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Domenicali: "Formel 1 ohne Red Bull unvorstellbar"

F1-Boss Stefano Domenicali im Talk über Mateschitz und Zukunft der Königsklasse:

Domenicali: Foto: © getty

Die "Ferrari-Connection" an der Spitze der Formel 1 hat mit Anfang des Jahres Zuwachs bekommen: Stefano Domenicali folgte als neuer Boss des Formel-1-Promotors Liberty Media auf Chase Carey.

Wie FIA-Präsident Jean Todt und der sportliche F1-Chef Ross Brawn hat auch der 56-jährige Betriebswirt aus Imola eine lange Ferrari-Episode in seiner Vita, u. a. von 2007 (letzter WM-Titel mit Räikkönen, 2008 Konstrukteurs-WM) bis 2014 als Teamchef. Danach war Domenicali vier Jahre Vorstandsvorsitzender von Lamborghini innerhalb des VW-Konzerns.

Im Interview mit LAOLA1-Kolumnist Gerhard Kuntschik spricht Domenicali über die kritische Gegenwart und eine erwartete positive Zukunft der Königsklasse – und wünscht sich die WM-Entscheidung im letzten Saisonrennen, was er mit Vor-Vorgänger Bernie Ecclestone gemeinsam hat.

Außerdem spricht der F1-Boss über die Rolle von Dietrich Mateschitz und Red Bull in der Formel 1:

LAOLA1: Wie siehst du die bisherige Saison aus sportlicher und organisatorischer Sicht, vor allem, was die Auswirkungen der Pandemie betrifft?

Stefano Domenicali: Wir sind noch immer in einer schwierigen Situation, aber wir machten mit dem Rennkalender Fortschritte. Die Meisterschaft ist eine aufregende und sehr gute. Die beste Nachricht ist, dass wir an diesem Wochenende erstmals wieder ein volles Haus haben werden. Das ist ein Erfolg für die unglaublichen Anstrengungen der Veranstalter und unser Sicherheitskonzept, aber nichtsdestotrotz müssen wir weiter streng auf die Einhaltung des Protokolls achten. Wir dürfen keine Risken eingehen. Für die Zukunft ist unser Bestreben, die Saison mit 23 Rennen beizubehalten.

LAOLA1: Werden sich 23 Rennen heuer ausgehen?

Domenicali: Auch das ist positiv, dass wir sofort einen "Plan B" aktivieren können. Dass wir Ersatz für nicht durchführbare Rennen finden, zeigt, dass es der Formel 1 gut geht. Wir konnten dank des FIA-Protokolls in jedem Land, in dem wir Rennen in der Pandemie durchführten, zeigen, dass wir auf der sicheren Seite sind, in dem wir das Risiko auf ein Minimum reduzieren.

LAOLA1: Und sportlich tut sich ja auch einiges…

Domenicali: Es ist fantastisch. Wir haben einen tollen Kampf an der Spitze und genauso einen im Mittelfeld. Wir haben Red Bull gegen Mercedes on top, dahinter McLaren gegen Ferrari, und dann das heiß umkämpfte Mittelfeld mit Aston Martin, Alpine, AlphaTauri. Mein Traum wäre dennoch, dass die WM im letzten Rennen in Abu Dhabi entschieden wird. Wir können auch mit der Resonanz der Fans zufrieden sein. Die Fangemeinde wächst in sozialen Medien und vor dem TV. Das alles stimmt mich positiv für die Zukunft.

LAOLA1: Stichwort Zukunft: 2022 kommen die neuen Regeln für die Autos. Die müssten die Spannung noch steigern.

"Wir müssen alles daransetzen, die Formel 1 nachhaltig zu gestalten. Dazu zählt auch die Budgetobergrenze, die sichert, dass alle Teams an Bord und konkurrenzfähig bleiben."

Domenicali: Ja. Das wird wieder ein großer Augenblick. Wir müssen alles daransetzen, die Formel 1 nachhaltig zu gestalten. Dazu zählt auch die Budgetobergrenze, die sichert, dass alle Teams an Bord und konkurrenzfähig bleiben. Wir erkennen auch, dass sich immer mehr Unternehmen von außerhalb für die Formel 1 interessieren, genauso wie neue Schauplätze für Rennen. Andererseits haben wir jetzt auch eine derartige Fülle von exzellenten Fahrern im Feld wie selten zuvor, die alle große, völlig unterschiedliche Persönlichkeiten sind.

LAOLA1: Würdest du meinen, ohne Budgetlimit hätten wir nicht mehr zehn Teams am Start? Oder gibt es Interesse von Neueinsteigern?

Domenicali: Es wäre sehr wahrscheinlich gewesen, das eine oder andere Team ohne Budget Cap zu verlieren. Was neue Teams betrifft, gibt es immer wieder Anfragen. Wir müssen aber die Integrität der Meisterschaft sichern. Wenn ein neues Team allen Anforderungen entspricht und das übliche Prozedere durchläuft, wird es in Betracht gezogen. Im Moment haben wir mit zehn Teams das Maximum.

LAOLA1: Wie kam die Firma Formel 1 durch die Pandemie?

Domenicali: Letztes Jahr war klarerweise extrem schwierig. Die Saison begann genau jetzt vor einem Jahr. Wir hatten viele schwierige Situationen zu meistern, aber wir brachten eine Meisterschaft zustande. Auch wenn 2020 sehr kritisch war, sind wir 2021 gut aufgestellt, dafür gilt der Dank allen Partnern – von Veranstaltern über Sponsoren bis zu den Fans, die mit ihren Seherzahlen beweisen, wie populär die Formel 1 ist.

"Ich kann mir die Formel 1 ohne Dietrich und Red Bull nicht vorstellen! Er ist ein Visionär."

LAOLA1: Wir haben wieder zwei Rennen in Österreich. Wie siehst du Dietrich Mateschitz und Red Bull als Partner?

Domenicali: Ich kann mir die Formel 1 ohne Dietrich und Red Bull nicht vorstellen! Er ist ein Visionär. Es ist fantastisch, was er für die Formel 1 getan hat, und ich bin für sein Engagement dankbar.

LAOLA1: Was erwartest du von den Sprintrennen als Qualifikation, die in Silverstone in zwei Wochen erstmals gefahren werden?

Domenicali: Wir haben hohe Erwartungen, weil wir sehen wollen, wie etwas Neues angenommen wird. Von den Fans an der Strecke, von den Fans daheim, von den Beteiligten selbst. Wir sind auf die Reaktionen auf das neue Format, mit Qualifikation schon am Freitag für das Sprintrennen und dann dem Sprint selbst als Quali für das Rennen, gespannt. Aber eine Entscheidung, ob das Format bleiben wird, werden wir erst nach der Saison treffen.

LAOLA1: Wie fühlst du dich persönlich nach der Reise vom Formel-1-Teamchef zum Vorstandschef in der Autoindustrie und weiter zum F1-Boss?

Domenicali: Ganz ehrlich, ich habe diesen Schritt nicht erwartet. Ich bin Liberty Media für diese Chance dankbar. Die Formel 1 war immer meine Liebe, ich war in meiner gesamten Berufslaufbahn irgendwie immer dem Rennsport verbunden. Ich darf mich glücklich schätzen, diese Verantwortung übertragen bekommen zu haben.

LAOLA1: Kannst du bestätigen, dass es Samstag ein Meeting mit den Vertretern der Motorenhersteller zum Regulativ ab 2025 geben wird, zu dem auch die Vorstandschefs der aktuellen Hersteller sowie Markus Duesmann von Audi und Oliver Blume von Porsche kommen werden?

Domenicali: Ja, das haben wir so geplant. Wir wollen diskutieren, wie der Antriebsstrang der Zukunft aussehen soll. Wir wollen wieder Vorreiter sein, so wie wir es ab 2014 mit den ersten Hybridantrieben waren, die jetzt die effizientesten Motoren überhaupt sind. Wir müssen die Hybridisierung weiter forcieren und gleichzeitig nachhaltigen Treibstoff einführen. 

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