunkt darauf - sie ist ein 'part of the game'", meint auch Binotto.

Das ist keine Neuerung aus 2022, auch wenn beim Aus von Carlos Sainz in Australien schon in dieser Saison einmal die Technik eine Rolle spielte. Der Spanier kam 2021 immer ins Ziel, auch die beiden Ausfälle von Leclerc in der letzten Saison (Monaco und Ungarn) waren crashbedingt.

Aus dem Tiefpunkt einen Vorteil gemacht

Das Jahr 2020 markierte für die stolze Scuderia einen der absoluten Tiefpunkte der eigenen Geschichte. 2019 noch siegfähig, rutschte Ferrari nach der Aufdeckung der Motor-Tricksereien weit ab. Am Ende schaute nur der desaströse sechste Rang in der Konstrukteurswertung heraus.

Auf seine Art war dieser Tiefpunkt aber ein Segen. Weil der WM-Stand des Vorjahres für die zur Verfügung stehende Zeit im Windkanal herangezogen wird, genoss Ferrari zu einem wichtigen Zeitpunkt einen entscheidenden Vorteil gegenüber den anderen Top-Teams. Das ahnte Toto Wolff, noch bevor eines der neuen Autos auf der Strecke unterwegs war.

Ferrari legte ohnehin schon früh Wert auf die Entwicklung des Autos für die neue Ära. Ein Luxus, den sich insbesondere Mercedes und Red Bull im Titelkampf nicht leisten konnten. Zum Vorteil des Windkanals kamen so durch die frühe Ad-Acta-Legung der Arbeit für 2021 noch einmal einige Monate an Entwicklungsvorsprung hinzu.

Hier liegt auch der fragile Punkt des Ferrari-Hochs: Nicht alles, aber ein gewisser Teil des Vorsprungs kann noch im Laufe der Saison aufgearbeitet werden. Die Lernkurve bei allen Teams ist im Moment sehr steil, bei jenen, die mehr falsch gemacht haben, umso stärker.

Spätestens bei der Konstruktion der Autos für 2023 werden alle ihre Lehren gezogen und umgesetzt haben.

Leclerc und Sainz: Jung, aber reif; Freunde, aber Gegner

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Als er 2018 in die Formel 1 kam, galt Charles Leclerc ganz wie Max Verstappen und auch George Russell als ein kommender Weltmeister. Ein Ruf, den er mit zwei Siegen gleich in seinem ersten Ferrari-Jahr 2019 untermauerte. Zumal er auf Anhieb auch Teamkollege Sebastian Vettel übertrumpfte.

Danach wurde es etwas stiller um den Monegassen. Was aber weniger seiner Person, als der Ferrari-Misere geschuldet war. Jetzt scheint der Moment für den 24-Jährigen gekommen, richtig glänzen zu können.

Leclerc hat somit in vier Formel-1-Jahren beide Seiten der Medaille schon kennengelernt. Beobachter attestieren ihm, gereift zu sein und überbordende Emotionalität abgelegt zu haben.

Die Reife zum Teamleader ist also da - aber braucht es so einen überhaupt? Carlos Sainz hat immerhin drei F1-Jahre mehr am Buckel und sich schon in verschiedenen Autos bewiesen.

Dass der Spross der WRC-Legende nie als ein Supertalent der Größenordnung seines Teamkollegen betrachtet wurde, macht dem Spanier scheinbar nichts aus: Er hat sich seinen Platz bei Ferrari über kontinuierliche Leistung gesichert. Und sein erstes Scuderia-Jahr 2021 in der WM sogar vor Leclerc abgeschlossen.

Dass der 27-Jährige das Momentum nicht in die neue Saison transportieren konnte, schiebt er selbst auf Setup-Schwierigkeiten. Es wird aber nur eine Frage der Zeit sein, bis auch Sainz das neue Auto besser versteht und seinen Fahrstil ausreichend angepasst hat.

Gemeinsam stellen sie nicht nur nach außen die perfekten Vertreter für das saubere und kompetitive Image Ferraris dar, sondern bringen auch die richtige Mischung aus Jugend und Erfahrung mit.

Dass sich Ferrari mit seinem Duo auf dem richtigen Weg wähnt, ist nun auch zu Papier gebracht. Während Leclerc schon seit 2019 bis 2024 an die Scuderia gebunden ist, wird nun auch Sainz mindestens diesen Zeitraum in Maranello verbringen.

Zwei ähnlich schnelle Fahrer, die sich gegenseitig Siege und Punkte wegnehmen, wähnte Helmut Marko als Vorteil für Red Bull im WM-Kampf. Aber das Klima zwischen Leclerc und Sainz passt - auf dieser Basis kann die interne Konkurrenz eine gesunde sein, sodass sich die ebenbürtigen Teamkollegen gegenseitig pushen.

Binottos ruhiges Leadership

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Mattia Binotto hatte in den letzten beiden Jahren einen schweren Stand. Zu Beginn 2019 übernahm er von Maurizio Arrivabene, bald ging es steil bergab.

Eine schwierige Aufgabe für den ehemaligen Technik-Hauptverantwortlichen mit Schweizer Wurzeln. Als zurückhaltender Typ blies ihm der Gegenwind stark ins Gesicht, ohne dass er sich ausreichend profilieren konnte. Teilweise wurde der 52-Jährige mitleidig belächelt und als "Clown" abgestempelt.

Nun steht der Teamchef auf einmal völlig anders da. Als ein Hoffnungsträger für bessere Jahre. In schwierigen Zeiten schuf Binotto ein ruhigeres Umfeld als der emotionale Arrivabene, ist als Leader ein Ruhepol und passt auch charakterlich gut zu seinen beiden Piloten.

Das Trio stellt ein Gegengewicht zum italienischen Charakter rund um die Scuderia da, wo das Stimmungsbild schnell zwischen Extremen schwanken kann. Binotto, Leclerc und Sainz bilden als die drei wichtigsten Akteure einen nüchtern-analytischen Anker zu diesem schwierigen Umfeld, ohne dabei gar zu unterkühlt aufzutreten.

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